Dr. Markus Plantholz, Jörg Hackstein, Dr. Oliver Esch, Daniela Piossek, Maria Heil (v.l.n.r.)
Dr. Markus Plant­holz, Jörg Hackstein, Dr. Oliver Esch, Daniela Piossek, Maria Heil (v.l.n.r.) Bild: BVMed

Daniela Piossek, Leite­rin des Refera­tes Kranken­ver­si­che­rung beim BVMed, erläu­terte zu Beginn des BVMed-Sozial­rechts­ta­ges, der am 13.6. in Berlin statt­fand, die Berei­che, in denen es durch die Kranken­kas­sen immer wieder zu Umset­zungs- und Ausle­gungs­pro­ble­men im Hilfs­mit­tel­be­reich gekom­men ist. „Der Phanta­sie einiger Kosten­trä­ger sind dabei keine Grenzen gesetzt. Aber zum Glück handelt es sich dabei nur um eine Minder­zahl. Viele Kassen handeln durch­aus korrekt“, war das Fazit der Hilfs­mit­tel-Exper­tin. Piossek appel­lierte an die betei­lig­ten Kranken­kas­sen und Leistungs­er­brin­ger, fair mitein­an­der umzuge­hen.

Im Anschluss referierte Dr. Oliver Esch, Fachan­walt für öffent­li­ches Wirtschafts- und Verga­be­recht, über den aktuel­len Stand bei Ausschrei­bun­gen nach § 127 Abs. 1 SGB V sowie über die geplan­ten europäi­schen Richt­li­nien zum Konzes­si­ons- und Verga­be­recht. Laut Esch werde das neue Richt­li­ni­en­pa­ket reine Dienst­leis­tun­gen erfas­sen, keine Liefer­auf­träge. Was Dienst­leis­tun­gen und was Liefer­auf­träge sind, definiert der wirtschaft­li­che Schwer­punkt. Zu den Inhal­ten und Auswir­kun­gen der neuen Verga­be­richt­li­nie führte er an: „Ich halte im Ergeb­nis nach wie vor die Risiken für gering, dass sich für Sie im gewohn­ten System etwas ändern wird.“

Esch setzte sich auch mit der sogenann­ten „Aufzah­lung“ ausein­an­der: Teilweise würden Leistungs­er­brin­ger insge­heim und planmä­ßig Aufzah­lun­gen für die Versi­cher­ten kalku­lie­ren, um selbst günsti­ger wirtschaf­ten zu können. Es werde aber nach seinem „Dafür­hal­ten schwie­rig, ein Aufzah­lungs­ver­bot durch­zu­set­zen.“

Mit der rechts­miss­bräuch­li­chen Ausnut­zung der Markt­macht von Kranken­kas­sen setzte sich Peter Hartmann, Fachan­walt für Medizin­recht, ausein­an­der. Er ging mit Beispie­len auf einige in der Praxis vorkom­mende Missbräu­che wie einsei­tige Vertrags- und Preis­vor­ga­ben durch Kranken­kas­sen oder die bevor­zugte Behand­lung von Vertrags­part­nern ein und zeigte recht­li­che Möglich­kei­ten auf, wie die Leistungs­er­brin­ger damit umgehen können bezie­hungs­weise sollten. So haben einige Kassen versucht, sich vom Verga­be­recht zu lösen, indem sie „Open-House-Rabatt­ver­träge“ mit nicht verhan­del­ba­ren Kondi­tio­nen und Preisen anbie­ten. Das OLG Düssel­dorf beurteilte solche Verfah­ren als verga­be­rechts­wid­rig und als Verstoß gegen den Wettbe­werbs­grund­satz.

Der Medizin­recht­ler Dr. Markus Plant­holz erörterte die Rechts­lage zu exter­nen Hilfs­mit­tel­be­ra­tern und Gutach­tern. Grund­sätz­lich gelten für Kranken­kas­sen der Bewil­li­gungs­vor­be­halt und das Wirtschaft­lich­keits­ge­bot. Auf medizi­ni­scher Seite entschei­det der MDK, ob ein Hilfs­mit­tel beispiels­weise medizi­nisch notwen­dig oder technisch zweck­mä­ßig ist. Für die Beauf­tra­gung eines exter­nen Gutach­ters gibt es hinge­gen laut Plant­holz keine gesetz­li­che Grund­lage – auch dann nicht, wenn der Versi­cherte schrift­lich zur Daten­wei­ter­gabe an und medizi­ni­schen Überprü­fung durch einen exter­nen Gutach­ter einge­wil­ligt hat.

