
Der Fußball gilt für Viele als die schönste Nebensache der Welt. Die Fans müssen jedoch seit Anfang März auf ihren geliebten Sport verzichten. Das Coronavirus legte den Spielbetrieb komplett auf Eis. Nachdem die Meisterschaft beispielsweise in Frankreich nun offiziell abgebrochen wurde, wird in Deutschland weiterhin versucht, die Saison unter strengen Hygieneauflagen und unter Ausschluss von Zuschauern bis Ende Juni zu Ende zu spielen.
Der Aufwand ist ein hoher, das Vorhaben birgt zudem einen eng getakteten Zeitplan. Mehrere Spiele müssten innerhalb einer Woche stattfinden. Daher werden die Profis schon jetzt regelmäßig im Rahmen des DFL-Hygienekonzepts auf das Coronavirus untersucht.
Zuletzt sorgte ein Corona-Fall beim 1.FC Köln und die darauffolgende Kritik des FC-Spielers Birger Verstraete an der Weiterführung des Vereinstrainings für weitere Diskussionen ob der Richtigkeit der Wideraufnahme des Spielbetriebs. Auch Hertha BSC steht nach dem skandalösen Facebook-Video ihres Stürmers Salomon Kalou in der Kritik, die Vorgaben der DFL zu missachten. In dem Video war unter anderem zu sehen, wie Kalou Abstandsregelungen zu seinen Mitspielern ignoriert und wie Corona-Tests ohne fachgerechte Schutzkleidung durchgeführt wurden. Kalou wurde noch am selben Tag vom Verein suspendiert.
Kritik an der DFL – Priorität auf Gesundheitswesen legen
Um die diesjährige Saison sicher zu beenden, plant die DFL nach Angaben der Tagesschau, sowohl Spieler als auch Trainer- und Betreuerstab alle drei Tage testen zu lassen. In Zahlen lässt sich der Plan der DFL folgendermaßen ausdrücken: Lässt man jeden einzelnen Spieler und Funktionär der Clubs derartig oft testen, summieren sich die Kontrollen bis Ende Juni auf insgesamt 20.000 Tests. Das Vorhaben scheint jedoch bis dato aufzugehen. In Köln hat sich das Virus in den Trainingsgruppen nicht weiter verbreitet, und auch in Berlin liegt kein positives Testergebnis vor. Bei den 36 Erst- und Zweitligaclubs wurden nach der letzten Testwelle insgesamt nur zehn Corona-Fälle dokumentiert.
Das Vorhaben der DFL stößt gerade bei Experten aus dem Gesundheitswesen auf Unverständnis. Hans-Josef Börsch, Vorstandsmitglied der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz äußerte zuletzt in einer Pressemitteilung seine Kritik. „Für uns steht fest, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen bei der Durchführung von COVID-19-Tests bevorzugt behandelt werden sollten“, so seine Aussage. Gerade weil es noch nicht genügend Tests für Pflegefachpersonen und Pflegebedürftige gibt, sieht Börsch die Frage der Priorisierung eindeutig bei der Pflege. Die Sicherung der Patientenversorgung habe für die Gesellschaft oberste Priorität, über die Systemrelevanz von Pflegefachpersonal bestehe keinerlei Zweifel. Wenn man die Bereitstellung von 20.000 Corona-Tests für die Bundesliga erwägt, dürfe dies auf keinen Fall zum Nachteil für systemimmanente Berufsgruppen werden. Während Bundesligaspieler auch ohne den Verdacht auf eine Infektion auf das Virus getestet werden, fehlen im Gesundheitswesen weiterhin die Tests für das dortige Personal. Dies sei nicht gerechtfertigt, so Börsch. „Daher liegt es in unserer Verantwortung, dass erst einmal die beruflich Pflegenden und alle systemrelevanten Personen mit diesen Tests in ausreichendem Maße versorgt werden.“
Auch beim Bundesverband der privaten Pflegeanbieter (bpa) herrscht rege Empörung über die andauernden Diskussionen. Präsident Bernd Meurer brachte es auf den Punkt. Es gehe in der Pflege um die Verhinderung schwerer Krankheitsverläufe, schließlich seien pflegebedürftige Personen besonders gefährdet. Er sei fassungslos darüber, dass Pflegende und Pflegebedürftige bestenfalls bei einem bestätigten COVID-19-Fall untersucht werden, während im Fußball jeder einfach so getestet werden würde. Man bräuchte die Testkapazitäten in der Pflege, um im Ernstfall schnell handeln zu können.
DFL verteidigt Vorhaben
Aktuell können die deutschen Labore etwa 730.000 Tests pro Woche durchführen, so die Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI). Die Untersuchungen der DFL würden nach eigenen Angaben weniger als 0,5 % der Testkapazitäten beanspruchen. Evangelos Katsopoulos, Geschäftsführer des Berufsverbandes „Akkreditierte Labore in der Medizin“, sagte gegenüber NDR Info, die Labore seien noch lange nicht ausgelastet. „Wenn Profisportler, oder auch andere, nun solche Kapazitäten in vergleichsweise kleinen Teilen in Anspruch nehmen wollen, um Teile des sozialen Lebens in Deutschland wieder zu stärken, dann sehen wir darin kein grundsätzliches Problem. Die Patientenversorgung wird deshalb jedenfalls nicht gefährdet“, erklärt er. Auch die DFL selbst versprach, die Versorgung der Bevölkerung selbstverständlich nicht zu beeinträchtigen, sollte es in naher Zukunft durch zum Beispiel eine zweite Infektionswelle zu Engpässen kommen.
Das Hyginekonzept der DFL lag auch dem Gesundheitsministerium zur Begutachtung vor. Gesundheitsminister Spahn sprach dem Konzept auch nach dem Video von Kalou grundsätzlich eine Sinnhaftigkeit zu, solange es auch umgesetzt werde. Den Fall Kalous könne man als Warnung an die anderen Vereine interpretieren. Spahn hofft, dass nun alle verstanden haben, worum es geht. Dann könne man, vorrausgesetzt es gibt genug Testkapazitäten in den Gesundheitseinrichtungen, die Bundesliga langsam in einen neuen Alltag führen. Dieser müsse jedoch auch gelebt werden, so Spahn. Währenddessen sprach Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von einem „Eigentor“ und einem Rückschritt der Bundesliga. Ob und wann diese nun fortgesetzt wird, wird heute von der Bundesregierung bekannt gegeben.
Regelmäßige Spielertests ethisch fragwürdig
Laut RKI handelt es sich bei jedem fünften Todesopfer durch COVID-19 um einen Pflegeheimbewohner. RKI-Vize-Präsident Lars Schaade spricht sich ebenfalls für eine häufigere Anwendung der Tests in systemrelevanten Bereichen aus. „Ich sehe nicht, warum bestimmte Bevölkerungsgruppen, ob die nun Sportler sind – man kann sich ja auch alles andere ausdenken, was möglicherweise ein gewisses gesellschaftliches Interesse hat, – warum die routinemäßig gescreent werden sollen.“
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte im Bezug auf die Pläne der DFL vor einem schweren ethischen Fehler. Entscheidend sei auch das Bild, welches sich derzeit in der Gesellschaft abzeichnet. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, ein Profifußballer könne sich gleich mehrfach testen lassen, während das Personal im Gesundheitswesen nur darauf hoffe, meint auch Hans-Josef Börsch von der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz.
Quelle: Landespflegekammer RLP, Tagesschau, ZDF, bpa, welt, FR