Krebs
Der Apothe­ker hatte Krebs­me­di­ka­mente vorsätz­lich unter­do­siert Bild: Steve Buissinne / Pixabay

Jahre­lang hat der Apothe­ker Peter S. Krebs­me­di­ka­mente unter­do­siert und sich so selbst berei­chert. 2018 wurde er unter anderem deshalb vom Landge­richt Essen zu einer zwölf­jäh­ri­gen Freiheits­strafe verur­teilt. Das Gericht berech­nete für den Abrech­nungs­be­trug bei den Kranken­kas­sen einen Gesamt­scha­den von 17.943.846 Euro.

Mit dem Betrug finan­zierte sich Peter S. ein Luxus­le­ben und hat sich in seiner Heimat­stadt als Wohltä­ter und Gönner insze­niert. Rund 40. Millio­nen Euro Jahres­um­satz soll Peter S. zuletzt mit seiner Apotheke gemacht haben.

Unter anderem wegen Schadens­er­satz­for­de­run­gen der Kranken­kas­sen musste Peter S. Insol­venz anmel­den. Seit 2019 läuft das Insol­venz­ver­fah­ren. Die Staats­an­walt­schaft hatte Vermö­gen wie die Luxus­villa des Apothe­kers sicher­ge­stellt.

Zudem sind einige Zivil­ver­fah­ren von Betrof­fe­nen, die Schadens­er­satz oder Schmer­zens­geld fordern, gestar­tet und erste auch schon abgeschlos­sen.

Krebs­kranke Frau nach Einnahme gepansch­ter Medika­mente gestor­ben

So auch die Klage eines Witwers, dessen Frau an ihrer Krebs­er­kran­kung gestor­ben ist und die zwischen­zeit­lich Medika­mente aus der Apotheke von Peter S. erhal­ten hatte. Vor dem Amtsge­richt Essen begehrte der Mann 25.000 Euro Schmer­zens­geld.

Die Klage richtete sich wegen des Insol­venz­ver­fah­rens nicht direkt gegen Peter S., sondern gegen seinen Insol­venz­ver­wal­ter.

Bei der verstor­be­nen Ehefrau des Klägers wurde 2007 ein Mamma­tu­mor diagnos­ti­ziert, der später opera­tiv entfernt wurde. Es folgten Chemo­the­ra­pie und Bestrah­lung, bis sich einige Zeit später Metasta­sen in der Leber der Frau zeigten, die sich immer weiter ausge­brei­tet haben.

Die weitere Chemo­the­ra­pie mit verschie­de­nen Wirkstof­fen zeigte schließ­lich Wirkung mit Rückgang der Leber­me­t­a­sta­sen.

Die behan­deln­den Ärzte verord­ne­ten der Frau darauf­hin eine medika­men­töse Behand­lung ihrer Krebs­er­kran­kung mit Medika­men­ten aus der Apotheke von Peter S. Ihr Zustand verschlech­terte sich in Zuge dessen immer weiter, bis sie schließ­lich im Juli 2016 verstarb. Nur wenige Monate bevor Peter S. festge­nom­men wurde.

Nach Ansicht ihres Ehemanns sei die Frau durch die unter­do­sier­ten Medika­mente sowohl körper­lich in ihrer Gesund­heit als auch in ihrem Leben stark beein­träch­tigt worden.

Der Beklagte hat so die beabsich­tigte Heilung, mindes­tens aber eine lebens­ver­län­gernde Wirkung verhin­dert. Nur dadurch sei der verfrühte Tod seiner Frau einge­tre­ten.

Trauer­be­wäl­ti­gung unmög­lich

Neben dem Schmer­zens­geld für seine krebs­kranke Frau fordert der Ehemann zusätz­lich 30.000 Euro Schmer­zens­geld wegen der Auswir­kun­gen auf ihn selbst. Er habe erheb­li­che psychi­sche Beein­träch­ti­gun­gen nach Bekannt­wer­den des Skandals erlit­ten.

Bis heute sei er täglich mit dem belas­ten­den Gedan­ken konfron­tiert, dass seine Frau noch leben könnte. So könne er seine Trauer nie bewäl­ti­gen.

Der Insol­venz­ver­wal­ter von Peter S. bestrei­tet, dass dieser seine Sorgfalts­pflicht gegen­über der Frau des Witwers verletzt hatte. Das Gericht konnte nämlich nie feststel­len, wer genau von den unter­do­sier­ten Medika­men­ten verfrüht gestor­ben ist oder in Lebens­ge­fahr geriet.

