Cannabis
Eine Marihua­napflanze Bild: Gad-BM / Pixabay

Die weitge­hende Legali­sie­rung von Marihuana und Haschisch kommt: Nach emotio­na­ler Debatte hat der Bundes­tag mit letzt­lich großer Mehrheit für das kontro­verse Canna­bis­ge­setz der Ampel-Bundes­re­gie­rung gestimmt.

Bei der nament­li­chen Abstim­mung stimm­ten 407 Abgeord­nete dafür, 226 dagegen. Zudem gab es vier Enthal­tun­gen.

  • Voraus­sicht­lich ab 1. April sollen Erwach­sene ab 18 Jahren bis zu 25 Gramm Canna­bis-Produkte mit sich führen dürfen, in der eigenen Wohnung dürfen bis zu drei lebende Canna­bis­pflan­zen gehal­ten werden sowie 50 Gramm Canna­bis zum Eigen­kon­sum.
  • In einer zweiten Stufe, ab 1. Juli, sollen sich die Anbau­ver­ei­ni­gun­gen (die sogenann­ten „Canna­bis Social Clubs“) gründen können, die in Eigen­re­gie und gemein­schaft­lich Canna­bis kulti­vie­ren und bis zu 25 Gramm auf einmal, sowie bis zu 50 Gramm pro Monat, an ihre Mitglie­der abgeben dürfen. Für Heran­wach­sende bis 21 Jahre gelten reduzierte Freimen­gen und Höchst­an­teile von THC, dem Wirkstoff von Canna­bis.

Schutz­vor­schrif­ten sind mit Gesetz verbun­den

Mit dem Gesetz verbun­den sind einige Schutz­vor­schrif­ten. So dürfen die Anbau­ver­ei­ni­gun­gen weder Werbung noch Sponso­ring betrei­ben, das Mindest­al­ter für Mitglie­der liegt bei 18 Jahren.

In Sicht­weite, definiert als bis zu 100 Meter Entfer­nung vom Eingang von Kinder­gär­ten, Schulen, Jugend­zen­tren und Spiel­plät­zen, ist das Kiffen verbo­ten, gleiches gilt auf dem Gelände von Sport­stät­ten (dort aller­dings gibt es keine Schutz­zone im Umkreis). Beglei­tend zur Neure­ge­lung ist eine Aufklä­rungs- und Präven­ti­ons­kam­pa­gne geplant.

Spätes­tens 18 Monate nach Inkraft­tre­ten des Geset­zes – also voraus­sicht­lich Ende 2025 – soll evalu­iert werden, wie sich das Gesetz auf den Jugend­schutz ausge­wirkt hat.

Funde, die nur leicht oberhalb der Freigren­zen liegen, würden als Ordnungs­wid­rig­keit geahn­det, erst deutlich darüber wäre der Besitz straf­bar. Ebenfalls im Gesetz enthal­ten ist eine Amnes­tie im Falle von zurück­lie­gen­den Straf­be­feh­len oder Verur­tei­lun­gen wegen Canna­bis-Delik­ten, die nach neuem Recht straf­frei wären.

Große parla­men­ta­ri­sche Mehrheit für Entwurf – weniger Gegen­stim­men als erwar­tet

Die Mehrheit im Bundes­tag war letzt­lich ungefähr­det und fiel wesent­lich deutli­cher aus als zunächst gedacht. Die 113 an der Abstim­mung teilneh­men­den Abgeord­ne­ten von Bündnis 90/Grünen stimm­ten geschlos­sen für die Neure­ge­lung, unter den 85 Libera­len gab es eine große Mehrheit bei einer Gegen­stimme und zwei Enthal­tun­gen.

Von 182 abstim­men­den SPD-Abgeord­ne­ten stimm­ten vier dagegen, der Rest dafür. Gerade unter den Sozial­de­mo­kra­ten war mit einer viel höheren Ableh­nungs­quote gerech­net worden. Der SPD-Innen­ex­perte Sebas­tian Fiedler, selbst ein Gegner des Geset­zes, der folge­rich­tig mit Nein votierte, hatte eine zweistel­lige Zahl von Gegen­stim­men aus seiner Fraktion angekün­digt.

