
„Ärzte der Welt“ hatte bereits im Februar 2015 Einspruch gegen ein Patent des Sofosbuvir-Herstellers Gilead Sciences vor dem Europäischen Patentamt (EPA) eingereicht. Die EPA-Kommission hatte im Oktober 2016 entschieden, dass die zum Patent angemeldete chemische Formel nicht den rechtlichen Vorgaben entspricht und der Wirkstoff damit nicht mehr in vollem Umfang geschützt ist. Trotz dieses Umstandes verlangt Gilead nach wie vor hohe Preise für das auf Grundlage des Wirkstoffs Sofosbuvir entwickelte Medikament Sovaldi – und die europäischen Regierungen tolerieren es.
Im Juni 2016 hat das Pharmaunternehmen ein zweites Patent beim EPA angemeldet, das den Wirkstoff Sofosbuvir abdeckt. Das Patent schützt die wichtigsten Basisverbindungen, welche essenziell für die Herstellung von Hepatitis‑C-Medikamenten sind. „Ärzte der Welt“ ist überzeugt, dass das Patent nicht den Richtlinien des Europäischen Patentübereinkommens entspricht.
Machtbalance zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen
„Es war das erste Mal, dass eine medizinische Nicht-Regierungsorganisation in Europa Einspruch gegen ein Patent erhoben hat. Wir konnten mit dem Einspruch beim europäischen Patentamt zeigen, dass ein Patent vergeben wurde, obwohl die Bedingungen des Patenterteilungsverfahrens nicht erfüllt waren. Patente sind die Grundlage der überhöhten Preise, die Patienten und Gesundheitssysteme in Europa belasten“, sagt François De Keersmaeker, Direktor von „Ärzte der Welt“ Deutschland. Hatte die erste Anfechtung „Ärzte der Welt“ noch alleine eingereicht, beteiligen sich jetzt 30 zivilgesellschaftliche Organisationen aus 17 europäischen Ländern.
Ist die Patentanfechtung erfolgreich, könnte die Zugänglichkeit des Wirkstoffes Sofosbuvir auf dem europäischen Markt beschleunigt werden. Ferner würde die Aufhebung des Patents Nationalstaaten eine bessere Verhandlungsposition mit Gilead über den Preis des Medikaments verschaffen. Neben der Anfechtung des Patentes setzt sich das Netzwerk von „Ärzte der Welt“ daher dafür ein, dass Regierungen ihre Regulierungsmöglichkeiten nutzen, um eine größere Machtbalance zwischen den Krankenkassen und den Pharmaunternehmen sicherzustellen.
Behandlung kostet bis zu 55.000 Euro
Dazu gehört auch, dass Regierungen bei extrem teuren Medikamenten vom stärksten Rechtsmittel Gebrauch machen, das sie besitzen: Zwangslizenzen. Regierungen können durch dieses Instrument auch ohne Einverständnis des Patentinhabers eine Lizenz erlassen, wenn dies im öffentlichen Interesse ist (§ 24 PatG).
Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind in Europa zwischen 7,3 und 8,8 Millionen Menschen mit Hepatitis C infiziert. Die etwa zwölfwöchige Behandlung von Hepatitis C‑Erkrankten kostet je nach Land bis zu 55.000 Euro. In einigen Ländern Europas sind bereits Zugangsbeschränkungen eingeführt. Weltweit leben über 80 Millionen Menschen mit Hepatitis C, die überteuerten Preise verhindern in vielen Ländern den Zugang zu den lebensrettenden Medikamenten.
Quelle: Presseportal.de