Die juristische Aufarbeitung des schlimmsten Serienmordes in der deutschen Nachkriegsgeschichte ist endgültig beendet: Das Landgericht Oldenburg hat den früheren Krankenpfleger Niels Högel wegen des Mordes an 85 Patienten schuldig gesprochen. Er wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, außerdem die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
Der heute 42-jährige frühere Krankenpfleger, der in den Kliniken Delmenhorst und Oldenburg gearbeitet hatte, hatte seine Opfer im Alter zwischen 34 und 96 Jahren durch bewusste Medikamenten-Überdosierungen getötet. Sein eigentliches Motiv war es, sie zunächst in einen lebensgefährlichen Zustand zu versetzen, um sie wiederbeleben zu können und sich anschließend als Retter feiern zu lassen. Als Motiv gilt sein ins Krankhafte gesteigerte Bedürfnis nach Anerkennung.
Bereits 2015 war der Mörder wegen insgesamt sechs identisch gelagerter Fälle zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Im Nachhinein kamen jedoch durch nachträgliche Untersuchungen und Obduktionen weitere mögliche Opfer zu Tage. Zwischenzeitlich ging man davon aus, dass Högel 106 Menschen tötete. Nicht alle Taten sah das Gericht jedoch als zweifelsfrei erwiesen an.
Seit letztem Herbst hatte das Landgericht die neuen Fälle in insgesamt 24 Verhandlungstagen aufgerollt. Im Prozess selbst hatte die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen 97 Morden gefordert. Die Verteidigung ging von 55 Morden und 14 Versuchen aus und hatte ebenfalls lebenslange Freiheitsstrafe gefordert. Der Täter selbst hatte während des aktuellen Verfahrens 43 Taten eingestanden; an den Rest wollte er sich nicht mehr erinnern können oder hatte die Taten abgestritten.
TV-Team ging auf Spurensuche
Der Fall von Niels Högel ist die mit Abstand größte Mordserie in Medizin und Pflege seit Ende des Zweiten Weltkrieges. 2003 und 2004 hatte Stephan Letter, der sogenannte „Todesengel von Sonthofen“, in der namensgebenden Kleinstadt im bayerischen Allgäu mindestens 29 Patienten per Gift-Injektion ermordet. Als Motiv gab er damals an, seine Opfer aus Mitleid getötet zu haben. Das Gericht kam hingegen zur Überzeugung, dass er sich zum Gebieter über Leben und Tod habe aufschwingen wollen.
Der Prozess warf auch deutliche Streiflichter auf die Situation in der Pflege: Wie konnte es sein, dass der Verurteilte so lange ungehindert agieren konnte? Ein Fernsehteam des ZDF hatte sich 2018 in einer Dokumentation auf Spurensuche begeben. Der Beitrag „Mord im Krankenhaus“ ist nach wie vor in der Mediathek des Senders abrufbar.