Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hat die Versorgung in der stationären Pflege untersucht – mit schockierendem Ergebnis: Bis zum Jahr 2035 könnten in Deutschland rund 307.000 Pflegekräfte fehlen. Für den Pflegebereich insgesamt sieht die Situation noch dramatischer aus: Hier könnten es bis zu 500.000 Pflegekräfte sein, die zusätzlich benötigt werden, um die Versorgung der Patienten zu garantieren.
Bis 2060 4,53 Millionen Pflegebedürftige
Die Grundlage für diese Prognose bilden Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, die die Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in Deutschland untersucht haben. Diese steigt seit Jahren. Laut der Pflegestatistik lag die Zahl der Pflegebedürftigen im Jahr 2017 bei 3,4 Millionen Menschen – das ist eine Steigerung von 70 Prozent seit Beginn des Jahrtausends. Bis zum Jahr 2060 sieht das Statistische Bundesamt rund 4,53 Millionen pflegebedürftige Personen voraus.
Die Ursachen dafür sind vielfältig. Ein Haupttreiber ist jedoch paradoxerweise die immer besser werdende medizinische Versorgung. So werden immer mehr Menschen immer älter: Der größte Teil der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland ist über 60 Jahre alt. Und in jeder Altersgruppe steigt der Anteil der Pflegebedürftigen: In der Altersgruppe der über 75-jährigen beträgt die Pflegequote 11 Prozent, bei den über 90-jährigen liegt sie bei 71 Prozent.
Auch die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bestätigen den Trend. Auf 100 gemeldete Stellen für Altenpfleger bewerben sich aktuell nur 22 Menschen. Dabei werden etwa die Hälfte der offenen Stellen von vornherein nicht gemeldet. Im Schnitt bleibt dabei eine offene Pflegestelle 240 Tage unbesetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Anzahl der Beschäftigten in der Altenpflege in absoluten Zahlen zwar in den letzten Jahren gestiegen ist, allerdings verstärkt im Teilzeit-Bereich.
Zur Zeit fehlen bereits 200.000 Fachkräfte
Zur Zeit liegt der Pflegekräftemangel laut Christine Vogler, der Präsidentin des Deutschen Pflegerates (DPR), bereits bei 200.000 Fachkräften. Trotz vieler Anläufe der letzten Bundesregierung hat sich an der dramatischen Situation der Pflegekräfte nicht viel verbessert – in erster Linie deshalb, weil mehr auf Symptombekämpfung als auf tiefergehende Reformen gesetzt wurde.
Ein solches Projekt war die Konzertierte Aktion Pflege. Diese hat es – trotz der positiven Bilanz der damals zuständigen Minister für Gesundheit, Familie und Soziales, Jens Spahn (CDU), Christine Lambrecht (SPD) und Hubertus Heil (SPD) – nicht geschafft, die Arbeitsbedingungen für Menschen in der Pflege spürbar zu verbessern.
Der Pflegerat hatte damals kritisiert, dass Regelungen zur verpflichtenden Tarifentlohnung erst in einem Jahr in Kraft treten würden. Über Lohnhöhen sei gar nicht gesprochen worden. Auch die einheitliche Bestimmung des Personalbedarfs in der stationären Langzeitpflege blieb vage, während sie für die ambulante Pflege komplett fehlte.
Pflegekräfte: Unzufriedenheit steigt
Viele Pflegende bleiben trotz widriger Arbeitsbedingungen sehr lange im Beruf. Das beweist auch eine Analyse des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (dip), die für das Jahr 2021 im Bezug auf das Land Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde. Demnach liegt die mittlere Dauer der Berufstätigkeit für Gesundheits- und Krankenpflegekräfte in NRW bei mehr als 18 Jahren., bei den Altenpflegenden sind es 13 Jahre. Das klingt zunächst nicht so schlecht.
Allerdings gaben in der Studie nur die Hälfte der Befragten an, mit ihrem Beruf zufrieden zu sein. Des Weiteren hatten rund 50 Prozent den Eindruck, dass sich die Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Arbeitgeber im Lauf der Zeit verschlechtert hätte. Auch bei den Arbeitsbedingungen wurde ein Verschlechterung wahrgenommen.
Man kann nur hoffen, dass die Ampelkoalition Wege findet, die Arbeitsbedingungen in der Pflege dauerhaft zu verbessern. Fest steht: Ohne grundlegende Reformen im Gesundheitssystem wird es nicht klappen.