Die Gesundheitsämter sind nicht dazu befugt, Mitarbeitende in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, für die seit dem 15. März 2022 die einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht des § 20a Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 IfSG gilt, durch einen förmlichen Verwaltungsakt zur Vorlage von Impf- oder Genesenennachweisen bzw. von Attesten, die eine medizinische Kontraindikation bestätigen, aufzufordern. Das hat die 1. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts am 13. und 14. Juni 2022 in mehreren gleichgelagerten Eilverfahren beschlossen.
Antragstellerin im Leitverfahren 1 B 28/22 ist eine Zahnarzthelferin aus Flensburg, die sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen möchte. Sie wurde vom zuständigen Gesundheitsamt mit Bescheid vom 28. April 2022 aufgefordert, bis Anfang Juni einen Impfnachweis bzw. einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen, dass sie aus medizinischen Gründen nicht gegen Corona geimpft werden darf (sogenannte Kontraindikation).
Der Bescheid wurde vom Gesundheitsamt für sofort vollziehbar erklärt und die Antragstellerin auf die Möglichkeit eines Bußgeldes hingewiesen, wenn sie der Anordnung nicht nachkomme.
Keine Verwaltungsaktbefugnis zur Einforderung von Impfnachweisen etc.
Das Gericht führte zur Begründung aus, dass der Behörde für die Durchsetzung der Nachweispflicht die Verwaltungsaktbefugnis fehle. Die Entstehungsgeschichte des maßgeblichen § 20a Absatz 5 Satz 1 IfSG, wonach Mitarbeitende in den betroffenen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen dem zuständigen Gesundheitsamt auf Anforderung einen Impf‑, Genesenen- oder Kontraindikationsnachweis vorzulegen haben, lasse darauf schließen, dass die Durchsetzung der Vorlagepflicht nicht durch Verwaltungsakt erfolgen solle.
Vielmehr könne erst das bei Verweigerung des Nachweises finale Betretens- oder Tätigkeitsverbot im Wege des Verwaltungsakts ergehen.
Vorschrift soll einen Impfdruck erzeugen
Für diese Auslegung spreche nach Auffassung der Kammer auch das Regelungsgefüge des § 20a IfSG, der keine unmittelbare, notfalls mit Verwaltungszwang durchsetzbare Impfpflicht – keinen Impfzwang – statuiere, sondern lediglich einen indirekten Impfdruck erzeugen solle, indem an die Nichtbefolgung der Nachweis- bzw. Untersuchungspflicht berufliche Nachteile anknüpfen.
Wer ungeimpft bleiben wolle, müsse bei Fortsetzung der Tätigkeit mit einer bußgeldbewehrten Nachweisanforderung (vgl. § 20a Absatz 5 Satz 1, § 73 Absatz 1a Nummer 7h IfSG) und einem ebenfalls bußgeldbewehrten Betretungs- oder Tätigkeitsverbot in den in § 20a Absatz 1 Satz 1 IfSG genannten Einrichtungen und Unternehmen rechnen.
Gegen die Beschlüsse vom 13. und 14. Juni 2022 (Az. 1 B 28/22 und andere) kann binnen zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde beim Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht eingelegt werden.
Quelle: Landesportal Schleswig-Holstein