Jahrelang hat der Apotheker Peter S. Krebsmedikamente unterdosiert und sich so selbst bereichert. 2018 wurde er unter anderem deshalb vom Landgericht Essen zu einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht berechnete für den Abrechnungsbetrug bei den Krankenkassen einen Gesamtschaden von 17.943.846 Euro.
Mit dem Betrug finanzierte sich Peter S. ein Luxusleben und hat sich in seiner Heimatstadt als Wohltäter und Gönner inszeniert. Rund 40. Millionen Euro Jahresumsatz soll Peter S. zuletzt mit seiner Apotheke gemacht haben.
Unter anderem wegen Schadensersatzforderungen der Krankenkassen musste Peter S. Insolvenz anmelden. Seit 2019 läuft das Insolvenzverfahren. Die Staatsanwaltschaft hatte Vermögen wie die Luxusvilla des Apothekers sichergestellt.
Zudem sind einige Zivilverfahren von Betroffenen, die Schadensersatz oder Schmerzensgeld fordern, gestartet und erste auch schon abgeschlossen.
Krebskranke Frau nach Einnahme gepanschter Medikamente gestorben
So auch die Klage eines Witwers, dessen Frau an ihrer Krebserkrankung gestorben ist und die zwischenzeitlich Medikamente aus der Apotheke von Peter S. erhalten hatte. Vor dem Amtsgericht Essen begehrte der Mann 25.000 Euro Schmerzensgeld.
Die Klage richtete sich wegen des Insolvenzverfahrens nicht direkt gegen Peter S., sondern gegen seinen Insolvenzverwalter.
Bei der verstorbenen Ehefrau des Klägers wurde 2007 ein Mammatumor diagnostiziert, der später operativ entfernt wurde. Es folgten Chemotherapie und Bestrahlung, bis sich einige Zeit später Metastasen in der Leber der Frau zeigten, die sich immer weiter ausgebreitet haben.
Die weitere Chemotherapie mit verschiedenen Wirkstoffen zeigte schließlich Wirkung mit Rückgang der Lebermetastasen.
Die behandelnden Ärzte verordneten der Frau daraufhin eine medikamentöse Behandlung ihrer Krebserkrankung mit Medikamenten aus der Apotheke von Peter S. Ihr Zustand verschlechterte sich in Zuge dessen immer weiter, bis sie schließlich im Juli 2016 verstarb. Nur wenige Monate bevor Peter S. festgenommen wurde.
Nach Ansicht ihres Ehemanns sei die Frau durch die unterdosierten Medikamente sowohl körperlich in ihrer Gesundheit als auch in ihrem Leben stark beeinträchtigt worden.
Der Beklagte hat so die beabsichtigte Heilung, mindestens aber eine lebensverlängernde Wirkung verhindert. Nur dadurch sei der verfrühte Tod seiner Frau eingetreten.
Trauerbewältigung unmöglich
Neben dem Schmerzensgeld für seine krebskranke Frau fordert der Ehemann zusätzlich 30.000 Euro Schmerzensgeld wegen der Auswirkungen auf ihn selbst. Er habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen nach Bekanntwerden des Skandals erlitten.
Bis heute sei er täglich mit dem belastenden Gedanken konfrontiert, dass seine Frau noch leben könnte. So könne er seine Trauer nie bewältigen.
Der Insolvenzverwalter von Peter S. bestreitet, dass dieser seine Sorgfaltspflicht gegenüber der Frau des Witwers verletzt hatte. Das Gericht konnte nämlich nie feststellen, wer genau von den unterdosierten Medikamenten verfrüht gestorben ist oder in Lebensgefahr geriet.
Außerdem wirken die verabreichten Medikamente nicht bei jedem Menschen gleich. So sei nicht automatisch davon auszugehen, dass die Medikamente die Krebserkrankung der Frau tatsächlich hätten heilen können.
Der Tod der Frau sei also nicht auf die Schuld von Peter S. zurückzuführen, sondern auf ihre Krankheit. Zudem werde nach Ansicht des Insolvenzverwalters nicht klar, inwieweit der Kläger durch die psychischen Probleme in seinem Alltag eingeschränkt wird.
Klage teilweise abgelehnt
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Klage des Witwers nur teilweise begründet sei und ihm lediglich ein Anspruch auf eine Zahlung von 6.000 Euro zusteht. Dem Kläger stehen demnach kein weitergehender geerbter oder eigener Schadensersatz zu.
Nach § 823 Absatz 1 BGB ist ein Schadensersatzanspruch gegen denjenigen begründet, der vorsätzlich oder fahrlässig unter anderem das Leben, den Körper oder die Gesundheit eines anderen widerrechtlich verletzt.
Da die Frau lediglich in eine Behandlung mit richtig dosierten Arzneimitteln eingewilligt hatte und die ihr verabreichten Medikamente teils tatsächlich falsch dosiert waren, hat Peter S. sich damit einer Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft schuldig gemacht.
Mittelbar deshalb, weil der Wirkstoff gegen den Krebs vom behandelnden Arzt verabreicht wurde. Bei einigen Zubereitungen konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, dass diese tatsächlich unterdosiert waren. Die Verabreichung durch eine Infusion stellt zudem einen körperlichen Eingriff dar, der mit Schmerzen verbunden ist. Außerdem wurden Stoffe mit unbekannter Dosierung und somit ungewisser Wirkung verabreicht.
Im Urteil heißt es: „Die Erblasserin hat insgesamt 10 Infusionen über einen Zeitraum von 3 Monaten erhalten. Zudem war schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen, dass der Insolvenzschuldner jeweils vorsätzlich handelte auf Kosten einer schwer erkrankten Frau“.
Nach § 253 Absatz 2 BGB soll das Schmerzensgeld den entstandenen immateriellen Schaden angemessen ausgleichen. So soll das Schmerzensgeld den Betroffenen dazu dienen, mit dem Schaden besser umzugehen und gleichzeitig Genugtuung schaffen. Nach Ansicht des Amtsgerichts Essen sei dies mit einer Zahlung von 6.000 Euro erfüllt.
Schmerzensgeld bleibt deutlich unter Forderungen
Dass das Schmerzensgeld deutlich unter den Forderungen des Klägers liegt, hängt auch damit zusammen, dass das Gericht darüber hinaus keine weiteren Folge-Schäden feststellen und berücksichtigen konnte.
So konnte nicht ausreichend nachvollzogen werden, dass die Frau durch die zu niedrige Dosierung tatsächlich früher gestorben ist.
Die Forderungen des Ehemanns auf Schmerzensgeld in Bezug auf seine eigenen psychischen Leiden hat das Gericht ebenfalls abgewiesen. Ein derartiger Anspruch ergibt sich normalerweise aus § 844 Absatz 3 BGB. Nach Artikel 229, § 43 EGBGB gilt der Anspruch allerdings nur bei Fällen, die sich nach Inkrafttreten der Vorschrift am 22. Juli 2017 ereignet haben.
In diesem Fall haben allerdings sämtliche Pflichtverletzungen davor stattgefunden. Darüber hinaus konnte der Ehemann für das Gericht nicht ausreichend nachvollziehbar darlegen, welcher ersatzpflichtiger Schaden (§§ 823 Absatz 1, 253 Absatz 2 BGB) ihm entstanden sein soll, der das Maß üblicher Trauer übersteigt.
Quelle: Amtsgericht Essen, 12 C 2/22