Der komplette Verzicht auf Tabak- und Nikotinprodukte ist für die Gesundheit immer die beste Wahl – auch in höherem Alter noch. Zur Wahrheit gehört aber: Knapp drei Viertel der in der DEBRA-Studie fast 19.000 befragten Raucher:innen waren nicht motiviert, mit dem Rauchen aufzuhören.[1]
Für diejenigen erwachsenen Raucher:innen, die sonst weiter rauchen würden, könnte das Konzept der Schadensminderung beim Rauchen – also der Umstieg auf alternative Nikotinprodukte ohne Tabakverbrennung – eine sinnvolle Alternative sein. Denn die Nutzung von verbrennungsfreien Alternativen geht im Vergleich zum fortgesetzten Zigarettenrauchen mit einer signifikant reduzierten Schadstoffaufnahme einher.
Neue Forschung zum Konzept der Schadensminderung beim Rauchen
In den letzten Jahren hat die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen zu alternativen Nikotinprodukten stark zugenommen. Gerade die Vielzahl an „randomized clinical trials“ (RCTs) erlauben eine weitergehende systematische Betrachtung dieser Produkte.
So belegt ein Cochrane Review mittlerweile beispielsweise mit hohem Evidenzgrad, dass Raucher:innen mithilfe von nikotinhaltigen E‑Zigaretten mit höherer Wahrscheinlichkeit mindestens 6 Monate lang abstinent vom Zigarettenrauchen werden, als wenn sie pharmazeutische Nikotinersatztherapien nutzen.[2]
Ein weiterer Cochrane Review kommt zu dem Ergebnis: E‑Zigaretten sind genauso hilfreich beim Erreichen einer Abstinenz vom Zigarettenrauchen wie die besten pharmakologischen Wirkstoffe (Vareniclin/Champix und Cytisin), während Nikotinersatztherapien nur in der Kombination unterschiedlicher Präparate vergleichbar wirksam sind.[3]
Medizinische Leitlinie richtet sich an Personen mit Rauchstopp-Motivation
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema Schadensminderung beim Rauchen finden sich noch nicht in der jüngsten Version der deutschen Rauchstoppleitlinie.[3] 2021 wurde die S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“ überarbeitet und soll medizinischem Fachpersonal Schlüsselempfehlungen dazu liefern, wie Raucher:innen beim Rauchstopp unterstützt werden können.
Im Vordergrund stehen dabei die Aspekte der Aufklärung und psychotherapeutische Unterstützung von rauchenden Patient:innen. Die Nikotinersatztherapie spielt in den Empfehlungen eine untergeordnete Rolle, von der E‑Zigarette als Rauchstopphilfe wird abgeraten.
Eine medizinische Rauchstoppleitlinie wirkt somit primär gegenüber Raucher:innen die schon für den Rauchstopp motiviert sind und sich von medizinischem Fachpersonal dazu beraten lassen, wie sie vollständig auf Tabak und Nikotin verzichten können – die stets beste Option.
Fakt ist aber auch: Die Mehrheit der Raucher:innen ist aktuell nicht für den Rauchstopp motiviert.[1] Somit geht die Rauchstoppleitlinie an den eigentlichen Bedürfnissen der Mehrheit der Raucher:innen vorbei.
Aufklärung ist der Schlüssel
Für erwachsene Raucher:innen, die sonst weiter rauchen würden, braucht es eine klare, unzweideutige Form der Aufklärung. Doch Studien zeigen: In puncto Ursache der Schädlichkeit des Zigaretterauchens gibt es eine große Informationslücke unter Raucher:innen in Deutschland. Fast die Hälfte (48 Prozent) der befragten Raucher:innen halten fälschlicherweise das Nikotin für die Hauptursache rauchbedingter Krankheiten.[5] Nikotin macht süchtig und ist nicht risikofrei, ist aber nicht die Hauptursache für rauchbedingte Krankheiten.
