Sturz
Eine Patien­tin auf einem Röntgen­tisch (Symbol­bild) Bild: © Yiannos1 | Dreamstime.com

Sturz war vorpro­gram­miert: Eine Frau hatte wegen einer frühkind­li­chen Menin­gi­tis eine geistige Retar­die­rung und spasti­sche Quadri­ple­gie sowie den Entwick­lungs­zu­stand einer Zweijäh­ri­gen. Aus diesem Grund befand sie sich in einem Pflege­heim.

Im Garten des Pflege­heims stürzte sie nach vorne aus ihrem Rollstuhl, weil sich ihr linker Fuß verfan­gen hatte. Sie erlitt so eine Wunde an der Stirn und eine Beule, weswe­gen sie zur medizi­ni­schen Abklä­rung in ein Kranken­haus gebracht wurde.

Frau stürzt von Röntgen­tisch und erlei­det Fraktur

Während der Röntgen­un­ter­su­chung stürzte die Frau vom Röntgen­tisch. Zu diesem Zeitpunkt war sie alleine und ungesi­chert im Raum.

Weil sich keine Auffäl­lig­kei­ten zeigten, wurde die Frau darauf­hin entlas­sen. Noch im Haus übergab sich die Frau jedoch zweimal und wurde kurzzei­tig bewusst­los, weshalb eine weitere Sturz-Diagnos­tik durch­ge­führt wurde.

Eine erneute Röntgen­dia­gnos­tik zeigte eine Unter­schen­kel­frak­tur, die mit einer Gipsschiene versorgt wurde. Hinweise auf Verlet­zun­gen am Kopf konnten durch CT nicht festge­stellt werden.

Die Frau wurde zur Überwa­chung einige Tage statio­när behan­delt. Ihre gesetz­li­che Betreue­rin drängte auf die Durch­füh­rung einer weite­ren Diagnos­tik mittels Polytrauma-CT. Dem kamen die Verant­wort­li­chen im Kranken­haus nicht nach.

Der Bruder der inzwi­schen verstor­be­nen Frau – ursprüng­lich war sie Kläge­rin – klagt vor dem Landge­richt Nürnberg auf Schmer­zens­geld und Schadens­er­satz.

Vertrag­li­che Neben­pflich­ten wurden nicht erfüllt

Bei der Behand­lung in einem Kranken­haus kommt ein Behand­lungs­ver­trag gemäß §§ 630a ff. BGB zustande. So auch im vorlie­gen­den Fall.

In dem Vertrag sind bestimmte Leistun­gen und Pflich­ten aufge­führt, die die Vertrags­par­teien zu erfül­len haben. Aller­dings ergeben sich auch einige impli­zite vertrag­li­che Neben­pflich­ten (§ 241 Absatz 2 BGB), die genauso einge­hal­ten werden müssen.

Bei der Behand­lung im Röntgen­raum hat der Kranken­haus­be­trei­ber gegen eine solche Neben­pflicht versto­ßen, in dem die Frau alleine auf dem Röntgen­tisch gelas­sen wurde und keine ausrei­chen­den Vorkeh­run­gen zur Vermei­dung eines Sturzes getrof­fen wurden.

Jede Partei hat sich bei der Abwick­lung des Schul­ver­hält­nis­ses so zu verhal­ten, dass Person, Eigen­tum und sonstige Rechts­gü­ter des anderen Teils nicht verletzt werden.

Inwie­weit das behan­delnde ärztli­che und pflege­ri­sche Perso­nal zusätz­li­che Schutz­maß­nah­men hätte ergrei­fen müssen, ist indivi­du­ell zu entschei­den und bedarf sorgfäl­ti­ger Abwägung.

Sturz hätte verhin­dert werden können

So ist beispiels­weise noch lange keine Fixie­rung gerecht­fer­tigt, nur weil bei einer Patien­tin ein laten­tes Sturz­ri­siko besteht. Auf der anderen Seite muss damit gerech­net werden, dass ein zunächst pflege­risch beherrsch­ba­rer Zustand plötz­lich umschwenkt, was eine vorbeu­gende und sichernde Reaktion des Perso­nals erfor­dert.

Mit Blick auf diese Ausfüh­rung kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Beklagte nicht die ihr zumut­ba­ren Sicher­heits­vor­keh­run­gen getrof­fen hat, die ein verstän­di­ger, umsich­ti­ger, vorsich­ti­ger und gewis­sen­haf­ter Kranken­haus­be­trei­ber für ausrei­chend halten darf, um einen Sturz vom Röntgen­tisch zu vermei­den.

Es haben vorher hinrei­chend Gefah­ren­an­zei­chen für eine akute Sturz­ge­fahr vorge­le­gen, die weitere Maßnah­men zur Überwa­chung und Siche­rung nötig gemacht hätten.

Andere Neben­pflich­ten aus dem Behand­lungs­ver­trag hat der Kranken­haus­be­trei­ber aber nicht verletzt. Die Behand­lung hat den anerkann­ten ortho­pä­di­schen und radio­lo­gi­schen Facharzt­stan­dards entspro­chen.

Schmer­zens­geld in Höhe von 7.000 Euro

Unter Würdi­gung aller Umstände ist ein Schmer­zens­geld in Höhe von 7.000 Euro angemes­sen. Außer­dem steht dem Kläger Schadens­er­satz in Höhe von 41,40 Euro zu, wegen den angefal­le­nen Kopier­kos­ten im Zuge der Rechts­ver­fol­gung.

Für eine ausführ­li­che Erklä­rung des Urteils mit allen Entschei­dungs­grün­den werfen Sie gerne einen Blick in die aktuelle Ausgabe der „Rechts­de­pe­sche für das Gesund­heits­we­sen“ vom März/April 2024.

Quelle: LG Nürnberg-Fürth vom 30.03.2023 – 11 O 7141/1