Zum 1. April 2020 ist die „Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Ärzte bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ in Kraft getreten, die am 30. März 2020 von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn unterzeichnet wurde. Zahlreiche Medizinstudierende helfen derzeit bei der Bekämpfung von COVID-19 mit, indem sie mitunter Unterstützung in Krankenhäusern oder Gesundheitsämtern leisten und deshalb ihrem regulären Studienablauf nicht nachkommen können. Mit der Verordnung sollten möglichst flexible Regelungen sichergestellt werden, sodass Medizinstudierende das Gesundheitswesen in der aktuelllen Situation unterstützen können, aber zugleich ihr Studium erfolgreich fortsetzen können.
„Ich bin den Medizinstudierenden sehr dankbar, dass sie in dieser schwierigen Lage in der medizinischen Versorgung mit anpacken. Deshalb sorgen wir dafür, dass sie dadurch keine Nachteile für ihren Studienfortschritt hinnehmen müssen. Dafür haben wir jetzt flexible und rechtssichere Regelungen getroffen – ohne jedoch Abstriche bei der Qualität der ärztlichen Ausbildung zu machen“, erklärte Jens Spahn.
Im Kern ging es insbesondere darum, ob die schriftlichen Prüfungen des zweiten Staatsexamens (M2) verschoben werden. Nach langem Hin und Her gibt die Verordnung nun Klarheit darüber: Grundsätzlich wird das zweite Staatsexamen auf das nächste Jahr verlegt und dafür das Praktische Jahr (PJ) vorgezogen. Die Länder haben jedoch die Möglichkeit, davon abzuweichen und die Prüfungen planmäßig, im April diesen Jahres, stattfinden zu lassen.
Die Regelungen im Wesentlichen:
- Grundsätzlich wird das zweite Staatsexamen bundesweit verschoben, die Fortsetzung des Studiums wird gewährleistet.
- Die Länder haben die Möglichkeit, hiervon abzuweichen und von ihrem Optionsrecht Gebrauch zu machen, wenn sie die ordnungsgemäße Durchführung der Prüfung unter den Bedingungen der epidemischen Lage sicherstellen können.
- Die Studierenden, für die das Examen verschoben wurde, gehen im April in das PJ, das für sie von 48 auf 45 Wochen verkürzt wird, um die Lernzeit im Anschluss zu verlängern.
- Die Studierenden in den Ländern, in denen das zweite Staatsexamen nicht verschoben wird, organisieren das PJ so, wie es in der Approbationsordnung für Ärzte regulär vorgesehen ist. Vor allem bleibt es für sie bei den vorgesehenen 48 Wochen.
- Die Durchführung des dritten Staatsexamens im Mai wird erleichtert, indem die Dauer der Prüfung um die Hälfte gekürzt wird.
§ 5 Absatz 2 Nummer 7b Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist Grundlage für den Erlass der Verordnung. Die gesamte Verordnung kann auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) heruntergeladen werden.
Viele Bundesländer haben bereits verkündet, dass sie von ihrem „Optionsrecht“ Gebrauch machen und die Prüfungen im April 2020 stattfinden lassen werden. In drei Ländern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin, können die Studierenden selbst entscheiden, ob sie die Prüfung wahrnehmen oder ob sie an dem vorzeitigen PJ teilnehmen wollen. In Baden-Württemberg und Bayern hingegen haben die Studierenden keine Wahl – für sie ist die Verschiebung des Examens alternativlos.
Viele Medizinstudierende wollen helfen
Die Resonanz unter den Medizinstudierenden, in der aktuellen Lage helfen zu wollen, ist enorm groß. Zehntausende haben sich laut der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) bereits zur Unterstützung der medizinischen Versorgung gemeldet. So beispielsweise Mara Scharping, die in diesem Beitrag des ZDF eindrucksvoll und ermutigend über ihren Einsatz als Medizinstudentin in der derzeitgen Corona-Krise berichtet.
Die Medizinstudierenden sind außerdem sehr gut vernetzt: Die am 16. März gegründete Facebook-Gruppe „Medizinstudierende vs. COVID-19“ ist innerhalb kürzester Zeit rasant angestiegen, auf über 21.000 Studierende. Daraus ist gemeinsam mit der bvmd die Initiative „medis-vs.COVID-19“ erwachsen, die auf der Plattform match4healthcare im Rahmen einer Live-Datenbank Helfende und Hilfesuchende zusammenführen.
bvmd: „Erhebliche Gefährdung der mentalen Gesundheit“ und „Einschnitt in die Qualität der medizinischen Ausbildung“
Zu der erlassenen Verordnung findet die bvmd dennoch nur wenige positive Worte. Noch vor Erlassen des Gesetzes hatte die bvmd die Petition „Faire Bedingungen für Praktisches Jahr und Staatsexamina im Medizinstudium in der COVID-19-Pandemie!“ gestartet, die innerhalb kürzester Zeit über 100.000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden hat. Zwar erkenne die bvmd an, dass das Bundesgesundheitsministerium den Forderungen partiell entgegen gekommen sei und einige davon sogar im Wortlaut Einzug in die Verordnung gefunden haben, dennoch kritisiere sie die teils negativen Regelungen.
Dazu zählt beispielsweise die Wiedereinführung des „Hammerexamens“, bei dem durch die Verschiebung die schriftliche Prüfung und die praktische Prüfung nach dem praktischen Jahr im April und Mai 2021 aufeinanderfolgen. Zwar wurde das PJ verkürzt, um eine Lernzeit von 42 Tagen zur sichern, heißt es in der Verordnung. „Diese ist im Vergleich zu den 100 Tagen, die hinlänglich als Richtwert gelten, schlichtweg zu knapp bemessen“, räumt die bvmd ein.
Insgesamt bedeute die Verordnung eine „erhebliche Gefährdung der mentalen Gesundheit“ der Studierenden und einen „klaren Einschnitt in die Qualität der medizinischen Ausbildung“. Da bereits Mitte März die Länder dazu aufgerufen wurden, verstärkt auch Medizinstudierende zur Bekämpfung der Corona-Krise einzusetzen, schwebten seitdem viele Studierende mit der Ungewissheit, ob ihr Staatsexamen im April 2020 überhaupt noch stattfindet. Daher forderte die bvmd die Länder auf, einen möglichst einfachen Prüfungsrücktritt zu gewähren, wenn sie vom Abweichen der Verordnung Gebrauch machen.
Quelle: BMG, bvmd, ZDF