
Corona-Infektion: Im Gesundheitswesen fast unausweichlich
Während der Corona-Pandemie waren vor allem die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen dem Covid-19-Virus in besonderer Weise ausgesetzt. Der direkte Kontakt mit infizierten Patienten über Stunden und Tage hinweg, machte es so gut wie unmöglich sich nicht irgendwann anzustecken – da halfen Schutzmaßnahmen wie Masken, Handschuhe und regelmäßiges Desinfizieren auf lange Sicht nur bedingt.
So auch bei einem knapp 60-jährigen Krankenpfleger, der sich trotz aller Maßnahmen im Dezember 2020 vermutlich auf der Arbeit mit Covid-19 infizierte. Seine Unfallversicherung stufte seinen Fall deshalb als Berufskrankheit ein und sicherte ihm die lebenslange Übernahme der Kosten für alle im Zusammenhang mit der Erkrankung stehenden medizinischen Behandlung zu. Grundlage hierfür bildet die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). In ihr sind alle potenziellen Berufskrankheiten ausgelistet. So auch Infektionskrankheiten in Anlage 1 unter der Nummer 3101.
Demnach kann eine Infektionskrankheit als Berufskrankheit eingestuft werden, „wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“.
Krankenpfleger wurde arbeitsunfähig
Von seiner Versicherung erhielt der erkrankte Pfleger daraufhin Verletztengeld und durchlief mehrere medizinische Untersuchungen. Bei diesen konnten anhaltende Beschwerden und ein Post-Covid-Syndrom festgestellt werden. Der Zustand des Mannes führte letztlich dazu, dass mehrere Wiedereingliederungen in den Beruf scheiterten und sich seine Symptome immer weiter verschlechterten.
Er konsultierte verschiedene Fachärzte, die ihm schwere kognitive Störungen und depressive Episoden diagnostizierten. Weil er somit nicht mehr vollkommen erwerbsfähig war, verlangte er von seiner Versicherung eine Verletztenrente.
Trotz der anerkannten Berufskrankheit verweigerte die Unfallversicherung des Pflegers eine Verletztenrente. Nach ihrer Ansicht gebe es keine gesicherten wissenschaftlichen Ergebnisse dafür, dass es sich bei den Beschwerden des Mannes tatsächlich um Langzeitfolgen der Covid-19-Infektion handele. Abseits der bereits anerkannten Symptome könnten keine weiteren eindeutig der Infektion zugeordnet werden.
Das wollte der Pfleger nicht auf sich sitzen lassen und klagte vor Gericht. Von seiner Versicherung verlangte er, dass diese sein Post-Covid-Syndrom, das Fatigue-Syndrom und die kognitive sowie depressive Störung als Folgen seiner Berufskrankheit anerkennt und ihm eine entsprechende Verletztenrente auszahlt.
Wann ist eine Krankheit eine Berufskrankheit?
Das Sozialgericht Heilbronn hat der Klage in vollem Umfang zugestimmt. Laut Gericht müssen mehrere Faktoren gegeben sein, damit eine Krankheit als Berufskrankheit im Sinne der Listen der Berufskrankheiten-Verordnung angesehen werden kann:
- Die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang)
- muss zur Einwirkung von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität)
- und es muss eine Krankheit vorliegen, die durch die Einwirkung verursacht wurde (haftungsbegründende Kausalität).
Wichtig ist, dass es einen Zusammenhang zwischen Krankheit und beruflicher Tätigkeit gibt, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Das ist dann der Fall, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und es keine ernsthaften Zweifel gibt.
Nach Vortrag eines Sachverständigen vor Gericht sei dies auch bei den vom Kläger vorgebrachten Langzeitfolgen seiner Covid-19-Infektion der Fall – also beim Post-Covid-Syndrom, dem Fatigue-Syndrom sowie den kognitiven und depressiven Störungen.
Auch Post-Covid kann Berufskrankheit sein
So konnte der Sachverständige feststellen, dass der Pfleger während der Exploration – einer Untersuchung zur Gewinnung von Informationen – erhebliche Konzentrationsprobleme zeigte. Zudem war er sehr sprunghaft und leicht ablenkbar, was zu mehreren Abbrüchen der Untersuchung führte.
Der Kläger war emotional instabil, überwiegend depressiv und konnte sich nicht mit seiner Lebenssituation abfinden, wodurch sein Antriebsverhalten und seine Fähigkeit zur konstruktiven Auseinandersetzung stark beeinträchtigt war. Das formale Denken des Klägers war unstrukturiert, sprunghaft, teilweise inkohärent und auch weitschweifig. Die Stimmungslage des Klägers war außerordentlich schwankend, mal überschwänglich freundlich, fast euphorisiert, dann wieder niedergeschlagen bis zu Tränen, insgesamt eher depressiv.
Die derzeitige Symptomatik ist nach Ansicht des Sachverständigen auf die Covid-19-Infektion zurückzuführen und mit keiner anderen Vorerkrankung in Zusammenhang zu bringen.
Mittlerweile wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse
Ferner widerspricht der Sachverständige der beklagten Unfallversicherung, wenn diese behauptet, es gebe keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion. Mittlerweile gibt es diese sehr wohl, die unter anderem in der S1 Leitlinie zu Long/Post-Covid der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften festgehalten sind.
In der Gesamtschau entspricht die bestehende Symptomatik des Klägers nämlich den Kriterien für eine Fatigue nach dieser Leitlinie. Außerdem gebe es in der entsprechenden Fachliteratur bereits erste Erfahrungssätze, die sich mit der Minderung der Erwerbsfähigkeit von Betroffenen des Post-Covid-Syndroms auseinandersetzen, so der Sachverständige.
Die Ausführungen sind für das Gericht deshalb plausibel und nachvollziehbar, wonach das Post-Covid-Syndrom nach einer Covid-19-Infektion inzwischen medizinisch allgemein als eine der BK Nr. 3101 zuzurechnendes Krankheitsbild anerkannt ist. Für den Kläger im vorliegenden Fall bedeutet das, dass sich für ihn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 Prozent ergibt. Eine Verletztenrente ist somit angebracht.
FAQ
Was ist eine Berufskrankheit?
Eine Berufskrankheit ist eine Erkrankung, die durch bestimmte berufliche Tätigkeiten oder Arbeitsbedingungen verursacht wird und in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) gelistet ist. Dazu zählen z. B. Infektionskrankheiten wie Covid-19 bei Beschäftigten im Gesundheitswesen. Sie muss klar auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sein.
Wie lässt sich eine Berufskrankheit anerkennen?
Eine Berufskrankheit wird anerkannt, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Erkrankung besteht. Dafür müssen nachweislich versicherte Tätigkeiten zu einer gesundheitsschädlichen Einwirkung geführt haben, die wiederum die Krankheit ausgelöst hat – nachgewiesen durch medizinische Gutachten und fachliche Bewertungen.
Gibt es bei Berufskrankheit Rente?
Ja, bei anerkannter Berufskrankheit kann eine Verletztenrente gezahlt werden, wenn die Erwerbsfähigkeit dauerhaft gemindert ist. Die Höhe richtet sich nach dem Grad der Minderung – ab 20 % besteht grundsätzlich Anspruch auf eine Rente von der gesetzlichen Unfallversicherung.
Quelle: SG Heilbronn vom 12.12.2024 – S 2 U 426/24