Für Raucher:innen sind Ärzt:innen die wichtigste Quelle für gesundheitsrelevante Informationen. Gespräche mit Ärzt:innen über den Rauchstopp gehen mit einer erhöhten Rauchstoppmotivation der rauchenden Personen einher.[4]
Deswegen sollten nicht nur Raucher:innen, sondern auch Akteur:innen im Gesundheitswesen über die Tabakverbrennung als primäre Ursache der Schädlichkeit des Rauchens und das Suchtpotenzial von Nikotin aufgeklärt sein. Gleichzeitig sollte denjenigen, die sonst weiterrauchen, sachliche Informationen über wissenschaftlich fundierte, verbrennungsfreie Alternativen, wie zum Beispiel E‑Zigaretten und Tabakerhitzer, zur Verfügung stehen.
Zusammenfassung
Medizinisches Fachpersonal spielt eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Patienten beim Rauchstopp. Trotzdem zeigt die DEBRA-Studie, dass viele Raucher nicht motiviert sind, komplett aufzuhören. Das Konzept der Schadensminderung durch den Umstieg auf verbrennungsfreie Alternativen wie E‑Zigaretten bietet hier eine sinnvolle Option. Studien haben festgestellt, dass E‑Zigaretten genauso effektiv beim Rauchstopp helfen können wie pharmakologische Behandlungen.
Allerdings sind diese Erkenntnisse noch nicht in der deutschen Rauchstoppleitlinie von 2021 enthalten. Es besteht auch ein erheblicher Informationsbedarf bei Rauchern, da viele fälschlicherweise Nikotin als Hauptursache für rauchbedingte Krankheiten ansehen. Aufklärung, insbesondere durch Ärzte, ist daher von entscheidender Bedeutung.
FAQ
Warum ist medizinisches Fachpersonal wichtig beim Rauchstopp?
Ärzt:innen unterstützen Patient:innen oft beim Rauchstopp und sind eine wichtige Informationsquelle für gesundheitsrelevante Themen.
Wie viele Raucher in der DEBRA-Studie waren nicht motiviert, mit dem Rauchen aufzuhören?
Knapp drei Viertel der fast 19.000 befragten Raucher:innen.
Was ist der Vorteil von verbrennungsfreien Alternativen gegenüber dem Zigarettenrauchen?
Sie sind mit einer signifikant reduzierten Schadstoffaufnahme verbunden.
Was besagt die S3-Leitlinie von 2021?
Sie bietet medizinischem Fachpersonal Empfehlungen, um Raucher beim Rauchstopp zu unterstützen, wobei Aufklärung und psychotherapeutische Unterstützung im Vordergrund stehen.
Welchen Informationsbedarf gibt es bei Rauchern in Bezug auf die Schädlichkeit des Rauchens?
Fast die Hälfte der befragten Raucher:innen denkt fälschlicherweise, dass Nikotin die Hauptursache für rauchbedingte Krankheiten ist.
Literatur:
- DEBRA-Studie (Stand Mai 2023): Prävalenz aktueller Tabak-Raucher:innen in Deutschland.
- Hartmann-Boyce et al.: Electronic cigarettes for smoking cessation. The Cochrane database of systematic reviews 2022,11(11). Unter https://doi.org/10.1002/14651858.CD010216.pub7
- Lindson N, Theodoulou A, Ordóñez-Mena JM, Fanshawe TR, Sutton AJ, Livingstone-Banks J, Hajizadeh A, Zhu S, Aveyard P, Freeman SC, Agrawal S, Hartmann-Boyce J. Pharmacological and electronic cigarette interventions for smoking cessation in adults: component network meta-analyses. Cochrane Database of Systematic Reviews 2023, Issue 9. Art. No.: CD015226. DOI: https://doi.org/10.1002/14651858.CD015226.pub2
- S3-Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“. Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. (DG-Sucht) 2020. AWMF-Register Nr. 076–006. Unter https://register.awmf.org/assets/guidelines/076–006l_S3_Rauchen-_Tabakabhaengigkeit-Screening-Diagnostik-Behandlung_2021-03.pdf
- Studie zu „Barrieren des Rauchstopps”, 15. Dezember 2021. Unter https://pmi.berlin/files/studie-zu-barrieren-des-rauchstopps_gesamt.pdf