Pflegekräfte
Wie organi­siere ich chroni­schen Perso­nal­man­gel? Bild: Pixabay

Das Insti­tut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hat die Versor­gung in der statio­nä­ren Pflege unter­sucht – mit schockie­ren­dem Ergeb­nis: Bis zum Jahr 2035 könnten in Deutsch­land rund 307.000 Pflege­kräfte fehlen. Für den Pflege­be­reich insge­samt sieht die Situa­tion noch drama­ti­scher aus: Hier könnten es bis zu 500.000 Pflege­kräfte sein, die zusätz­lich benötigt werden, um die Versor­gung der Patien­ten zu garan­tie­ren.

Bis 2060 4,53 Millio­nen Pflege­be­dürf­tige

Die Grund­lage für diese Prognose bilden Berech­nun­gen des Statis­ti­schen Bundes­am­tes, die die Entwick­lung der Pflege­be­dürf­tig­keit in Deutsch­land unter­sucht haben. Diese steigt seit Jahren. Laut der Pflege­sta­tis­tik lag die Zahl der Pflege­be­dürf­ti­gen im Jahr 2017 bei 3,4 Millio­nen Menschen – das ist eine Steige­rung von 70 Prozent seit Beginn des Jahrtau­sends. Bis zum Jahr 2060 sieht das Statis­ti­sche Bundes­amt rund 4,53 Millio­nen pflege­be­dürf­tige Perso­nen voraus.

Die Ursachen dafür sind vielfäl­tig. Ein Haupt­trei­ber ist jedoch parado­xer­weise die immer besser werdende medizi­ni­sche Versor­gung. So werden immer mehr Menschen immer älter: Der größte Teil der pflege­be­dürf­ti­gen Menschen in Deutsch­land ist über 60 Jahre alt. Und in jeder Alters­gruppe steigt der Anteil der Pflege­be­dürf­ti­gen: In der Alters­gruppe der über 75-jähri­gen beträgt die Pflege­quote 11 Prozent, bei den über 90-jähri­gen liegt sie bei 71 Prozent.

Auch die Zahlen der Bundes­agen­tur für Arbeit bestä­ti­gen den Trend. Auf 100 gemel­dete Stellen für Alten­pfle­ger bewer­ben sich aktuell nur 22 Menschen. Dabei werden etwa die Hälfte der offenen Stellen von vornher­ein nicht gemel­det. Im Schnitt bleibt dabei eine offene Pflege­stelle 240 Tage unbesetzt. Erschwe­rend kommt hinzu, dass die Anzahl der Beschäf­tig­ten in der Alten­pflege in absolu­ten Zahlen zwar in den letzten Jahren gestie­gen ist, aller­dings verstärkt im Teilzeit-Bereich.

Zur Zeit fehlen bereits 200.000 Fachkräfte

Zur Zeit liegt der Pflege­kräf­te­man­gel laut Chris­tine Vogler, der Präsi­den­tin des Deutschen Pflege­ra­tes (DPR), bereits bei 200.000 Fachkräf­ten. Trotz vieler Anläufe der letzten Bundes­re­gie­rung hat sich an der drama­ti­schen Situa­tion der Pflege­kräfte nicht viel verbes­sert – in erster Linie deshalb, weil mehr auf Symptom­be­kämp­fung als auf tiefer­ge­hende Refor­men gesetzt wurde.

Ein solches Projekt war die Konzer­tierte Aktion Pflege. Diese hat es – trotz der positi­ven Bilanz der damals zustän­di­gen Minis­ter für Gesund­heit, Familie und Sozia­les, Jens Spahn (CDU), Chris­tine Lamb­recht (SPD) und Huber­tus Heil (SPD) – nicht geschafft, die Arbeits­be­din­gun­gen für Menschen in der Pflege spürbar zu verbes­sern.

Der Pflege­rat hatte damals kriti­siert, dass Regelun­gen zur verpflich­ten­den Tarif­ent­loh­nung erst in einem Jahr in Kraft treten würden. Über Lohnhö­hen sei gar nicht gespro­chen worden. Auch die einheit­li­che Bestim­mung des Personal­bedarfs in der statio­nä­ren Langzeit­pflege blieb vage, während sie für die ambulante Pflege komplett fehlte.

Pflege­kräfte: Unzufrie­den­heit steigt

Viele Pflegende bleiben trotz widri­ger Arbeits­be­din­gun­gen sehr lange im Beruf. Das beweist auch eine Analyse des Deutschen Insti­tuts für angewandte Pflege­for­schung (dip), die für das Jahr 2021 im Bezug auf das Land Nordrhein-Westfa­len durch­ge­führt wurde. Demnach liegt die mittlere Dauer der Berufs­tä­tig­keit für Gesund­heits- und Kranken­pfle­ge­kräfte in NRW bei mehr als 18 Jahren., bei den Alten­pfle­gen­den sind es 13 Jahre. Das klingt zunächst nicht so schlecht.

Aller­dings gaben in der Studie nur die Hälfte der Befrag­ten an, mit ihrem Beruf zufrie­den zu sein. Des Weite­ren hatten rund 50 Prozent den Eindruck, dass sich die Wertschät­zung ihrer Arbeit durch die Arbeit­ge­ber im Lauf der Zeit verschlech­tert hätte. Auch bei den Arbeits­be­din­gun­gen wurde ein Verschlech­te­rung wahrge­nom­men.

Man kann nur hoffen, dass die Ampel­ko­ali­tion Wege findet, die Arbeits­be­din­gun­gen in der Pflege dauer­haft zu verbes­sern. Fest steht: Ohne grund­le­gende Refor­men im Gesund­heits­sys­tem wird es nicht klappen.