Rechtsdepesche: Sehr geehrter Herr Schaffenberg, nach vielen Jahrzenten in der Pflege und Ihren Beobachtungen und Erfahrungen: Welchen Stellenwert messen Sie der Bedeutung von Berufsbekleidung in der Pflege zu?
„Berufsbekleidung ist mit Amt verbunden“
Ingo Schaffenberg: Die Berufsbekleidung ist immer mit einem Amt verbunden. Sie soll die Zugehörigkeit zum Berufsstand und zum Unternehmen signalisieren, Kompetenz, Vertrauen und Respekt vermitteln. Sie kennen das selbst aus Ihrem juristischen Bereich.
Die Robe repräsentiert die berufliche Stellung und die Würde der Richter und der bei Gericht fungierenden Juristen. Vergleichbar ist die Bedeutung der Berufskleidung in Medizin und Pflege. Der Arztkittel und der Kasak sind ebenfalls professionelle Kleidungsstücke, die die Stellung der Ärzte und Pflegefachpersonen nach innen und außen dokumentieren.
Der Dienst am Patienten benötigt eine gewisse persönliche Distanz. Es handelt sich schließlich um Arbeit und nicht um Freizeit. Diese Abgrenzung wird über die Berufskleidung von Ärzten und Pflegenden herbeigeführt.
„Umweltbilanz eindeutig für Mehrwegkleidung“
Rechtsdepesche: Was ist Ihre persönliche Präferenz, bevorzugen Sie Einweg- oder Mehrwegkleidung?
Schaffenberg: Nach meinen persönlichen Erfahrungen auf Intensivstationen, im OP, in der Funktionsdiagnostik und der Peripherie fällt meine Antwort auf diese Frage eindeutig aus: Mehrwegkleidung.
Nach eindeutiger Studienlage fällt die Umweltbilanz im Gesundheitsbereich für das Mehrweg-Textil deutlich besser aus, als für Einweg-Textilien. Nachhaltigkeit im besten Sinne eben. Gerade in diesen vielschichtigen Krisenzeiten sollte dieser ökologische Aspekt unbedingt im Auge behalten werden.
Rechtsdepesche: Hat die Mehrwegberufskleidung neben diesen Vorteilen für die Umwelt auch einen Mehrwert für die Menschen, die sie tragen?
Schaffenberg: Ja, sie bietet zum einen ein Identifikationspotenzial mit dem Arbeitgeber. Das Logo oder der Name der Einrichtung ist meistens gut erkennbar auf den Textilien aufgedruckt. Mittels der Berufskleidung kann auch der Berufsstolz Ausdruck finden. „Proude to be a nurse“ ist nicht nur ein Schlagwort, sondern wird von vielen meiner KollegInnen auch so empfunden.
Die pflegerische Berufskleidung verkörpert dies in meinen Augen und hat für mich in diesem Sinne einen absoluten Mehrwert. Außerdem wird über die Berufskleidung eine klare Trennlinie zwischen dem dienstlichen und dem privaten Leben gezogen.
„8 Kleidungssets pro Person für 5 aufeinander folgende Dienste“
Rechtsdepesche: Wie viele professionelle Kasaks sollte jede Pflegefachperson zur Verfügung haben?
Schaffenberg: Sie werden staunen. Ich habe da mal eine kleine Umfrage unter meinen KollegInnen gestartet. Nehmen wir an, dass fünf Dienste am Stück aufeinander folgen und für jeden Dienst frische Wechselkleidung getragen werden soll. Wir reden dann also schon einmal von 5 Kleidungssets für diese Dienstzeiten.
Es versteht sich natürlich von selbst, dass bei sichtbarer Verschmutzung oder vermuteter Kontamination zusätzliche Wechsel erfolgen müssen. Der vermeldete Bedarf aus meiner Umfrage lautete also: wünschenswert waren 8 Kleidungssets pro Person für 5 aufeinander folgende Dienste.
Dies deckt sich prinzipiell auch mit der KRINKO-Empfehlung (Komission für Krankenhaushygiene und Infektionspävention, die Red.) „Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“. Auch hiernach wird es als praktikabel empfohlen, den Beschäftigten in der direkten Patientenversorgung Arbeitskleidung in ausreichender Stückzahl für den täglichen Wechsel zur Verfügung zu stellen.
Rechtsdepesche: Entspricht das denn auch der Realität?
Schaffenberg: Leider nein. Meine Realität sieht so aus: Ich kann mir drei Kasaks und drei Hosen abholen, die reichen dann hoffentlich für drei Tage und wenn die aufgebraucht sind, hab´ ich ein Problem.
„Affront gegen unseren Berufsstand!“
Rechtsdepesche: Wie bewerten Sie es, dass es inzwischen immer häufiger vorkommt, dass Arbeitgeber ihre Angestellten auffordern, ihre Dienstkleidung zu Hause zu waschen?
Schaffenberg: Das ist eine absolute Frechheit. Es geht hier natürlich um die unrechtmäßige Verlagerung von Kosten auf den Arbeitnehmer. Ganz klar: der Arbeitgeber hat für die hygienische Aufbereitung der Dienstkleidung Sorge zu tragen.
Alles andere ist ein „No-Go“. Es ist eine finanzielle Frechheit und ein Affront gegen unseren Berufstand. Ich bitte Sie: was soll Berufskleidung die mit Blut, Eiter, Stuhl oder Urin beschmiert ist in meiner privaten Waschmaschine? Das ist unhygienisch ohne Ende. Und es ist eine Respektlosigkeit, die Bände spricht.
Rechtsdepesche: Könnte in puncto nachhaltiger Umgang mit Arbeitskleidung noch mehr erreicht werden, wenn ja, wie könnte die Ampelkoalition in Berlin mehr Nachhaltigkeit in diesem Bereich fördern?
Schaffenberg: Das ist eine schöne Frage. Ich erwähne gerne noch einmal einen eingangs erwähnten Begriff: Nachhaltigkeit. Nehmen wir einmal an, dass ein Krankenhaus seine Wäsche über große Wäschereien aufbereiten lässt. Nach dem Ausschreibungsrecht ist es dann doch so, dass der preiswerteste Anbieter den Zuschlag erhält.
Ein solcher Anbieter kann aber auch im europäischen Ausland ansässig sein. Mit anderen Worten: LKW beladen mit schmutziger Berufsbekleidung und anderer Wäsche fahren mitunter kreuz und quer durch Europa. Das ist nicht nachhaltig. Der einzige Punkt, der da tröstet, es ist der preiswerteste Anbieter. Die Umweltbelastung aber spricht Bände. Hier kann die Ampelkoalition durchaus positiv einwirken.
Aus meiner Sicht wäre es wäre für alle Beteiligten besser, wenn die Berufsbekleidung bei uns im Land gewaschen werden würde, das reduziert den Benzinverbrauch und die CO2-Emissionen. Ich weiß nicht genau, inwieweit die Ampelkoalition da einwirken kann, aber da müssen die sich die Politiker dann Gedanken machen.
Rechtsdepesche: Sehr geehrter Herr Schaffenberg, vielen Dank für das Gespräch!