Impfstoffe gegen COVID-19
Vakzine verschie­de­ner Herstel­ler gegen COVID-19. Bild: Johaehn/Pixabay

Die Herstel­ler von Corona-Impfstof­fen haften nur bei grober Fahrläs­sig­keit oder Vorsatz. Dagegen klagte ein Mann, der nach eigener Darstel­lung als Folge einer Corona-Impfung einen Hirnin­farkt erlit­ten habe. Am 10. Oktober fand die erste Verhand­lung vor dem Verwal­tungs­ge­richt Köln statt (Az.: 7 K 574/23).

Haftungs­pri­vi­le­gie­rung für Herstel­ler von Impfstof­fen

Im Mai 2020 hatte das Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit (BMG) unter der Leitung des damali­gen Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ters Jens Spahn (CDU) eine Verord­nung beschlos­sen, die einige Bestim­mun­gen des Arznei­mit­tel­ge­set­zes für Corona-Impfstoffe außer Kraft setzt. Darin wird unter anderem festge­legt, dass die Herstel­ler der Impfstoffe nur dann für Folge­schä­den haftbar sind, wenn grobe Fahrläs­sig­keit oder Vorsatz nachge­wie­sen werden kann.

Im Arznei­mit­tel­ge­setz gilt dagegen die sogenannte Gefähr­dungs­haf­tung gemäß § 84 AMG, in der das persön­li­che Verschul­den keine Rolle spielt. Für die Verant­wort­lich­keit bei Schadens­er­satz­an­sprü­chen würde es nach dem Arznei­mit­tel­ge­setz ausrei­chen, dass der Herstel­ler ein Produkt in Umlauf gebracht hat, dass gefähr­li­che Neben- oder Folge­wir­kun­gen haben könnte.

Der Grund für die Änderung des Haftungs­an­spruchs war laut BMG damals die Notwen­dig­keit, Impfstoffe so schnell wir möglich zu beschaf­fen. Das ging nur mit der Koope­ra­tion der Pharma­in­dus­trie, für die die beschleu­nigte Entwick­lung mit Unsicher­hei­ten verbun­den war. Um Risiken für die Indus­trie zu minimie­ren, wurden die Impfstoffe von der Gefähr­dungs­haf­tung ausge­nom­men.

Hunderte von Klagen gegen Biontech und Astra­Ze­neca

Nach einem Bericht der dpa sind bis Juni 2023 etwa 350 Klagen gegen die Herstel­ler von Impfstof­fen einge­reicht worden. Da die Durch­set­zung von Ansprü­chen durch den Ausschluss der Gefähr­dungs­haf­tung deutlich erschwert ist, geht ein Kläger direkt gegen das BMG vor.

Er war im Juli 2021 mit dem Impfstoff Comirnaty von Biontech geimpft worden. Als Folge der Impfung, so der Kläger, habe er einen Hirnin­farkt erlit­ten. Auch sein Sehver­mö­gen und seine Feinmo­to­rik seien bleibend geschä­digt. Wie die FAZ berich­tet, sei der Mann nicht mehr arbeits­fä­hig und bleibe auf Hilfe im Alltag angewie­sen.

Der Anwalt des Klägers argumen­tiert, dass durch die Rechts­ver­ord­nung Prozesserschwer­nisse geschaf­fen wurden, die für Menschen mit Impfschä­den unver­hält­nis­mä­ßig seien. Die Gesamt­zahl der schwe­ren Verläufe sowie die Todes­fälle als Folge einer Corona­in­fek­tion seien zu gering, um die Haftungs­er­leich­te­rung für die Herstel­ler zu recht­fer­ti­gen.

Der Kläger hatte zunächst gegen den Herstel­ler Biontech geklagt, sieht sich aber aufgrund der Verord­nung benach­tei­ligt: Impfge­schä­digte können zwar Ansprü­che gegen den Staat geltend machen, aller­dings nicht auf Schmer­zens­geld klagen. Dadurch seien ihnen – so der Kläger – die finan­zi­el­len Mittel verwehrt, um alle Thera­pie­mög­lich­kei­ten für eine vollstän­dige Genesung auszu­schöp­fen. Das wider­spre­che der Argumen­ta­tion, der Schutz der Impfstoff­her­stel­ler vor Haftung diene auch dem Schutz der Volks­ge­sund­heit.

Des Weite­ren bringt der Kläger­an­walt auch die gerechte Vertei­lung von Risiken und Kosten ins Spiel: Durch den Wegfall der Gefähr­dungs­haf­tung liege ein unver­hält­nis­mä­ßi­ges Risiko beim Bürger, während die Gewinne der Impfkam­pa­gne ausschließ­lich den Pharma­un­ter­neh­men zugute komme. Auch die Kosten eventu­el­ler Schadens­er­satz­an­sprü­che werde aufgrund einer EU-Verein­ba­rung mit der Pharma­in­dus­trie aus dem Bundes­haus­halt finan­ziert, gehe also zulas­ten des Sozial­sys­tems.

Symptome nach Impfung sind allein noch kein Beweis

Zwar sind Neben­wir­kun­gen und Kompli­ka­tio­nen von Impfun­gen keine Selten­heit. Laut dem Paul-Ehrlich-Insti­tut (PEI) lagen bis zum 31.3.2023 insge­samt 340.282 Meldun­gen zu Verdachts­fäl­len von Neben­wir­kun­gen bezie­hungs­weise Impfkom­pli­ka­tio­nen nach einer Impfung gegen COVID-19 vor, 56.432 davon schwer­wie­gend.

Paul-Ehrlich-Institut (PEI)
Paul-Ehrlich-Insti­tut: 340.282 Meldun­gen zu Verdachts­fäl­len liegen vor. Bild: Ph1free

Aller­dings weist das PEI darauf hin, dass „aus der Anzahl der Verdachts­mel­dun­gen nicht darauf geschlos­sen werden kann, dass es sich um eine Neben­wir­kung handelt“: Dass bestimmte Symptome kurz nach der Impfung auftre­ten, ist noch kein Beweis dafür, dass sie durch den Impfstoff verur­sacht wurden.

Bekannte Neben­wir­kun­gen gelten als hinnehm­bar

Selbst wenn der Kläger Arztbe­richte vorle­gen kann, die für einen Impfscha­den sprechen, könnten Gutach­ter in der Verhand­lung zu anderen Ergeb­nis­sen kommen.

Außer­dem gelten zum Zeitpunkt der Impfung bekannte Neben­wir­kun­gen nach der gängi­gen Rechts­spre­chung als hinnehm­bar. So hatte das Oberlan­des­ge­richt Karls­ruhe entschie­den, das aus Schäden, die „nach der Nutzen-Risiko-Bewer­tung als sozial­ad­äquat einge­ord­net werden,“ keine Ansprü­che entste­hen.

Trotz­dem ist der Ausgang der Verfah­rens von weitrei­chen­der Bedeu­tung. Sollte das VG Köln entschei­den, dass die Haftungs­pri­vi­le­gie­rung der Impfstoff­her­stel­ler grund­sätz­lich rechts­wid­rig ist, sind die Kläger einen entschei­den­den Schritt voran­ge­kom­men. Am Ende könnten hohe Forde­run­gen auf die Herstel­ler zukom­men.