Auch aus der Opposi­tion verzeich­nete das Gesetz einiges an Zustim­mung: Die 23 mit-abstim­men­den Mitglie­der der Links­par­tei-Gruppe votier­ten geschlos­sen dafür; von der parla­men­ta­ri­schen Gruppe des von der Linken abgespal­te­nen Bündnis­ses Sahra Wagen­knecht (BSW) gab es fünfmal Ja, einmal Nein und eine Enthal­tung.

Gesetz muss noch durch Bundes­rat

Dagegen votier­ten die 167 abstim­men­den CDU/CSU-Abgeord­ne­ten einstim­mig gegen das Gesetz, von der AfD kamen 53 Nein-Stimmen bei einer einzi­gen Zustim­mung. Von den drei frakti­ons­lo­sen ehema­li­gen AfD-Abgeord­ne­ten, die mit abstimm­ten, kamen zweimal Ja und eine Enthal­tung.

Im nächs­ten Schritt kommt das Canna­bis­ge­setz voraus­sicht­lich bei dessen nächs­ter Sitzung am 22. März in den Bundes­rat. Das Gesetz ist nicht zustim­mungs­be­dürf­tig, aller­dings könnte die Länder­kam­mer mit entspre­chen­der Mehrheit den Vermitt­lungs­aus­schuss mit dem Bundes­tag anrufen und das Verfah­ren verzö­gern. In diesem Fall könnte die Neure­ge­lung wohl nicht zum 1. April in Kraft treten.

Das Canna­bis­ge­setz war eines der Wahlver­spre­chen insbe­son­dere von Bündnis 90/Grünen und der FDP, auch deren Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen hatten sich stark für eine Legali­sie­rung von Canna­bis einge­setzt.

Canna­bis: Hitzige Debatte vor Abstim­mung

In der kontro­ver­sen Debatte unter­stri­chen Befür­wor­ter und Gegner des Geset­zes nochmals ihre Stand­punkte. Die derzei­tige recht­li­che Lage sei „in keiner Weise akzep­ta­bel“, so Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach, mit Blick auf steigende Konsum­zah­len und stark dosier­tes, mitun­ter verun­rei­nig­tes Canna­bis aus illega­len Quellen.

„Der Schwarz­markt ist der Kern des Übels.“ Deshalb brauche es ein legales Angebot. Er wies zudem zurück, die Gefah­ren von Canna­bis-Konsum gerade für jüngere Menschen zu verharm­lo­sen. Den Vorwurf, für Kritik unzugäng­lich gewesen zu sein, wies er zurück. Man hätte ihn jeder­zeit in den Gesund­heits­aus­schuss einla­den können, wo er immer rede, dies sei aber nicht passiert.

„Wir beenden die schäd­li­che Verbots­po­li­tik. Wir geben das Hanf frei“, ergänzte die Grünen-Gesund­heits­po­li­ti­ke­rin Kirsten Kappert-Gonther. Laut der FDP-Politi­ke­rin Kristine Lütke entspre­che das Gesetz der gesell­schaft­li­chen Reali­tät. Bei Canna­bis aus Eigen- oder gemein­schaft­li­chem Anbau wisse man, woher es komme; der Weg zum Dealer und zu anderen, härte­ren Drogen würde länger.

Union und AfD protes­tier­ten erneut gegen die Pläne. „Der Kinder- und Jugend­schutz ist in Ihrem Gesetz nicht mehr als ein reines Lippen­be­kennt­nis“, sagte die CDU-Gesund­heits­po­li­ti­ke­rin Simone Borchardt an die Adresse der Ampel­ko­ali­tion. Der Anbau daheim sei nicht kontrol­lier­bar, zudem sei durch den hohen Energie­ein­satz bei der Aufzucht auch die Umwelt­bi­lanz des Canna­bis-Anbaus schlecht. Die Ampel­ko­ali­tion betreibe nur Klima­schutz, wenn es ihr oppor­tun sei, so Borchardt.

Laut CSU-Landes­grup­pen­chef Alexan­der Dobrindt führe die Legali­sie­rung zu mehr Sucht, mehr sozia­len Proble­men und weniger Sicher­heit gerade für junge Menschen. „Dieses Gesetz ist nicht kontrol­lier­bar und ein Geschenk für die organi­sierte Krimi­na­li­tät in Deutsch­land.“ Jörg Schnei­der von der AfD sprach von einem „Konjunk­tur­pro­gramm für das organi­sierte Verbre­chen“.

