Die Statistik ist niederschmetternd: Rund 30 Prozent der Auszubildenden in der Pflege brechen, laut des Deutschen Pflegehilfswerks, ihre Ausbildung vor Erreichen ihres Abschlusses ab. Damit liegt der Wert über dem Branchenschnitt, der laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im aktuellsten untersuchten Jahr 2021 bei 26,7 Prozent lag.
Das Pflegehilfswerk vermutet hinter den hohen Zahlen nicht in erster Linie monetäre Gründe – schließlich ist die Ausbildungsvergütung in der Pflege, verglichen mit anderen Ausbildungsgängen, vergleichsweise hoch.
Für die Branche ist die hohe Abbrecher-Quote besonders bitter, denn der Personalmangel ist groß – deshalb wiegt der Absprung einer bereits für sich gewonnenen Kraft umso schwerer. Und wahrscheinlich war es mühsam genug, die Auszubildenden überhaupt für sich zu gewinnen. Mit großer Hoffnung und Tatendrang sind die Neu-Azubis dann gestartet – doch irgendetwas muss sie im Laufe ihrer bisherigen Ausbildung bewegt haben, ihre damalige Entscheidung zu überdenken.
Neben beruflichen Gründen (z.B. falsche Vorstellungen über die Pflege im Allgemeinen), persönlichen Gründen (z.B. Umzug in eine andere Region oder Krankheit) sind betriebliche Gründe eine Möglichkeit, weshalb sich Auszubildende zum Abbruch entscheiden.
Wenn sich Ausbildungsabbrüche in einem Betrieb häufen, ist dies zugleich ein Warnsignal: Wenn immer wieder Nachwuchs-Pflegekräfte „das Handtuch schmeißen“, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass mit dem Einrichtungsklima im Betrieb, oder speziell mit dem Umgang mit den Auszubildenden, etwas im Argen liegt. Hier gilt es anzusetzen, um junge Pflegekräfte im Betrieb zu halten!
1. Umgang auf Augenhöhe!
Wer Auszubildende ausschließlich als billige Arbeitskraft sieht, die das Team entlasten und ansonsten nicht weiter stören sollen, hat schon verloren. Pflege-Azubis sollten – immer im Rahmen ihrer (sich noch entwickelnden) Möglichkeiten – in den Einrichtungs-Alltag eingebunden, und von ihrer Person her als festen Teil des Teams gesehen werden.
Dazu gehört es auch, nicht ständig „leidige“ Aufgaben auf die Nachwuchs-Pflegekraft zu verlagern, wie etwa innerhalb einer Pause an der Klingel die Stellung halten, oder „unangenehme“ Randzeiten übernehmen zu müssen. Oder wenn innerhalb der Einrichtung pauschal von „dem / der Auszubildenden“ statt einer namentlichen Nennung die Rede ist.
Eine gute Ausbildung ist Teamarbeit: Alle auf der Station sollten in das Ausbildungsverhätnis eingebunden werden, wissen, wann die oder der Auszubildende im Betrieb (und wann in der Pflegeschule) ist. Was gesamtgesellschaftlich gilt, trifft nämlich auch hier zu: Integration ist eine Gemeinschaftsaufgabe!
2. Ausbildungsgerechter Einsatz, Zeit für Anleitung
Direkt an diesen Punkt anknüpfend: Bei aller willkommenen Unterstützung für die tägliche Pflegearbeit steht die Ausbildung, das heißt die Aneignung der Lerninhalte und Kenntnisse, im Vordergrund.
Wenn auch das ganze Team verantwortlich dafür ist, die Nachwuchs-Pflegekraft in die Einrichtung zu integrieren, empfiehlt es sich, als festen Ansprechpartner für fachliche Fragen einen Praxisanleiter oder eine Praxisanleiterin zu haben, die bei Uneinigkeit die Fragen des Pflege-Azubis klärt. Diese zusätzliche Zeit für Einweisungen und Anleitungen sollte übrigens auch beim Arbeitspensum der anleitenden Person berücksichtigt werden.
