Eine ältere Dame macht sich auf den Weg. (Symbolfoto)
Eine ältere Dame macht sich auf den Weg. (Symbol­foto) Bild: Photo 137012445 © Istvan Balogh – Dreamstime.com

Senio­rin möchte Tochter besuchen und schleicht sich aus Alten­heim hinaus

Was tut man nicht alles für seine Liebs­ten: Um ihrer Tochter persön­lich zum Geburts­tag zu gratu­lie­ren, hat eine 101 Jahre alte Frau am 06. April 2020 ihr Alten­heim in der Braun­schwei­ger Innen­stadt verlas­sen. Nach Infor­ma­tio­nen der Polizei wurde ein Strei­fen­wa­gen zu der offen­bar orien­tie­rungs­lo­sen Senio­rin bestellt. Die Frage, ob sie im nahege­le­ge­nen Pflege­heim wohnen würde, verneinte die Frau. Sie gab ihren Wohnsitz bei ihrer Tochter in Braun­schweig-Rühme an.

Die Beamten nahmen die Senio­rin darauf­hin mit zum Haus ihrer Tochter. Vor Ort bestä­tigte diese jedoch den Verdacht der Polizis­ten. Die Frau wohne tatsäch­lich seit zwei Wochen im angespro­che­nen Senio­ren­heim. Sie sei dort über den Notaus­gang nach draußen gelangt. Sie würde ihre Tochter schmerz­lich vermis­sen. Schließ­lich galten zu Beginn der Corona-Pande­mie Besuchs­ver­bote in den Pflege­ein­rich­tun­gen und Ausgangs­be­schrän­kun­gen für die Bewoh­ner.

Immer­hin: Die Senio­rin konnte ihre Tochter somit aus dem Polizei­auto heraus sehen und ihr gratu­lie­ren. Auf eine Umarmung mussten beide jedoch wegen der Kontakt­ein­schrän­kun­gen verzich­ten. Anschlie­ßend brach­ten die Beamten sie wieder zurück in ihr Heim.

Grund­sätz­lich gilt: Die Bewoh­ner sind im Alten­heim natür­lich nicht „gefan­gen“. Im Normal­fall kann eine im Heim lebende Person frei darüber entschei­den, ob und wann sie das Heim verlässt und wann sie wieder zurück­kommt. Voraus­set­zung ist, dass die Person im Vollbe­sitz ihrer Entschei­dungs­fä­hig­keit ist. Sollte dies nicht der Fall sein, beispiels­weise bei einem psychisch erkrank­ten Patien­ten, können freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men, wie ein Ausgangs­ver­bot, zum Wohle des Betreu­ten angeord­net werden. Dies kann gegeben sein, wenn die Wahrschein­lich­keit besteht, dass sich der Bewoh­ner beim Ausgang selbst tötet, verletzt oder in Gefahr bringt. Ebenso ist eine Zustim­mung des zustän­di­gen Betreu­ers und gegebe­nen­falls sogar eine richter­li­che Geneh­mi­gung des Betreu­ungs­ge­richts notwen­dig (§ 1906 Absatz4 BGB).

Wer trägt die Kosten einer polizei­li­chen Rückbe­för­de­rung?

Immer wieder kommt es vor, dass Heimbe­woh­ner einfach aus dem Heim verschwin­den und sich mögli­cher­weise damit selbst in Gefahr bringen. Werden darauf­hin die Behör­den zu Hilfe gerufen, so haben diese nach dem Polizei- und Ordnungs­be­hör­den­ge­setz des jewei­li­gen Landes die Möglich­keit, die durch­ge­führte Suchak­tion und Rückbe­för­de­rung in Rechnung zu stellen.

Dabei können die Kosten demje­ni­gen aufer­legt werden, der die Verant­wor­tung für die konkrete Situa­tion trägt. Grund­sätz­lich ist dies erst einmal der entlau­fene Bewoh­ner selbst. Aller­dings kann auch die Einrich­tung zur Kosten­er­stat­tung heran­ge­zo­gen werden. Dies setzt voraus, dass eine sogenannte Zweck­ver­an­las­sung im Sinne des Gefah­ren­ab­wehr­rechts angenom­men werden kann, die Einrich­tung also mitver­ant­wort­lich für das Entlau­fen eines Bewoh­ners ist. Im Falle der 101-jähri­gen ist nicht bekannt, ob die Polizei einen Kosten­er­satz für die Rückbe­för­de­rung der Senio­rin in diesem Sinne veran­lasst hat.

Das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Saarlouis hat vor einigen Jahren den Einrich­tungs­trä­ger eines Alten­hei­mes zur Erstat­tung der Rückbe­för­de­rungs­kos­ten verur­teilt (VG Saarlouis vom 28.8.2009 – 6 K 125/09). In diesem Fall war der Einrich­tung vorzu­wer­fen, dass keine ausrei­chen­den Siche­rungs­maß­nah­men gegen das unerlaubte Verschwin­den eines demen­ten Bewoh­ners mit bekann­ter Weglauf­ten­denz getrof­fen worden sind und dieser nicht daran gehin­dert wurde. Die Klage der Einrich­tung wurde vom Verwal­tungs­ge­richt abgewie­sen. Sie hätte nur dann Erfolg gehabt, wenn die Einrich­tung hinrei­chende (techni­sche) Vorkeh­run­gen gegen das Weglau­fen des Bewoh­ners getrof­fen hätte – unter Einwil­li­gung des Bewoh­ners oder dessen Betreu­ers und unter Geneh­mi­gung des Betreu­ungs­ge­richts.

Quelle: Polizei Braun­schweig