Für den Umgang mit alkoholisierten Patienten gibt es Empfehlungen und gesetzliche Regelungen.
Für den Umgang mit alkoho­li­sier­ten Patien­ten gibt es Empfeh­lun­gen und gesetz­li­che Regelun­gen. Bild: Photo 181456025 © Elnur – Dreamstime.com

Betrun­kene Patien­ten sind für Ärzte oft nicht einfach zu managen. Der eine tritt aggres­siv auf, der andere verfällt schnell in depres­sive Verhal­tens­wei­sen. Entschei­dun­gen darüber, ob eine Behand­lung sofort zu tätigen oder eher aufzu­schie­ben ist, sind daher häufig schwie­rig. Zudem muss bei der Entlas­sung solcher Patien­ten auf deren Sicher­heit und eine Nicht-Gefähr­dung anderer Perso­nen geach­tet werden.

Die Empfeh­lun­gen zum Umgang mit alkoho­li­sier­ten Patien­ten stammen aus einer Publi­ka­tion der Prof. Dr. Tilman Wetter­ling und Prof. Dr. med. Klaus Junghans von der Klinik für Psych­ia­trie und Psycho­the­ra­pie der Uni Lübeck sowie aus dem Rechts­de­pe­sche-Themen­heft zur Fahrtaug­lich­keit bei neuro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen:

Umgang mit alkoho­li­sier­ten Patien­ten

Zunächst einmal ist die Alkohol­in­to­xi­ka­tion mittels Blutab­nahme und Atemal­ko­hol­spie­gel festzu­stel­len. Ab einem Promil­le­wert von 0,5 ist dabei mit beach­tens­wer­ten psychi­schen und kogni­ti­ven Einschrän­kun­gen zu rechnen, bei Alkoho­li­kern oder Gewohn­heits­trin­kern womög­lich erst später. Ärzten wird daher empfoh­len, betrun­kene Patien­ten neben den Alkohol­tests auch auf deren körper­li­chen Zustand, also Gangsi­cher­heit, Orien­tie­rung oder Reaktion, zu unter­su­chen und zusätz­lich auf weitere Drogen zu überprü­fen.

Ob ein alkoho­li­sier­ter Patient entlas­sen oder statio­när aufge­nom­men werden soll, obliegt der fachli­chen Einschät­zung des Arztes. Dabei gilt es abzuwä­gen, ob der Patient ein Risiko für eine Eigen- oder Fremd­ge­fähr­dung darstellt. Hilfreich ist, heraus­zu­fin­den, ob der Betrof­fene mögli­cher­weise suizid­ge­fähr­det ist oder ob es im Zuge einer Aufnahme zu starken Entzugs­er­schei­nun­gen wie Delir oder Krampf­an­fäl­len kommen kann. Der Arzt sollte daher das persön­li­che Gespräch mit dem alkoho­li­sier­ten Patien­ten suchen und ihm sein offenes Ohr anbie­ten.

Gibt es Hinweise auf eine mögli­che Gewalt­be­reit­schaft des Patien­ten, so sollte dies als Risiko einer Fremd­ge­fähr­dung dokumen­tiert werden. Auch Drohun­gen und aggres­si­ves Verhal­ten gegen­über dem Einrich­tungs­per­so­nal gehören dazu. Pflege­kräf­ten und Medizi­nern wird geraten, sich nicht provo­zie­ren zu lassen und zusätz­li­ches Perso­nal zur Beruhi­gung und zum Selbst­schutz heran­zu­zie­hen.