Möglich­keit zum legalen Kauf fehlt im Gesetz

Anders als in den ursprüng­li­chen Plänen der Ampel­ko­ali­tion fehlt im nun beschlos­se­nen Gesetz die Möglich­keit, Canna­bis zu Genuss­zwe­cken legal in Geschäf­ten oder bei Abgabe­stel­len zu erwer­ben – seien es Apothe­ken, die seit 2017 Canna­bis zu medizi­ni­schen Zwecken auf Rezept ausge­ben, oder bei lizen­zier­ten priva­ten Verkaufs­stel­len.

Dies schei­terte vor allem an EU-Vorga­ben, demnach der Handel mit Drogen schlicht­weg verbo­ten ist, wozu im Regel­werk der EU auch Canna­bis gehört. Die bekann­ten „Coffee­shops“ in den Nieder­lan­den, die an regis­trierte Konsu­men­ten Haschisch und Marihuana abgeben, operie­ren hier in einer europa­recht­li­chen Grauzone.

Für Konsu­men­ten bleibt laut des Geset­zes somit nur die Wahl, Canna­bis selbst anzubauen, einer Anbau­ver­ei­ni­gung beizu­tre­ten oder bei einem Besit­zer von Canna­bis zu „ziehen“. Vor allem die ersten beiden Möglich­kei­ten dürften für nur gelegent­li­che Kiffer unattrak­tiv sein. Auf mittlere Sicht plant die Bundes­re­gie­rung jedoch ein Modell­pro­jekt, wonach in einigen Regio­nen Deutsch­lands Canna­bis wissen­schaft­lich beglei­tet und staat­lich kontrol­liert in Fachge­schäf­ten verkauft werden soll.

Wann dieses kommt, ist völlig offen – nach der parla­men­ta­ri­schen Sommer­pause sollen die Arbei­ten hierzu begin­nen.

Kritik von politi­schen Kommen­ta­to­ren

In einer Bewer­tung des Geset­zes­vor­ha­bens bemän­gelt Jürgen Klöck­ner vom „Handels­blatt“ genau diesen Umstand. „Das Canna­bis-Gesetz ist bürokra­ti­scher Wahnsinn“, folgert er. Hinzu käme die Kontrolle der im Gesetz sehr penibel geregel­ten Mengen- und Abstands­gren­zen. „Müssen Ordnungs­hü­ter künftig mit Stopp­uhr, Maßband und Präzi­si­ons­waage durch die Straßen patrouil­lie­ren? Für sie sind die neuen Regeln ein Drang­sal.“

„Das Ampel­ge­setz ist ein Geschenk an den Schwarz­markt“, folgert Sebas­tian Huld von n‑tv. Das neue Gesetz verfehle abseh­bar zwei seiner zentra­len Ziele: die Verbes­se­rung des Jugend­schut­zes und der Eindäm­mung des illega­len Marktes. Weil der Erwerb von Canna­bis kompli­ziert bleibe, das Mitfüh­ren von Canna­bis an sich aber erlaubt werde, gebe es „schlag­ar­tig kaum noch eine polizei­li­che Handhabe gegen Dealer“.

„Als Tiger gestar­tet – als Bettvor­le­ger gelan­det“, resümiert Hasso Suliak für die Legal Tribune Online (LTO). Die Neure­ge­lung und weitge­hende Legali­sie­rung an sich sei zu begrü­ßen, weil er den Verfol­gungs­druck von Millio­nen gelegent­li­cher Kiffer nehme. „Es geht auch um einen längst überfäl­li­gen, entspann­te­ren Umgang mit Millio­nen von Menschen, die in Deutsch­land Canna­bis konsu­mie­ren – ohne dass das Land deshalb zu einer Klaps­mühle gewor­den wäre.

Diese Menschen haben die Straf­rechts­keule schlicht­weg nicht verdient!“ Das Gesetz sei jedoch hoffnungs­los überre­gu­liert und werde vor den Gerich­ten für absur­deste Strei­tig­kei­ten rund um Mengen­gren­zen oder Mindest­ab­stände vor geschütz­ten Jugend­ein­rich­tun­gen sorgen. Letzt­lich sei die vorlie­gende Neure­ge­lung jedoch besser, als gar keine Legali­sie­rung.

Quellen: Bundes­tag, Bundes­pres­se­amt, RND