Außer­dem wirken die verab­reich­ten Medika­mente nicht bei jedem Menschen gleich. So sei nicht automa­tisch davon auszu­ge­hen, dass die Medika­mente die Krebs­er­kran­kung der Frau tatsäch­lich hätten heilen können.

Der Tod der Frau sei also nicht auf die Schuld von Peter S. zurück­zu­füh­ren, sondern auf ihre Krank­heit. Zudem werde nach Ansicht des Insol­venz­ver­wal­ters nicht klar, inwie­weit der Kläger durch die psychi­schen Probleme in seinem Alltag einge­schränkt wird.

Klage teilweise abgelehnt

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Klage des Witwers nur teilweise begrün­det sei und ihm ledig­lich ein Anspruch auf eine Zahlung von 6.000 Euro zusteht. Dem Kläger stehen demnach kein weiter­ge­hen­der geerb­ter oder eigener Schadens­er­satz zu.

Nach § 823 Absatz 1 BGB ist ein Schadens­er­satz­an­spruch gegen denje­ni­gen begrün­det, der vorsätz­lich oder fahrläs­sig unter anderem das Leben, den Körper oder die Gesund­heit eines anderen wider­recht­lich verletzt.

Da die Frau ledig­lich in eine Behand­lung mit richtig dosier­ten Arznei­mit­teln einge­wil­ligt hatte und die ihr verab­reich­ten Medika­mente teils tatsäch­lich falsch dosiert waren, hat Peter S. sich damit einer Körper­ver­let­zung in mittel­ba­rer Täter­schaft schul­dig gemacht.

Mittel­bar deshalb, weil der Wirkstoff gegen den Krebs vom behan­deln­den Arzt verab­reicht wurde. Bei einigen Zuberei­tun­gen konnte jedoch nicht nachge­wie­sen werden, dass diese tatsäch­lich unter­do­siert waren. Die Verab­rei­chung durch eine Infusion stellt zudem einen körper­li­chen Eingriff dar, der mit Schmer­zen verbun­den ist. Außer­dem wurden Stoffe mit unbekann­ter Dosie­rung und somit ungewis­ser Wirkung verab­reicht.

Im Urteil heißt es: „Die Erblas­se­rin hat insge­samt 10 Infusio­nen über einen Zeitraum von 3 Monaten erhal­ten. Zudem war schmer­zens­geld­erhö­hend zu berück­sich­ti­gen, dass der Insol­venz­schuld­ner jeweils vorsätz­lich handelte auf Kosten einer schwer erkrank­ten Frau“.

Nach § 253 Absatz 2 BGB soll das Schmer­zens­geld den entstan­de­nen immate­ri­el­len Schaden angemes­sen ausglei­chen. So soll das Schmer­zens­geld den Betrof­fe­nen dazu dienen, mit dem Schaden besser umzuge­hen und gleich­zei­tig Genug­tu­ung schaf­fen. Nach Ansicht des Amtsge­richts Essen sei dies mit einer Zahlung von 6.000 Euro erfüllt.

Schmer­zens­geld bleibt deutlich unter Forde­run­gen

Dass das Schmer­zens­geld deutlich unter den Forde­run­gen des Klägers liegt, hängt auch damit zusam­men, dass das Gericht darüber hinaus keine weite­ren Folge-Schäden feststel­len und berück­sich­ti­gen konnte.

So konnte nicht ausrei­chend nachvoll­zo­gen werden, dass die Frau durch die zu niedrige Dosie­rung tatsäch­lich früher gestor­ben ist.

Die Forde­run­gen des Ehemanns auf Schmer­zens­geld in Bezug auf seine eigenen psychi­schen Leiden hat das Gericht ebenfalls abgewie­sen. Ein derar­ti­ger Anspruch ergibt sich norma­ler­weise aus § 844 Absatz 3 BGB. Nach Artikel 229, § 43 EGBGB gilt der Anspruch aller­dings nur bei Fällen, die sich nach Inkraft­tre­ten der Vorschrift am 22. Juli 2017 ereig­net haben.

In diesem Fall haben aller­dings sämtli­che Pflicht­ver­let­zun­gen davor statt­ge­fun­den. Darüber hinaus konnte der Ehemann für das Gericht nicht ausrei­chend nachvoll­zieh­bar darle­gen, welcher ersatz­pflich­ti­ger Schaden (§§ 823 Absatz 1, 253 Absatz 2 BGB) ihm entstan­den sein soll, der das Maß üblicher Trauer übersteigt.

Quelle: Amtsge­richt Essen, 12 C 2/22