Das wichtigste dieser Kriterien ist der sogenannte morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA), ein Ausgleich nach Krankheitslast (lat. morbidus = krank). Im Durchschnitt bekommen die Krankenkassen pro Versichertem 170 Euro zugewiesen. Dieser Betrag kann nach oben oder unten abweichen, je nachdem ob jemand eine bestimmte Krankheit hat. Eingeteilt wird dabei nicht der einzelne, sondern bestimmte Bevölkerungsgruppen und Kohorten. Es gibt eine Liste mit Krankheiten, auf der insbesondere in der Behandlung teure oder chronische Krankheiten verzeichnet sind.
Manipulationsanreize begrenzen
Gemeinsam mit den Betriebs- und Innungskrankenkassen fordern die Ersatzkassen grundlegende Reformen des Morbi-RSA. Fehlstellungen führen seit Jahren zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen, die zulasten der Versicherten gehen. Im Jahr 2015 betrug die Unterdeckung allein bei den Ersatzkassen minus 644 Millionen Euro, während die AOK eine Überdeckung von über einer Milliarde Euro aufweisen konnte.
Der Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) begrüßt, dass im nun beschlossenen Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) Regelungen vorgesehen sind, die die Voraussetzungen dafür schaffen, den Morbi-RSA zu reformieren und die Manipulationsanreize zu begrenzen. Anlässlich der Anhörung im Gesundheitsausschuss erklärte vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner: „Der Morbi-RSA sollte keinerlei Anreize zur Diagnosebeeinflussung durch Ärzte und Krankenkassen bieten. Das setzt allerdings voraus, dass die Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern gegen mögliche Verstöße gleichermaßen vorgehen. Auch sollten die ambulanten Diagnosen anhand von verbindlichen Kodier-Richtlinien nach klaren und nachvollziehbaren Kriterien verschlüsselt werden.“
Kassen sollen nach Regionen unterscheiden
Noch wichtiger sei es aber, das Problem an den Wurzeln zu packen und zwar durch eine andere Auswahl der sogenannten morbi-relevanten Krankheiten, so Elsner. Dabei sollte man sich mehr als heute auf die kostenintensivsten Krankheiten konzentrieren, bei denen die Diagnosevergabe weniger manipulationsanfällig ist.
Eine zentrale Forderung der Ersatzkassen ist zudem die Einführung einer Regionalkomponente als Versorgungsstrukturkomponente beim Morbi-RSA, die die unterschiedlichen Versorgungs- und Kostenstrukturen auf dem Land und in den Städten einbezieht. Die vdek-Vorstandsvorsitzende begrüßte es daher, dass mit dem HHVG auch Regionalkennzeichen von den Krankenkassen erhoben werden sollen, um damit regionale Analysen zu ermöglichen. Das sei ein erster wichtiger Schritt in Richtung Regionalkomponente.
„Der RSA ist für Beitragsunterschiede nicht verantwortlich“
Für völlig verfehlt hält Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, die jüngste Debatte um den Morbi-RSA und die wirtschaftliche Lage der Krankenkassen.
„Wer den Risikostrukturausgleich als Ursache für die Unterschiede bei Beitragssätzen und Vermögensrücklagen von Krankenkassen bezeichnet, betreibt Legendenbildung“, stellt Litsch klar. Denn vor Einführung der Morbiditätsorientierung im RSA seien die Beitragsunterschiede viel deutlicher ausgefallen. Beitragssatzunterschiede im Kassenwettbewerb seien politisch gewollt, und eine Beitragssatzspanne von derzeit 1,5 Prozentpunkten sei kein Skandal, sondern Ausdruck unterschiedlicher Geschäftsmodelle und Unternehmensstrategien.
„Kassen haben versäumt, ihr Geschäftsmodell weiterzuentwickeln“
Auswertungen des AOK-Bundesverbandes zeigen, dass der Wettbewerb innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) derzeit eher ruhig verläuft. Das Preisniveau ist überwiegend stabil, von einer Erhöhung der Zusatzbeiträge sind Anfang des Jahres nur 6,7 Prozent der GKV-Versicherten betroffen gewesen, ohne den AOK-Anteil sogar nur 2,4 Prozent. Zudem führt eine Marktbetrachtung nach Kassenarten in die Irre. Die größten Beitragssatzunterschiede bestehen nicht etwa zwischen, sondern innerhalb der Kassenarten. So gibt es unter den Betriebskrankenkassen gleichzeitig die günstigste mit 0,3 Prozent und die teuerste Kasse mit 1,8 Prozent. Auch beim Gesamtvermögen je Versichertem stehen neun BKKs in den Top 10.
„Trotzdem machen einige Kassenmanager den RSA dafür verantwortlich, dass ihre Kasse nicht mehr so glänzt wie früher, als sich Risikoselektion noch lohnte“, kritisiert Litsch. „Damit wird verschleiert, dass sie es bisher versäumt haben, ihr Geschäftsmodell erfolgreich fortzuentwickeln. Denn heute kann eine Kasse viele chronisch Kranke versichern, ohne dass ihr daraus ein Nachteil entsteht. Wenn diese Krankenkasse das Versorgungsmanagement beherrscht und mit Ärzten, Kliniken, Pharma etc. partnerschaftlich und erfolgreich verhandelt, kann das sogar zu Wettbewerbsvorteilen führen.“
Quelle: presseportal.de, vdek, der-gesundheitsfonds.de