Rechte und Pflich­ten des Arztes

Will sich ein unter Alkohol stehen­der Patient medizi­nisch behan­deln lassen, so sind hinsicht­lich der ärztli­chen Aufklä­rungs­pflicht über die medizi­ni­schen Maßnah­men und der Einwil­li­gung des Patien­ten zwei Szena­rien zu unter­schei­den:

Ist der Patient nach Einschät­zung des Arztes in der Lage, der Aufklä­rung zu folgen und die nach der Behand­lung mögli­chen Risiken bei der Entlas­sung aufgrund des alkoho­li­sier­ten Zustan­des zu verste­hen, so kann der Patient unter ausdrück­li­cher Warnung und Anwei­sung auf das Unter­las­sen des Führens eines Kraft­fahr­zeugs entlas­sen werden. Zu dieser Aufklä­rung über die poten­zi­el­len Gefah­ren bei einer Fahrun­tüch­tig­keit ist der Arzt nach § 630c Absatz 2 BGB verpflich­tet. Eine genaue Dokumen­ta­tion des Gesprächs, insbe­son­dere der Einsichts- und Urteils­fä­hig­keit ist daher empfeh­lens­wert. Besten­falls liegt der Dokumen­ta­tion noch die Anwesen­heit eines Zeugens bei. Im Falle eines einsich­ti­gen Patien­ten sind weitere Maßnah­men, wie die Infor­ma­tion des Gesund­heits­am­tes, des Amtsarz­tes oder der Straßen­ver­kehrs­be­hörde nicht notwen­dig.

Ist der Arzt dagegen der Auffas­sung, dass der alkoho­li­sierte Patient sämtli­che ärztli­che Warnun­gen ignoriert oder nicht versteht, stellt sich die Situa­tion etwas kompli­zier­ter dar. Der Arzt hat das Recht, die Behand­lung eines alkoho­li­sier­ten Kraft­fah­rers gemäß der Fahrerlaub­nis-Verord­nung (FeV) abzuleh­nen. Dies kann er dann, wenn er Zweifel daran hegt, ob das für die Behand­lung nötige Vertrau­ens­ver­hält­nis zustande kommen kann und er deswe­gen das alkohol- oder drogen­in­du­zierte Behand­lungs­ri­siko nicht überneh­men möchte. Dies ergibt sich aus Anlage 4 zu § 11 FeV und § 13 FeV.

Wenn der Arzt jedoch die Behand­lung übernimmt, entsteht zum einen eine straf­recht­lich relevante Garan­ten­pflicht. Zum anderen resul­tiert eine zivil­recht­li­che Sorgfalts­pflicht zur Gefah­ren­ab­wehr im Straßen­ver­kehr durch die Anwen­dung von medizi­ni­schem Fachwis­sen bei verkehrs­re­le­van­ten Gesund­heits­ein­schrän­kun­gen, die sich am Maßstab der Verkehrs­me­di­zin orien­tiert.

Kritisch wird die Situa­tion, wenn der einsichts­fä­hige Patient das vom Arzt ausge­spro­chene Fahrver­bot nicht beach­tet. Aus der Patien­ten­ver­hält­nis resul­tie­ren­den Schwei­ge­pflicht gemäß § 203 Absatz 1 Nummer 1 StGB ist eine Weiter­gabe der Infor­ma­tion über die Fahrun­tüch­tig­keit des Patien­ten an die entspre­chen­den Stellen (Fahrerlaub­nis­be­hörde, Polizei) grund­sätz­lich nicht möglich.

Dieses Spannungs­ver­hält­nis der Pflich­ten könnte sich jedoch nach den Vorga­ben des straf­recht­li­chen Notstan­des gemäß § 34 StGB auflö­sen. Demnach könnte der Arzt trotz seiner Schwei­ge­pflicht dazu berech­tigt sein nach Abwägung der relevan­ten Inter­es­sen und Pflich­ten die Verkehrs­be­hörde zu benach­rich­ti­gen, wenn es sicher erscheint, dass sein Patient trotz Alkohol­ein­fluss ein Fahrzeug führt und sich selbst oder unbetei­ligte Verkehrs­teil­neh­mer gefähr­det.

Quelle:

  1. Wetterling/Junghans: Alkohol­in­to­xi­ka­tion – ein psych­ia­tri­scher Notfall. In: Fortschritte der Neuro­lo­gie Psych­ia­trie 2019 vom 18.3.2019 (Quelle: Thieme); RDG 2019, 16 (Themen­heft: Fahrtaug­lich­keit bei neuro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen)