
Der Begriff des „geldwerten Vorteils“
Zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Einkommensteuergesetz (EStG) – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Absatz 1 Satz 2 EStG).
Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nicht selbstständigen Arbeit darstellen (BFH vom 7. Mai 2014 – VI R 73/12 = BFHE 245, 230). Da diese Bezüge als Einkünfte im Sinne des EStG gelten, sind sie grundsätzlich lohnsteuerpflichtig.
Häufig erfolgt die Gewährung der Vorteile durch den Arbeitgeber in Form von Sachbezügen, etwa durch die – lohnsteuerpflichtige – Stellung eines Dienstwagens. Andere Sachbezüge sind unter bestimmten Voraussetzungen lohnsteuerfrei. Schenkt etwa der Arbeitgeber dem angestellten Arzt ein Datenverarbeitungsgerät oder überlässt es ihm zu einem günstigeren Preis, geschieht dies für den angestellten Arzt steuerfrei unter der Voraussetzung, dass sein Arbeitgeber den geldwerten Vorteil pauschal versteuert und dem Arzt das Gerät zusätzlich zum Arbeitslohn überlässt. Zahlt der Arbeitgeber Fortbildungen des angestellten Arztes, ist dies zwar kein Sachbezug im eigentlichen Sinne, aber für den Angestellten steuerfrei, sofern die Fortbildung das Arbeitsgebiet des Arztes betrifft.
Die Mitversicherung angestellter Ärzte in der Betriebshaftpflichtversicherung des Arbeitgebers und die Übernahme der Beiträge durch ihn: ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil des angestellten Arztes?
Unter Berufung auf die Entscheidung des BFH aus 2007 vertraten bundesweit Finanzverwaltungen die Ansicht, dass der angestellte Arzt durch die Übernahme der Versicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber einen steuerpflichtigen Vorteil genieße und erließen gegen die Arbeitgeber Haftungsbescheide wegen nicht abgeführter Lohnsteuer.
2014 entschied aber das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht im Fall angestellter Krankenhausärzte, dass die Mitversicherung in der Betriebshaftpflichtversicherung des Krankenhausträgers keinen geldwerten Vorteil darstelle, da für diese angestellten Ärzte keine Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung nach dem schleswig-holsteinischen Heilberufe- und Kammergesetz bzw. der Landesberufsordnung für Ärzte bestehe, und arbeitete die Unterschiede zu dem Sachverhalt heraus, der dem Urteil des BFH aus dem Jahr 2007 zugrunde lag: Rechtsanwälte sind gemäß § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung gesetzlich verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, sie ist unabdingbar für die Ausübung des Berufs eines (angestellten) Rechtsanwalts. Für Ärzte gibt es keine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer (eigenen) Berufshaftpflichtversicherung auf Bundesebene. Diese Grundsätze gelten für alle angestellten Ärzte, also auch die, die in ambulanten Versorgungsstrukturen (Gemeinschaftspraxis, MVZ oder Ähnliches) tätig sind.
Zwar existieren auf Landesebene Heilberufs- und Kammergesetze bzw. die Berufsordnungen, die für die heilberufliche Tätigkeit einer juristischen Person des Privatrechts (zum Beispiel eingetragener Verein, GmbH oder Ähnliches) verlangen, dass eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung für die juristische Person und die dort tätigen Berufsangehörigen besteht.
Ebenso wird zum Teil geregelt, dass die Kammermitglieder (Ärzte), die ihren Beruf ausüben, eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung sich aus ihrer Berufstätigkeit ergebender Haftpflichtansprüche abzuschließen und während ihrer Berufsausübung aufrechtzuerhalten haben, soweit nicht zur Deckung der Schäden Vorsorge durch eine Betriebshaftpflichtversicherung getroffen ist. Allerdings ergibt sich daraus nicht, dass der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung für angestellte Ärzte unabdingbar für die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ist, wenn sie bereits in der Betriebshaftpflichtversicherung ihres Arbeitgebers versichert sind.
Aus diesen Gründen steht bei der vom Arbeitgeber abgeschlossenen Betriebshaftpflichtversicherung die Abdeckung der eigenen Risiken im Vordergrund. Der Vorteil der angestellten Ärzte (Mitversicherung) erweist sich daher lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung, bei der das betriebliche Eigeninteresse des Arbeitgebers überwiegt. Ein lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil besteht für die angestellten Ärzte nicht.
Revision wurde zurückgewiesen
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Finanzamts wies der BFH mit Urteil vom 19. November 2015 (VI R 47/14 = BFHE 252, 124) zurück. Die Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf die gesetzliche Haftpflicht von Betriebsangehörigen helfe, Spannungen zwischen den Mitarbeitern und dem Versicherungsnehmer (Arbeitgeber) zu vermeiden, die bei ihrer unmittelbaren Inanspruchnahme durch den geschädigten Dritten entstehen können, und diene so letztlich dem Unternehmenswohl.
Regelungszweck des § 102 Absatz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), nach dem sich eine Betriebshaftpflichtversicherung eines Unternehmens auch auf die in einem Dienstverhältnis zum Unternehmen stehenden Personen erstrecke, sei nicht die Zuwendung lohnsteuerrechtlicher Vorteile, sondern die Absicherung unternehmerischer Betätigung durch entsprechende versicherungsrechtliche Regelungen.
Da der Unternehmensbegriff des § 102 VVG weit gefasst ist und auch ambulant tätige Arbeitgeber angestellter Ärzte umfasst, gelten die Feststellungen uneingeschränkt auch in diesem Bereich: Die Mitversicherung angestellter Ärzte in der Betriebshaftpflichtversicherung des Arbeitgebers ist kein Lohn, weil die Mitversicherung keine Gegenleistung für die Beschäftigung darstellt.
Dies hat der BFH im Jahr 2016 (BFH vom 10. März 2016 – VI R 58/14) in einem auch auf Arbeitgeber angestellter Ärzte im ambulanten Bereich anwendbaren Urteil zugunsten einer klagenden Rechtsanwalts-GbR bestätigt.
Ausblick
Die bisher praxisrelevante Frage des geldwerten Vorteils durch die vom Arbeitgeber bediente Berufshaftpflichtversicherung ist beantwortet. Solange es keine bundesgesetzliche Regelung gibt, die zwingend eine Berufshaftpflichtversicherung zur Voraussetzung der ärztlichen Berufsausübung macht oder aber der Arbeitgeber Beiträge der individuellen Berufshaftpflichtversicherung des angestellten Arztes übernimmt, besteht keine Lohnsteuerpflicht.
Von Christian Maus
Zur Person: Dr. iur Christian Maus ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Kanzlei Möller & Partner – Kanzlei für Medizinrecht, Düsseldorf.