Die Ursachen hierfür sind vielfältiger Natur. In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren mittlerweile wieder negative Nachrichten über Abrechnungsbetrügereien, Pflegefehler und Pflegenotstand die Schlagzeilen. Gesetzgebung und Selbstverwaltung haben den Handlungsbedarf zur Stärkung der Pflege erkannt, sind gleichwohl zögerlich in der notwendigen Anpassung der Versorgungsstrukturen. Den Arbeitgebern fällt die Errichtung von Pflegestellen mit neuen, erweiterten Verantwortungsbereichen schwer.
Dies alles bietet einen schlechten Rahmen zur Wertschätzung der vielen positiven Aspekte der Pflege. Im Grundsatz steht es dabei jedoch außer Frage, dass der Pflegeberuf eine wertvolle und bereichernde Wahl für Menschen darstellt, die gerne anderen helfen und einen positiven Einfluss auf das Leben anderer haben möchten.
Es ist ein Gebot der Zeit für alle beruflich Pflegenden das Augenmerk nicht von dem Respekt vor der eigenen Arbeit abzulenken. Es steht außer Frage, dass die Pflegeprofession einen wesentlichen Anteil an der qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung leistet.
Die Demonstration dieser sozialen Dimension kann jedoch nur gelingen, wenn sie aus einer aufrechten inneren Haltung erwächst. In gewisser Weise steht damit die gesellschaftliche Wertschätzung der Pflegeprofession in einer Wechselwirkung mit der selbstbewussten Darstellung der pflegerischen Kompetenzen.
Diese professionelle Identität fokussiert sich nach den Ansichten der Pflegewissenschaftlerin Prof. Dr. Angelika Zegelin, des Pflegepädagogen Dr. German Quernheim und des Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Volker Großkopf in dem Begriff des „Berufsstolzes“. Auf dem 16. Interdisziplinären WundCongress (IWC) wurde von diesem Expertenzirkel erstmalig der „Berufsstolz-Preis Pflege“ verliehen.
Ein Gewinner ist…
Die Fachabteilung Pflegeentwicklung des Kantonsspitals Aarau (KSA, Schweiz) ging zusammen mit der gynäkologisch-geburtshilflichen Station der Frauenklinik mit ihrem sechs-monatigem Projekt „Kommunikation und Berufsstolz“ als einer der Gewinner aus dem Wettbewerb hervor.
Ihrer Arbeit liegt die Reflexion des „Berufsstolzes“ von 44 Pflegemitarbeitenden zu Grunde. Ausgehend davon, dass ein selbstachtender und selbstbewusster Umgang mit der eigenen Berufsidentität die klare und zielorientierte Kommunikation fördert, legte die Projektgruppe den Schwerpunkt auf die Feststellung der interdisziplinären Kommunikationseffekte.
Bereits im frühen Projektstadium kam zu Tage, dass klare Worte die Qualität aller Pflege- und Behandlungsprozesse stützen und Sicherheit sowie Orientierung im Berufsalltag geben. Zudem transportieren die Wortwahl und auch die Körpersprache die berufliche Identität der Pflege in der Kommunikation mit Patientinnen und Mitarbeitenden.
Projektablauf
Das Projekt umfasste drei Ansätze: Die Mitarbeitenden trafen zunächst eine persönliche Einschätzung zum Thema „Berufsstolz“, um ein initiales Stimmungsbild zu erzeugen. Die Erhebung orientierte sich an pflegewissenschaftlichen Kriterien:[1]
- „Ich bin stolz darauf, eine Pflegefachperson/ eine Fachfrau/-mann Pflege/ eine Pflegeassistentin zu sein.“
- „Ich kann mein Fachwissen und meine Fähigkeiten in der täglichen Pflege sichtbar machen.“
- „Ich fühle mich sicher in professioneller Kommunikation (spezifisch gefragt: mit Patientinnen, im Pflegeteam, im interdisziplinären Team).“
In den folgenden Ansätzen wurde die Einstellung zum Berufsstolz im Rahmen von individuellen Praxisbegleitungen fokussiert und vom Team in spezifische Situationen des Pflegealltags reflektiert.
