Pflegekraft unter Schweigepflicht
Schwei­ge­pflicht: Wann gilt sie und wann kann (muss) man sie ignorie­ren? Bild: Aaron Amat/Dreamstime

Wer unter­liegt einer Schwei­ge­pflicht?

Die Verschwie­gen­heits­pflicht – synonym Schwei­ge­pflicht genannt – leitet sich aus straf­recht­li­chen (§ 203 StGB) und arbeits­recht­li­chen Krite­rien (zum Beispiel § 3 Absatz 1 TVöD) ab. Sie stellt eine Verpflich­tung für bestimmte Berufs­grup­pen dar, fremde Geheim­nisse und oder Betriebs-/Geschäfts­ge­heim­nisse nicht an andere Dritte weiter­zu­ge­ben.

Auch Daten­schutz­gründe nach der DSGVO führen zu einer Schwei­ge­pflicht. Das bezieht sich vor allem auf den Schutz persön­li­cher Daten. Nach Artikel 4 Nummer 1 DSGVO sind perso­nen­be­zo­gene Daten, „alle Infor­ma­tio­nen, die sich auf eine identi­fi­zierte oder identi­fi­zier­bare natür­li­che Person bezie­hen“.

Wer kann nach Straf­ge­setz­buch einer Schwei­ge­pflicht unter­lie­gen:

  • Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apothe­ker
  • Angehö­rige anderer Heilbe­rufe (für die es eine staat­li­che Ausbil­dung gibt)
  • Psycho­lo­gen (mit staat­lich anerkann­ter Abschluss­prü­fung)
  • Juris­ten, Wirtschafts­prü­fer und Steuer­be­ra­ter
  • Ehe‑, Familien‑, Erzie­hungs- oder Jugend­be­ra­ter
  • Mitglie­der von anerkann­ten Schwan­ger­schafts­be­ra­tungs­stel­len
  • Sozial­ar­bei­ter oder Sozial­päd­ago­gen
  • Mitar­bei­tende einer Unfall- oder Kranken­ver­si­che­rung

Zu Angehö­ri­gen anderer Heilbe­rufe zählen die Pflegen­den, sofern sie eine staat­li­che Ausbil­dung nach dem Pflege­be­ru­fe­ge­setz absol­viert haben. Dazu zählen nicht Angehö­rige medizi­ni­scher Assis­tenz­be­rufe.

Aber Achtung: Auch diese unter­lie­gen der Schwei­ge­pflicht gemäß § 203 Absatz 3 Satz 2 StGB als berufs­mä­ßig tätige Gehil­fen.

Welche Strafen drohen bei Missach­tung der Schwei­ge­pflicht?

Beschäf­tig­ten einer Gesund­heits­ein­rich­tung – auch Pflegende – sind also zu Still­schwei­gen über Patien­ten­da­ten und einrich­tungs­in­terne Angele­gen­hei­ten verpflich­tet. Wer sich dem wider­setzt kann nach den vorge­nann­ten Normen mit Freiheits­strafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Daneben können auch zivil­recht­li­che Sanktio­nen drohen. Das kann dann passie­ren, wenn im Zusam­men­hang mit einer Schwei­ge­pflicht­ver­let­zung, Äußerun­gen getätigt werden, die für die Patien­ten ruf- oder kredit­schä­di­gend sind.

Die in der Menschen­würde und dem allge­mei­nen Persön­lich­keits­recht wurzelnde Wahrung des Patien­ten­ge­heim­nis­ses ist als Schutz­ge­setz im Sinne von § 823 Absatz 2 BGB anerkannt und kann über den zivil­recht­li­chen Weg als Geldersatz­leis­tung gegen­über dem Schädi­ger geltend gemacht werden.

Gleich­falls kann die Offen­le­gung von Betriebs­in­terna auf der tatbe­stand­li­chen Ebene einen Schadens­er­satz­an­spruch nach sich ziehen, wenn hierdurch das sogenannte Recht am „einge­rich­te­ten und ausge­üb­ten Gewer­be­be­trieb“ beein­träch­tigt wird.

