Rechtsdepesche: Frau Zergiebel, Sie sind für das Medizincontrolling in einer Klinik mit 450 Betten zuständig. Welche Rolle spielen Qualitätsstandards wenn nicht einmal klar ist, wieviel Energie wir im Winter zur Verfügung haben werden?
Eleonore Zergiebel: Die Einhaltung der Qualitätsstandards sind für jedes Krankenhaus das oberste Gebot. Die Qualität muss in jedem Bereich erfüllt werden, egal wie und egal mit welcher Energie. Es ist schwer eine Prognose für den bevorstehenden Winter abzugeben. Aber ja, wir werden das hinbekommen. Alle zur Verfügung stehenden Energielieferungen werden dafür genutzt.
Wäschereien seit der Pandemie systemrelevant
Rechtsdepesche: Wäschereien gelten seit der Pandemie als systemrelevant. Was bedeutet das für den Betrieb Ihres Krankenhauses und welche Folgen hätte ein Ausfall der Wäscherei?
Eleonore Zergiebel: Frische und saubere Wäsche ist essentiell für den Betrieb eines Krankenhauses. Das fängt bei der Kleidung des Personals an. Ärzte, Pflegekräfte, die Mitarbeiter in der Hauswirtschaft und Küche: Sie alle müssen Dienstkleidung zur Verfügung gestellt bekommen.
In einem Engpass, kann vielleicht einmal auf Einmalkittel ausgewichen werden. Aber so einfach ist das dann im Detail aber auch nicht. Vom ökologischen Ansatz ganz zu schweigen. Dann ist da natürlich auch der Patient. Es ist selbstredend, dass bei jedem Patientenwechsel die Bettwäsche einem desinfizierendem Waschverfahren zugeführt werden muss und der Patient einen Anspruch auf saubere, nicht mit Krankheitserregern kontaminierte Bettwäsche hat.
Ausfall einer Wäscherei würde Krankenhausbetrieb einschränken
Das heißt, der Ausfall einer Wäscherei würde den ordentlichen Betrieb eines Krankenhauses deutlich einschränken, wenn nicht sogar unmöglich machen. Es gibt in einem solchen Fall natürlich die Möglichkeit auf Einmalartikel auszuweichen. Aber darauf müsste ja erstmal umgestellt werden. Das geht natürlich nicht von jetzt auf gleich.
Und da gilt es auch die Nachhaltigkeit dieser ganzen Einmalartikel gegenüber der wiederverwendbaren Baumwollwäsche zu erwägen. Für mich steht fest: ein Ausfall der Wäscherei wäre systemrelevant. Der Betrieb des Krankenhauses wäre in Gefahr.
Rechtsdepesche: Ist eine krankenhausinterne Aufbereitung der Krankenhaus-Wäsche möglich?
Eleonore Zergiebel: Wir haben schon vor vielen Jahren die Wäscherei outgesourct. Das heißt: Externe Wäschereien bereiten alle unsere Textilien auf. Die Wäsche wird hier abgeholt, einer hygienisch einwandfreien, professionellen Aufbereitung unterzogen und wieder in unserer Klinik angeliefert.
„Intern können wir Wäsche nicht aufbereiten!“
Selbst wenn wir wollten: Wir können krankenhausintern die Wäsche nicht von heute auf morgen selbst aufbereiten. Das ist nicht möglich. Da müssten wir erst wieder eine neue Wäschereiabteilung aufbauen. Uns das ist eine große Aufgabe.
Rechtsdepesche: Wie ist es um das Thema Nachhaltigkeit in Zeiten knapper Rohstoffe und steigender Kosten bestellt?
Eleonore Zergiebel: Zum Glück war bereits unser vorheriger Geschäftsführer in Punkto Nachhaltigkeit schon sehr vorausschauend unterwegs. Er hat dafür gesorgt, dass unsere Klinik ein Blockheizkraftwerk erhalten hat, das nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung arbeitet. Bislang haben wir Erdgas als Brennstoff für die Strom- und Wärmeerzeugung genutzt.
Jetzt, wo wir wissen, dass Gas knapp wird, haben wir die Technologie auf Erdöl umgestellt und können so die Sicherheit der Wärme- und Stromversorgung in unserer Klinik gewährleisten. Ob die Umstellung von Erdgas auf Erdöl im Sinne einer Nachhaltigkeit ist, das ist eine ganz andere Frage. Aber: die Aufrechterhaltung der klinischen Versorgung hat oberste Priorität. Wohl oder übel nehmen wir da eine schlechtere Ökobilanz und schlechtere Nachhaltigkeit Inkauf.
