Frühmobilisierung Intensivstation
Vorbe­rei­tun­gen für eine Frühmo­bi­li­sie­rung des Patien­ten einer Inten­siv­sta­tion (Symbol­bild). Bild: Viaches­lav Iacobchuk/Dreamstime

Inmit­ten der aktuel­len Heraus­for­de­run­gen der Frühmo­bi­li­sie­rung auf den Inten­siv­sta­tio­nen liegt eine dringende Notwen­dig­keit, die Patien­ten so früh wie möglich in Bewegung zu bringen. Dieser wichtige Schritt kann dazu beitra­gen, Kompli­ka­tio­nen zu reduzie­ren, die Genesung zu beschleu­ni­gen und die langfris­tige Rehabi­li­ta­tion zu verbes­sern. Trotz des zuneh­men­den Bewusst­seins für die Vorteile der Frühmo­bi­li­sie­rung stehen Ärzte, Pflege­kräfte sowie Thera­peu­ten vor der Heraus­for­de­rung in der Umset­zung.

Die aktuelle Studi­en­lage zeigt eine wachsende Anerken­nung der positi­ven Auswir­kun­gen, der Frühmo­bi­li­sie­rung, auf die Patien­ten­ver­sor­gung und Genesung. Mehrere Studien zeigten, dass frühe Mobili­sie­rung bereits auf der Inten­siv­sta­tion zu signi­fi­kan­ter Verrin­ge­rung verschie­dens­ter Sekun­där­kom­pli­ka­tion und sogar der Liege­dauer führt.

Schon früh wusste man über die positi­ven Auswir­kun­gen der Frühmo­bi­li­sie­rung Bescheid. Nichts­des­to­trotz gibt es immer noch Hinder­nisse in der konse­quen­ten Durch­füh­rung der Frühmo­bi­li­sie­rung auf Inten­siv­sta­tio­nen. Um dem entge­gen­zu­wir­ken, erkannte man schnell, dass ein Tool, ein objek­ti­ver Leitfa­den in der Praxis benötigt wird um den Anwen­dern Unter­stüt­zung zu bieten in der Entschei­dung: wann sie wie mit der Durch­füh­rung der Mobili­sie­rung begin­nen können.

Stufe Aktivi­tät Ziel
1 Passiv Prophy­la­xen
Anbah­nung
2 Passiv-assis­tiv Wahrneh­mung
Koordi­na­tion
3 Assis­tiv-aktiv Kraft
4 Aktiv ADL
5 Aktiv Gang
Selbst­stän­dig­keit
Abbil­dung: Marbur­ger Stufen­kon­zept.

Eines der ersten Modelle für einen solchen Leitfa­den war das Marbur­ger Stufen­kon­zept.[1] Hierzu durften wir uns die Exper­ten­mei­nung der Mitbe­grün­de­rin Silke Filipo­vic zu diesem Stufen­kon­zept einho­len.

Sie berich­tet uns, dass Ihr schon 2004 die Heraus­for­de­rung der Frühmo­bi­li­sie­rung auf der Inten­siv­sta­tion bewusst war. Nachdem Sie damals die Leitung des Physio­teams im Marbur­ger Univer­si­täts­kli­ni­kum übernom­men hatte, wurden Ihr die Schwie­rig­kei­ten der Frühmo­bi­li­sie­rung noch klarer vor Augen geführt. Das war der Moment, indem sie wusste: Es muss etwas verän­dert werden.

Danach kam es zu den ersten Ideen für das Marbur­ger Stufen­kon­zept. Dem wissen­schaft­li­chen Team war bewusst, es wurde ein objek­ti­ves Verfah­ren benötigt, unabhän­gig von der Erfah­rung des Anwen­ders.

Es sollte ein Hilfs­mit­tel gestal­tet werden, das jedem die Möglich­keit bietet, ohne Zweifel die richtige Mobili­sie­rung starten und durch­füh­ren zu können. Da man festge­stellt hatte, dass es in diesem Bereich die größten Hürden gab. Viele Anwen­der wussten nicht, wo man anfan­gen sollte, geschweige denn wie man die Frühmo­bi­li­sie­rung starten sollte.