Diese Eigen­schaft wird von der Rechts­spre­chung prinzi­pi­ell auch den Kranken­häu­sern und Pflege­ein­rich­tun­gen zugerech­net.

Wann entfällt die Schwei­ge­pflicht?

Eine Verschwie­gen­heits­pflicht sorgt aller­dings nicht dafür, dass Angestellte keine Handlungs­mög­lich­kei­ten haben, um gegen Missstände in der eigenen Einrich­tung vorzu­ge­hen.

Es gibt nämlich Fälle, in denen die Schwei­ge­pflicht entfal­len kann. Angestellte können immer dann gegen die Schwei­ge­pflicht versto­ßen, wenn sie ein berech­tig­tes Inter­esse an einer öffent­li­chen Mittei­lung haben.

Sollten zum Beispiel tatsäch­lich nachhal­tige Verstöße gegen Hygie­ne­vor­schrif­ten in der eigenen Einrich­tung auftre­ten oder es immer wieder zu Behand­lungs­feh­lern kommen, kann ein berech­tig­tes Inter­esse der Allge­mein­heit vorlie­gen.

So könnte durch einen Verstoß gegen die Schwei­ge­pflicht verhin­dert werden, dass weitere Patien­tin­nen und Patien­ten durch die Missstände zu Schaden kommen.

Die Schwei­ge­pflicht kann auch dann entfal­len, wenn andere gesetz­li­che Offen­ba­rungs­pflich­ten gegeben sind. So zum Beispiel bei der Anzeige geplan­ter Straf­ta­ten.

Nach § 138 StGB macht sich jeder straf­bar, der er es unter­lässt, das Vorha­ben oder die Ausfüh­rung der dort aufge­führ­ten Straf­ta­ten nicht recht­zei­tig der Behörde oder dem Bedroh­ten Anzeige zu erstat­ten. Hier können bis zu fünf Jahre Freiheits­strafe oder Geldstrafe drohen.

Eine spezi­elle Handha­bung ist auch in Fällen von Kindes­wohl­ge­fähr­dung vorge­se­hen. Das Gesetz zur Koope­ra­tion und Infor­ma­tion im Kinder­schutz (KGG) sieht in Paragraf 4 die Beratung und Übermitt­lung von Infor­ma­tio­nen durch Geheim­nis­trä­ger bei Kindes­wohl­ge­fähr­dung vor.

So sollen unter anderem Angehö­rige von Heilbe­ru­fen (Ärzte, Pflege­fach­per­so­nen etc.), Psycho­lo­gen, Sozial­ar­bei­ter und ‑pädago­gen notwen­dige Infor­ma­tio­nen an das Jugend­amt weiter­lei­ten.

Auch der recht­fer­ti­gende Notstand gemäß § 34 StGB kann von der Schwei­ge­pflicht entbin­den. Das ist dann möglich, wenn die Verlet­zung der Schwei­ge­pflicht dazu führt, dass eine gegen­wär­tige oder nicht anders abwend­bare Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigen­tum oder eines anderen Rechts­guts abgewen­det wird.

Wie verhält man sich richtig bei rechts­wid­ri­gen Zustän­den in der eigenen Einrich­tung?

Doch auch wenn ein berech­tig­tes Inter­esse der Allge­mein­heit oder andere Recht­fer­ti­gungs­gründe vorlie­gen, muss dennoch ein „schonen­der“ Weg der Einwir­kung gewählt werden. Das bedeu­tet, dass inner­be­trieb­li­che Wege vorzu­zie­hen sind.

So sollten Angestellte bei Missstän­den zunächst versu­chen, über den Dienst­vor­ge­setz­ten Schritte einzu­lei­ten und sich später dann an die Perso­nal­ver­tre­tung oder die Geschäfts­füh­rung wenden.

Ist dieses Vorge­hen nicht erfolg­reich, können Angestellte die Öffent­lich­keit aufsu­chen. Auch über die Staats­an­walt­schaft oder die Medien kann Öffent­lich­keit herge­stellt werden.