„Ich bevorzuge Baumwolle“
Rechtsdepesche: Empfinden Sie Mehrweg-OP-Textilien als gleichwertige Alternative zu den Standard Einwegprodukten im Krankenhausbetrieb?
Eleonore Zergiebel: Ich gehöre zu denjenigen, die Mehrweg- und natürliche Rohstoffe, sprich Baumwolle, bevorzugen. Wenn die Aufbereitung der Textilien ordentlich funktioniert, bestehen auch aus hygienischen Gründen überhaupt keine Unterschiede zu den Einmal-Artikeln. Natürlich: Der Einkaufspreis der Einmal-Artikel ist günstiger. Diese werden aber auch in Billiglohnländer produziert.
Rechnet man jedoch die Inhouse-Logistik, die Lagerkosten und die Gebühren für die Abfallentsorgung hinzu, stellt sich die Rechnung anders dar. Hinzu kommt, dass die Entsorgung unsere Abfallwirtschaft belastet – mit den entsprechenden Auswirkungen auf unsere Umwelt. Mehrfachartikel sind augenscheinlich zunächst kostenaufwändiger.
Die Anschaffungskosten, der Wäschereibetrieb, mit einen Personalkosten. Das alles muss gezahlt werden. Von Aufbereitungszyklus zu Aufbereitungszyklus stellt sich die Bilanz aber immer günstiger dar. Uns deshalb bin ich dafür, dass möglichst auf die natürliche Variante gesetzt werden soll und Mehrweg-Produkte aus Baumwolle und anderweitige recyclebare Stoffe im Krankenhaus benutzt werden.
Mehrwegkleidung wärmt besser
Rechtsdepesche: Und was sagen Sie zum Tragekomfort? Bevorzugen Sie Einweg- oder Mehrwegtextilien?
Eleonore Zergiebel: Die Einwegsachen sind leichter und dünner. Bei langen und schweißtreibenden OP´s kann das unter Umständen angenehm sein. Aber Einwegartikel riechen auch strenger. Ich bevorzuge ganz klar Kleidung aus natürlichen Fasern.
Auch und vor allem unter dem Gesichtspunkt des Tragekomforts. Hinzu kommt, dass Mehrwegkleidung besser wärmt.
Rechtsdepesche: Zum Abschluss: Welche Forderungen haben Sie gegenüber der Politik und wo besteht aus Ihrer Sicht dringender Verbesserungsbedarf?
Rasante Ökonomisierung der Medizin
Eleonore Zergiebel: In den letzten Jahren ist eine rasante Ökonomisierung der Medizin zu beobachten gewesen. Vieles wurde outgesourct. Nicht nur die Wäschereien, auch die Gebäude-Reinigung oder die Küchen wurden an externe Dienstleister vergeben. Das mag betriebswirtschaftlich sinnvoll sein. Aus meiner Sicht gibt es aber auch Grenzen.
Das Outsourcing von patientenrelevanten und patientennahen Abteilungen, wie zum Beispiel die Apotheke oder das Labor, sehe ich kritisch. Dies dient nicht dem Wohl des Patienten, sondern nur der Wirtschaftlichkeit und am Ende der reinen Profitsteigerung des Krankenhauses. Mit immer preiswerteren Arbeitskräften und günstigeren Methoden sollen die Krankenhausbudgets geschont werden.
Und das halte ich am Ende des Tages im Outcome für den Patienten für nicht so gut. Nach meiner Meinung sollten wir uns in diesen Bereichen zurückbesinnen, auch wenn es im Alltag dann teurer sein kann. Für mich steht fest: die zunehmende Ökonomisierung der Krankenhäuser mit der Ausrichtung nach Profit dient nicht der besseren Versorgung des Patienten.
Rechtsdepesche: Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person: Eleonore Zergiebel ist Fachärztin für Innere Medizin. Ihr obliegt die Leitung des Medizincontrollings im Krankenhaus Düren und sie ist Mitglied des Vorstandes der Ärztekammer Nordrhein sowie Mitglied im Landesvorstand des Marburger Bundes.