Es gibt für viele Verfah­ren auf der Inten­siv­sta­tion Bewer­tungs­ka­las, doch damals gab es eine solche für die Mobili­sie­rung noch nicht. Das Konstrukt des Stufen­kon­zep­tes ist klar, und angelehnt an das, was die Anwen­der schon kennen. Einfach erklärt bewer­tet nun der Anwen­der die Ressource seines Patien­ten, legt dann ein realis­tisch erreich­ba­res Ziel fest und mithilfe der Bewer­tungs­skala bekommt dieser einen Vorschlag zur Durch­füh­rung.

Angelehnt an dieses Stufen­kon­zept wurden noch mehrere Bewer­tungs­ka­las entwi­ckelt. Auch Silke Filipo­vic berich­tet, Ihr Konzept war damals auf der Grund­lage der damali­gen EU-Leitli­nie begrün­det worden.

Mittler­weile besser bekannt ist wohl der CPAx Score (Chelsea criti­cal care physi­cal assess­ment tool),[2] der unter anderem basie­rend auf dem Stufen­kon­zept weiter­ent­wi­ckelt worden ist. Mit der Zeit hat man festge­stellt, dass der Zustand des Patien­ten vor einer OP zum Beispiel fast wichti­ger für das Outcome des Patien­ten ist als der Start der Frühmo­bi­li­sie­rung. Mit dem Prinzip „better in = better out“, bietet der CPAx Score eine objek­tive Einschät­zugs­skala basie­rend auf vier Varia­blen, um das Risiko von Kompli­ka­tio­nen bei Patien­ten nach Opera­tio­nen besser einschät­zen zu können.

CPAx Score
Abbil­dung: CPAx Score (Chelsea criti­cal care physi­cal assess­ment tool).

Die wohl meist­be­kannte Mobili­sie­rungs­skala ist die inter­na­tio­nal einge­setzte ICU Mobility Scale auf den Inten­siv­sta­tio­nen. Auch diese wird in der Medizin einge­setzt, um die Mobili­tät von Patien­ten zu bewer­ten. Unter anderem ermög­licht diese Skala dem medizi­ni­schen Perso­nal die Fortschritte der Patien­ten in Bezug auf ihre Mobili­tät zu beurtei­len. Zudem geht dieses Bewer­tungs­sys­tem tiefer auf die Beurtei­lung der Wirksam­keit der Behand­lung ein, um im Anschluss das Rehabi­li­ta­ti­ons­pro­gramm besser anpas­sen zu können.

Aus all diesen Recher­chen geht einher, dass objek­tive Bewer­tungs­ska­len eine Notwen­dig­keit sind, um eine adäquate Frühmo­bi­li­sie­rung auf den Inten­siv­sta­tio­nen durch­füh­ren zu können. Solche objek­ti­ven Hilfs­mit­tel braucht es, um dem Anwen­der einen Leitfa­den zur Unter­stüt­zung geben zu können.

Auch Silke Filipo­vic erzählt uns, dass die Einfüh­rung des Marbur­ger Stufen­kon­zep­tes damals gut in der Praxis angenom­men wurde. Hierdurch wird klar wie notwen­dig wissen­schaft­li­ches Arbei­ten ist, um die Heraus­for­de­run­gen in der Praxis im Kranken­haus­all­tag meistern und verbes­sern zu können. Nichts­des­to­trotz machen es die aktuel­len Rahmen­be­din­gen dem medizi­ni­schen Perso­nal nicht leicht alles unter einem Hut zu bringen.

Dennoch ist beson­ders das Bewusst­sein für die Mobili­sie­rung von Schwerst­be­trof­fe­nen auf den Inten­siv­sta­tio­nen gewach­sen. Mittler­weile ist die Frühmo­bi­li­sie­rung ein grund­le­gen­des Element auf den Inten­siv­sta­tio­nen, und mithilfe der objek­ti­ven Bewer­tungs­ska­len einfa­cher in der Durch­füh­rung für den Anwen­der gewor­den.

Quellen:

  1. https://www.fruehmobilisierung.de/
  2. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23219649/