Die an einer schmerzenden Rückenblockade leidende Klägerin wurde am 29.12.2011 in die orthopädische Abteilung des Krankenhauses der Beklagten aufgenommen. Zur Linderung ihrer Beschwerden erhielt sie einen Schmerztropf, der über einen Venenverweilkatheter auf dem linken Handrücken zugeführt wurde. Da die Patientin über Schmerzen an der Einstichstelle klagte, wurde der Katheter am 2.1.2012 entfernt. Am nächsten Tag diagnostizierten die Ärzte eine Thrombophlebitis an der Katheterstelle. Trotz Behandlung verschlechterte sich der Zustand am Einstichpunkt. Dort hatte sich ein kleiner Abszess gebildet, welcher nach Anordnung des Chefarztes per Abszedierung entfernt wurde. Die Klägerin wurde am Folgetag aus dem Krankenhaus entlassen.
Weiterhin Schmerzen in der Hand
Einige Tage später suchte die Klägerin, die unter anhaltenden Schmerzen an der betroffenen Hand litt, ein anderes Krankenhaus auf. Dort wurde erneut eine Thrombophlebitis diagnostiziert. Nach weiteren Behandlungen und Arztkonsultationen kam es ab dem 12.1.2012 zu einer Zunahme der Beschwerden. Am 25.1.2012 erfolgte sodann eine erneute Aufnahme in ein Krankenhaus. Eine MRT-Untersuchung brachte eine entzündliche Erkrankung der Wirbelglieder (Spondylitis) mit beginnender Liquifizierung der Bandscheiben zum Vorschein. Im Blut konnte der Nachweis auf Staphylokokken erbracht werden.
Die Patientin klagte auf Schadensersatz
Die Klägerin warf der Klinik fehlerhafte und unhygienische Arbeit vor:
- Beim Anlegen des Katheters habe die Pflegekraft weder Handschuhe getragen, noch Desinfektionsmittel verwendet.
- Die Ärzte hätten eine bereits bestehende Spondylodiszitis nicht bemerkt. Ansonsten sollen die Erreger durch die Behandlung der Thrombophlebitis ins Blut gelangt sein.
- Bei der Abszedierung fiel der Pflegekraft eine Kanüle auf den Boden. Da die Klägerin sich weigerte, ihre Behandlung mit der heruntergefallenen Nadel fortzusetzen, ging die Pflegekraft aus dem Raum und beschaffte eine neue. Während des gesamten Szenarios soll diese dabei das gleiche Paar Handschuhe getragen haben. Jedenfalls benutzte die Pflegekraft beim erneuten Eintreten die Türklinke und wechselte die Handschuhe anschließend nicht.
Die Patientin verklagte das Krankenhaus und den Chefarzt der Orthopädie auf Schadensersatz. Die Klage wurde vom LG Dortmund abgewiesen (Az.: 4 O 195/12). Hiergegen legte sie Berufung vor dem OLG Hamm ein (Az.: 3 U 28/15).
Katheterbehandlung nicht nachweislich ursächlich
Die Berufungsrichter kamen in ihrer Urteilsbegründung zu der Feststellung, dass es keinen Verstoß darstellt, wenn die Pflegekraft beim Ziehen eines Venenverweilkatheters ausschließlich Handschuhe trägt und vorher auf eine Handdesinfektion verzichtet. Denn bei der Entfernung des Katheters tritt lediglich Blut aus; die Gefahr einer Kontamination entgegen des Blutstroms erscheint eher unwahrscheinlich. Zwar ist bei der Anlage des Katheters eine zusätzliche Händedesinfektion als erforderliche Maßnahme vor aseptischen Tätigkeiten vorgesehen (vgl. AWMF Nr. 029/027). Im Falle der Klägerin konnte jedoch nicht bewiesen werden, dass die nach Entfernung des Katheters aufgetretene Thrombophlebitis kausal im Zusammenhang mit dem Legen bzw. Ziehen des Katheters steht.
Hinsichtlich des 2. Punktes stellten die Richter fest, dass grundsätzlich jede Entzündung die Ausbildung einer Spondylodiszitis verursachen könne. Auch der Fall einer bereits vorhandenen Diszitis wurde ausgeschlossen, da während der Behandlung keine typischen Symptome auftraten. Stattdessen handelt es sich bei einer Spondylodiszitis um einen langsam voranschreitenden Prozess; die Diagnose kann daher zum Teil erst nach sechs Monaten ausgesprochen werden.
Diese beiden Anklagepunkte wurden daher fallen gelassen.
Kein grober Behandlungsfehler trotz kontaminierter Handschuhe
Was die Abszedierung vom 4.1.2012 anbelangt, so ist diese insoweit fehlerhaft, als dass die Pflegekraft dabei Handschuhe getragen hat, die durch das vorherige Betätigen der Türklinke schon kontaminiert waren. Die eigentliche Behandlungsdurchführung erfolgte nach dem medizinischen Standard.
Grundsätzlich gilt: Je höher das Infektionsrisiko und je gravierender die Folgen der Hygienemissachtung, umso schwerer wiegt der Verstoß gegen den Hygienestandard. In diesem Fall ist der Behandlungsfehler in die unterste Risikogruppe einzuordnen, da es sehr ungewöhnlich ist, dass bei der Abszedierung Bakterien entgegen dem austretenden Eiter in die Wunde gelangen. Daher ist auch die Wahrscheinlichkeit, die kontaminierten Handschuhe könnten etwas mit der Entzündung zu tun haben, sehr gering. Da der Verstoß gegen die Hygieneregeln nicht als grob zu bewerten ist, ist eine Beweislastumkehr nach den Regeln der groben Behandlungsfehler hier nicht möglich.
Obwohl hier ein (einfacher) Behandlungsfehler verzeichnet wurde, kann der Senat jedoch nicht feststellen, ob dieser Fehler tatsächlich ursächlich für die nachfolgende Erkrankung war. In einem solchen Fall muss die Klägerin den Nachweis für eine entsprechende Kausalität erbringen, was ihr vorliegend nicht gelang. Die Klage war insoweit abzuweisen.