Natürlich spricht in der Einrichtungs-Praxis nichts dagegen, wenn die Pflegekraft auch einmal „ausbildungsfremde“ Tätigkeiten ausführt – wie Besorgungen erledigt, Blumen gießt oder spontan als Reinigungskraft aushilft. Allerdings nur dann – siehe erster Punkt! –, wenn alle anderen Kolleginnen und Kollegen dies auch einmal übernehmen. Keinesfalls darf die Nachwuchs-Pflegekraft alleinzuständig für Aushilfsarbeiten und Botengänge sein!
3. Pflege: Perspektive bieten (monetär und nicht-monetär)
Wer Pflegekräfte langfristig im Unternehmen halten will, muss etwas bieten. Zeichnen Sie Ihren Auszubildenden eine Perspektive auf: Wenn die Ausbildung einmal erfolgreich absolviert ist, wo könnte die zukünftige Pflegekraft in einem Jahr stehen? Und wo in fünf Jahren? Wer im täglichen Klein-Klein das große Ziel nicht aus den Augen verliert, ist enorm im Vorteil.
Zu der beruflichen Perspektive gehört auch, aber nicht nur die Höhe des Gehalts. Welche Einsatzmöglichkeiten würden sich bieten, wie flexibel kann die Zeitgestaltung sein, gibt es gemeinsame Team-Aktivitäten oder winken sonstige betriebliche Vergünstigungen – etwa ein eigener Dienstwagen, eine vom Betrieb übernommene Mitgliedschaft in einem Sport- oder Fitnessclub, Fortbildungs-Möglichkeiten innerhalb der Pflege, aber auch zu anderen Themen?
4. Offen für Fragen sein, Hilfe bei persönlichen Problemen
Der berufliche Start ist emotional eine herausfordernde Zeit, denn es handelt sich zu allermeist um Jugendliche und junge Erwachsene, die mitten im inneren Aufbruch und oftmals ihrer „wilden Zeit“ stecken. Da können persönliche Herausforderungen und Probleme – man denke an Liebeskummer oder Geldsorgen – in den beruflichen Bereich abstrahlen.
Neben der oder dem Zuständigen für ausbildungs-inhaltliche Fragen, siehe Punkt 2, empfiehlt es sich, eine Art Vertrauensperson im Unternehmen zu haben, an den sich die junge Pflegekraft vertrauensvoll wenden kann. Vielleicht gibt es bereits ein betriebliches Sozialmanagement, die den Beschäftigten bei Problemen aller Art zur Seite steht. Diese könnte auch für die Azubis zur Stelle sein, sollte aber für die Aufgabe sensibilisiert werden.
Dass Auszubildende keine Scheu haben dürfen, sich bei beruflichen Fragen an ihre Praxisanleiterin oder ‑anleiter zu wenden, sollte im Einrichtungsalltag – trotz allen Stresses – im Übrigen selbstverständlich sein. Sie dürfen nicht das Gefühl haben, beim Vorhandensein von solchen Fragen „lästig“ zu sein.
5. Gespräche führen, klare Ansprechpartner
Neben der fachlichen Begleitung der Ausbildung und der Hilfe bei persönlichen Problemen ist es ideal, sich in regelmäßigen Abständen mit der Pflegeschülerin oder dem ‑schüler zusammenzusetzen. Wie klappt es in der Pflegeschule, wie sind die Lehrkräfte und Mitschüler/-innen, gibt es dort inhaltliche oder persönliche Probleme? Wie gut ist die theoretische und praktische Vermittlung des Stoffes?
Auch die Erlebnisse innerhalb der Pflegeeinrichtung selbst sollten dabei natürlich Thema sein: Wie hat die Nachwuchs-Pflegekraft die zurückliegende Zeit empfunden? Was hat ihr besonders Freude bereitet oder Spaß gemacht, wo sind Probleme aufgetreten oder worüber hat sie sich geärgert? Auch sich anbahnende Konflikte mit Teammitgliedern (oder Bewohner/-innen bzw. Patient/-innen) lassen sich so erkennen.
Selbstverständlich sollte überdies ein klares Feedback sein – ein freundliches Lob für einen guten Einsatz motiviert und kostet nichts, ebenso schaffen solche Gespräche Raum für (konstruktive!) Kritik. Denn an dieser kann der oder die Auszubildende wachsen.