Für Rechts­an­walt Jörg Hackstein habe der Arzt zwar die Thera­pie­ho­heit, jedoch werde diese durch Wirtschaft­lich­keits- und Richt­grö­ßen­prü­fun­gen sowie Geneh­mi­gungs­pflich­ten und Sonder­ver­träge mit einzel­nen Kassen beschränkt. GKV-Leistun­gen unter­lie­gen dem Wirtschaft­lich­keits­ge­bot. Eine Wirtschaft­lich­keits­prü­fung des Arztes gibt es jedoch nur bei Arznei‑, Verband- und Heilmit­teln, nicht aber bei Hilfs­mit­teln. Für diese gilt vielmehr verbind­lich die Hilfs­mit­tel-Richt­li­nie des G‑BA, die eine dem allge­mein anerkann­ten Stand medizi­ni­scher Kennt­nisse, ausrei­chende, zweck­mä­ßige und wirtschaft­li­che Versor­gung mit Hilfs­mit­teln gewähr­leis­ten soll. Für den Arzt ist nicht allein die Diagnose ausschlag­ge­bend; er muss eine Gesamt­be­trach­tung der Schädi­gun­gen und Beein­träch­ti­gun­gen vorneh­men und dabei die Inter­na­tio­nal Classi­fi­ca­tion of Functio­ning, Disabi­lity and Health (ICF) beach­ten. Damit sollen u.a. der Bedarf und das Versor­gungs­ziel einer Hilfs­mit­tel­ver­ord­nung realis­tisch und am indivi­du­el­len Alltag des Versi­cher­ten ermit­telt werden. Hackstein äußerte hier sein Beden­ken, „dass das Wort ‚Versor­gungs­ziele‘ gerne überse­hen wird“, obwohl dies „der Maßstab für die Verord­nung“ sei.

Zuläs­sige und unzuläs­sige Formen der Zusam­men­ar­beit zwischen Leistungs­er­brin­gern und Vertrags­ärz­ten im Rahmen des § 128 SGB V erörterte Rechts­an­wäl­tin Maria Heil. Das Gesetz beinhal­tet vier grund­sätz­li­che Verbote:

  1. Das Depot­ver­bot unter­sagt die Abgabe von Hilfs­mit­teln an Versi­cherte über Depots bei Vertrags­ärz­ten und in Kranken­häu­sern, nicht aber in Pflege­hei­men und in der Notfall-Versor­gung. Depots mit Verbrauchs­ma­te­ria­lien, Sprech­stun­den­be­darf, Materia­lien der ärztli­chen und statio­nä­ren Behand­lung sind zuläs­sig.
  2. Nach dem Betei­li­gungs­ver­bot dürfen Leistungs­er­brin­ger Ärzte nicht gegen finan­zi­elle oder sonstige wirtschaft­li­che Vorteile an der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung betei­li­gen.
  3. Das Zuwen­dungs­ver­bot unter­sagt es Leistungs­er­brin­gern, Ärzten in Verbin­dung mit der Hilfs­mit­tel­ver­ord­nung Zuwen­dun­gen zu gewäh­ren. Unzuläs­sig sind demnach z.B. auch das unent­gelt­li­che oder verbil­ligte Überlas­sen von Geräten und Material für Schulun­gen, das Bereit­stel­len oder eine Kosten­be­tei­li­gung an Räumen oder Perso­nal sowie Einkünfte von Ärzten aus Unter­neh­mens­be­tei­li­gun­gen von Leistungs­er­brin­gern. Schulun­gen gegen Entgelt und solche nach medizin­pro­dukt­e­recht­li­chen Verpflich­tun­gen sowie Schulun­gen von Patien­ten und Pflege­per­so­nal sind unter Beach­tung des Heilmit­tel­wer­be­ge­set­zes jedoch weiter­hin möglich. Das gilt auch für Rabatte auf Materia­lien und Sprech­stun­den­be­darf, die nicht im Zusam­men­hang mit Hilfs­mit­tel­ver­ord­nun­gen stehen, gegebe­nen­falls aber an die GKV weiter­ge­ge­ben werden müssen.
  4. Das Verbot der Vergü­tung zusätz­li­cher privat­ärzt­li­cher Leistun­gen unter­sagt es Leistungs­er­brin­gern, solche Leistun­gen im Rahmen der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung zu vergü­ten. Der Leistungs­er­brin­ger darf also zum Beispiel im Rahmen der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung keine Kosten für IGeL-Leistun­gen überneh­men.

Einkünfte aus Unter­neh­mens­be­tei­li­gun­gen an Leistungs­er­brin­gern sind Medizi­nern darüber hinaus ebenfalls unter­sagt, sofern der Arzt seine Einkünfte durch sein eigenes Verord­nungs- und Zuwei­sungs­ver­hal­ten beein­flus­sen kann. Grund­sätz­lich seien die Regelun­gen aber sehr spezi­fisch und vom Einzel­fall abhän­gig. Nach Meinung Heils seien für die Praxis noch viele Fragen ungeklärt. Für die prakti­sche Umset­zung im Unter­neh­mens­all­tag empfahl die Juris­tin vier Grund­prin­zi­pien zu beach­ten: Das Trennungs‑, Transparenz‑, Dokumen­ta­ti­ons- und Äquiva­lenz­prin­zip. So sollten Umsatz­ge­schäfte vonein­an­der unabhän­gig sein, dienst- und berufs­recht­li­che Anfor­de­run­gen stets einge­hal­ten und Leistungs­ver­hält­nisse dokumen­tiert und trans­pa­rent gemacht werden sowie Leistung und Gegen­leis­tung bei Verträ­gen gleich­wer­tig sein