Renate Barnsteiner fragt: Besteht für den Arzt nach einer ambulanten Operation unter Narkose die Pflicht, den Patienten daran zu hindern, nach dem Eingriff mit dem Pkw selbst nach Hause zu fahren?
Antwort der Redaktion: Angesichts der Kraftfahrzeugdichte sowie der zunehmenden Anzahl von ambulanten Operationen konnte es nicht ausbleiben, dass dem Arzt immer mehr präventivmedizinische Aufgaben erwachsen sind. Er ist aufgrund des Behandlungsvertrags mit dem Patienten verpflichtet, diesen nach Möglichkeit vor Unfallgefahren zu schützen. Das bedeutet, dass eventuelle Folgen der Behandlung auf die Verkehrssicherheit in Betracht gezogen werden müssen. Hierüber hat der Arzt seinen Patienten zunächst unter Einbeziehung der individuellen Besonderheiten (Narkosemittel, Alter, Kreislauf- und koronare Herzerkrankungen etc.) aufzuklären. Wird die Aufklärungspflicht verletzt und verursacht der Patient im Anschluss an die Behandlung einen Verkehrsunfall, der auf die vorangegangene Medikamentierung zurückzuführen ist (vgl. LG Konstanz NJW 1972, S. 2223), kann der Arzt zum Ersatz des eingetretenen Schadens herangezogen werden.
Da bei einer Narkose, aber auch bei Lokalanästhesie, regelmäßig von einer Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit auszugehen ist, muss der Arzt selbst bei kleineren ambulanten Eingriffen dafür Sorge tragen, dass eine Kontrolle und Beobachtung des Patienten erfolgt (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1987, S. 490; Laufs/Uhlenbruck: Handbuch des Arztrechts, § 150). Die Übertragung dieser Überwachungsmaßnahmen kann durch Anweisung des Arztes auf das Pflegepersonal erfolgen. Viele autofahrende Patienten neigen im Anschluss an eine Narkotisierung zu einer Fehleinschätzung ihrer Verkehrstüchtigkeit. Die Gefahr, dass es bei steigendem Blutdruck zu einer plötzlichen Ausschwemmung der Reste des Narkosemittels kommen kann, wird von den Patienten oft nicht realisiert.
Sollte sich ein Patient infolge einer fehlerhaften Selbsteinschätzung und entgegen dem ärztlichen Rat trotz Narkosenachwirkungen selbst ans Steuer setzen wollen, darf (und muss) der Arzt dies zum Schutze sowohl des Patienten als auch der anderen Verkehrsteilnehmer durch geeignete Maßnahmen verhindern. Hierzu – und entsprechend dem Notstandsrecht gerechtfertigten Maßnahmen – zählen unter anderem die Wegnahme des Zündschlüssels, das Blockieren des Fahrzeugs oder das Herbeirufen der Polizei. Das Unterbinden einer kritischen bzw. gefährlichen Autofahrt ist somit dem ärztlichen Pflichtenkreis zuzurechnen.