Breit gefächertes Ergebnis
Die Selbsteinschätzung der Befragten bezüglich des Vorhandenseins von Berufsstolz hat mit 96 Prozent einen hohen Wert ausgewiesen. Die Sichtbarkeit des Fachwissens ist demgegenüber nach dem Befragungsergebnis mit 73 Prozent etwas abgefallen.
In puncto Kommunikation spaltete sich das Votum: die Sicherheit der Kommunikation mit Patientinnen/Patienten wurde von 73 Prozent der Teilnehmenden als überwiegend positiv eingestuft, während der Wert zur kommunikativen Qualität innerhalb der eigenen Berufsgruppe dahinter mit 62 Prozent leicht abfiel. Am schlechtesten wurde die Sicherheit bei der interprofessionellen Kommunikation, insbesondere an der Schnittstelle zum Arztdienst eingeschätzt (27 Prozent).
Veränderungsbedarf und Veränderungspotenzial
Vor allem würden die relativ geringe Entlohnung die hohen Arbeitszeitbelastungen den Arbeitsalltag vieler Pflegekräfte negativ prägen, weswegen der Wunsch nach Lohnerhöhungen und Personalverstärkung auf der Prioritätenliste an erster Stelle rangierte. Daran schloss sich der Wunsch nach der Intensivierung des Mitarbeiteraustausches und der Besuchsfrequenz von Fort- und Weiterbildungen an.
Die Verbesserung der Patienten- und Angehörigenkommunikation könne durch die Gewährung großzügiger Zeitkorridore sichergestellt werden, damit die Bedürfnisse besser erfasst und verarbeitet werden können. Auf der fachlichen Ebene votierte die Projektgruppe eindeutig für die konsequente Planung und Umsetzung der Pflege unter Einbezug von Pflegediagnosen und eine bessere Planung durch eine optimierte Delegation von Tätigkeiten.
Dies erfordere nicht zuletzt auch an klare Regelung von Zuständigkeiten zwischen dem ärztlichen und pflegerischen Dienst. Die zum Teil schlechte Verfügbarkeit der Ärzte könne durch den verstärkten Einsatz digitaler Hilfsmittel optimiert werden.
Projektergebnis
Die zentrale Erkenntnis des Projekts war, dass Pflegemitarbeitende in der Wissensweitergabe und in der interprofessionellen Zusammenarbeit noch stärker die Prozessverantwortung eingebunden werden sollen. Besonders in Situationen der Arbeitsverdichtung und bei hohem Zeitdruck ist die verantwortliche Übernahme von qualifizierten Aufgaben zur reibungslosen Koordinierung der Abläufe von eminenter Bedeutung.
Dabei ist die kompetente Kommunikation unverzichtbar. Vor allem bei der proaktiven Zusammenarbeit mit dem Arztdienst steht ein ganzheitliches, personenzentriertes Handeln im Vordergrund.
Fazit
Der Impuls aus dem Wettbewerb „Berufsstolz Pflege“ hat bei den Mitgliedern der Projektgruppe aus Aarau wichtige Denk- und Handlungsprozesse ins Rollen gebracht. Besonders die Bedeutung der Prozessverantwortung als Merkmal der professionellen Pflege ist allen Beteiligten verstärkt ins Bewusstsein gerückt.
Zu Tage kam außerdem, dass sich der Grad der Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit durch die Anerkennung von außen auf der Basis eines gesunden Selbstbewusstseins der Pflegeprofession bemisst. Wird an beiden Stellschrauben nachgebessert, steht der gebührenden Einordnung der pflegerischen Berufsbilder das System der Gesundheitsversorgung nichts im Wege.
Quellen:
- Quernheim G, Zegelin A.: Berufsstolz in der Pflege. 2. Aufl. 2021 Hogrefe AG (Verlag). Neuauflage für 2024 angekündigt.