Die weitgehende Legalisierung von Marihuana und Haschisch kommt: Nach emotionaler Debatte hat der Bundestag mit letztlich großer Mehrheit für das kontroverse Cannabisgesetz der Ampel-Bundesregierung gestimmt.
Bei der namentlichen Abstimmung stimmten 407 Abgeordnete dafür, 226 dagegen. Zudem gab es vier Enthaltungen.
- Voraussichtlich ab 1. April sollen Erwachsene ab 18 Jahren bis zu 25 Gramm Cannabis-Produkte mit sich führen dürfen, in der eigenen Wohnung dürfen bis zu drei lebende Cannabispflanzen gehalten werden sowie 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum.
- In einer zweiten Stufe, ab 1. Juli, sollen sich die Anbauvereinigungen (die sogenannten „Cannabis Social Clubs“) gründen können, die in Eigenregie und gemeinschaftlich Cannabis kultivieren und bis zu 25 Gramm auf einmal, sowie bis zu 50 Gramm pro Monat, an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Für Heranwachsende bis 21 Jahre gelten reduzierte Freimengen und Höchstanteile von THC, dem Wirkstoff von Cannabis.
Schutzvorschriften sind mit Gesetz verbunden
Mit dem Gesetz verbunden sind einige Schutzvorschriften. So dürfen die Anbauvereinigungen weder Werbung noch Sponsoring betreiben, das Mindestalter für Mitglieder liegt bei 18 Jahren.
In Sichtweite, definiert als bis zu 100 Meter Entfernung vom Eingang von Kindergärten, Schulen, Jugendzentren und Spielplätzen, ist das Kiffen verboten, gleiches gilt auf dem Gelände von Sportstätten (dort allerdings gibt es keine Schutzzone im Umkreis). Begleitend zur Neuregelung ist eine Aufklärungs- und Präventionskampagne geplant.
Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes – also voraussichtlich Ende 2025 – soll evaluiert werden, wie sich das Gesetz auf den Jugendschutz ausgewirkt hat.
Funde, die nur leicht oberhalb der Freigrenzen liegen, würden als Ordnungswidrigkeit geahndet, erst deutlich darüber wäre der Besitz strafbar. Ebenfalls im Gesetz enthalten ist eine Amnestie im Falle von zurückliegenden Strafbefehlen oder Verurteilungen wegen Cannabis-Delikten, die nach neuem Recht straffrei wären.
Große parlamentarische Mehrheit für Entwurf – weniger Gegenstimmen als erwartet
Die Mehrheit im Bundestag war letztlich ungefährdet und fiel wesentlich deutlicher aus als zunächst gedacht. Die 113 an der Abstimmung teilnehmenden Abgeordneten von Bündnis 90/Grünen stimmten geschlossen für die Neuregelung, unter den 85 Liberalen gab es eine große Mehrheit bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen.
Von 182 abstimmenden SPD-Abgeordneten stimmten vier dagegen, der Rest dafür. Gerade unter den Sozialdemokraten war mit einer viel höheren Ablehnungsquote gerechnet worden. Der SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler, selbst ein Gegner des Gesetzes, der folgerichtig mit Nein votierte, hatte eine zweistellige Zahl von Gegenstimmen aus seiner Fraktion angekündigt.
Auch aus der Opposition verzeichnete das Gesetz einiges an Zustimmung: Die 23 mit-abstimmenden Mitglieder der Linkspartei-Gruppe votierten geschlossen dafür; von der parlamentarischen Gruppe des von der Linken abgespaltenen Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) gab es fünfmal Ja, einmal Nein und eine Enthaltung.
Gesetz muss noch durch Bundesrat
Dagegen votierten die 167 abstimmenden CDU/CSU-Abgeordneten einstimmig gegen das Gesetz, von der AfD kamen 53 Nein-Stimmen bei einer einzigen Zustimmung. Von den drei fraktionslosen ehemaligen AfD-Abgeordneten, die mit abstimmten, kamen zweimal Ja und eine Enthaltung.
Im nächsten Schritt kommt das Cannabisgesetz voraussichtlich bei dessen nächster Sitzung am 22. März in den Bundesrat. Das Gesetz ist nicht zustimmungsbedürftig, allerdings könnte die Länderkammer mit entsprechender Mehrheit den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und das Verfahren verzögern. In diesem Fall könnte die Neuregelung wohl nicht zum 1. April in Kraft treten.
Das Cannabisgesetz war eines der Wahlversprechen insbesondere von Bündnis 90/Grünen und der FDP, auch deren Jugendorganisationen hatten sich stark für eine Legalisierung von Cannabis eingesetzt.
Cannabis: Hitzige Debatte vor Abstimmung
In der kontroversen Debatte unterstrichen Befürworter und Gegner des Gesetzes nochmals ihre Standpunkte. Die derzeitige rechtliche Lage sei „in keiner Weise akzeptabel“, so Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, mit Blick auf steigende Konsumzahlen und stark dosiertes, mitunter verunreinigtes Cannabis aus illegalen Quellen.
„Der Schwarzmarkt ist der Kern des Übels.“ Deshalb brauche es ein legales Angebot. Er wies zudem zurück, die Gefahren von Cannabis-Konsum gerade für jüngere Menschen zu verharmlosen. Den Vorwurf, für Kritik unzugänglich gewesen zu sein, wies er zurück. Man hätte ihn jederzeit in den Gesundheitsausschuss einladen können, wo er immer rede, dies sei aber nicht passiert.
„Wir beenden die schädliche Verbotspolitik. Wir geben das Hanf frei“, ergänzte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther. Laut der FDP-Politikerin Kristine Lütke entspreche das Gesetz der gesellschaftlichen Realität. Bei Cannabis aus Eigen- oder gemeinschaftlichem Anbau wisse man, woher es komme; der Weg zum Dealer und zu anderen, härteren Drogen würde länger.
Union und AfD protestierten erneut gegen die Pläne. „Der Kinder- und Jugendschutz ist in Ihrem Gesetz nicht mehr als ein reines Lippenbekenntnis“, sagte die CDU-Gesundheitspolitikerin Simone Borchardt an die Adresse der Ampelkoalition. Der Anbau daheim sei nicht kontrollierbar, zudem sei durch den hohen Energieeinsatz bei der Aufzucht auch die Umweltbilanz des Cannabis-Anbaus schlecht. Die Ampelkoalition betreibe nur Klimaschutz, wenn es ihr opportun sei, so Borchardt.
Laut CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt führe die Legalisierung zu mehr Sucht, mehr sozialen Problemen und weniger Sicherheit gerade für junge Menschen. „Dieses Gesetz ist nicht kontrollierbar und ein Geschenk für die organisierte Kriminalität in Deutschland.“ Jörg Schneider von der AfD sprach von einem „Konjunkturprogramm für das organisierte Verbrechen“.
Möglichkeit zum legalen Kauf fehlt im Gesetz
Anders als in den ursprünglichen Plänen der Ampelkoalition fehlt im nun beschlossenen Gesetz die Möglichkeit, Cannabis zu Genusszwecken legal in Geschäften oder bei Abgabestellen zu erwerben – seien es Apotheken, die seit 2017 Cannabis zu medizinischen Zwecken auf Rezept ausgeben, oder bei lizenzierten privaten Verkaufsstellen.
Dies scheiterte vor allem an EU-Vorgaben, demnach der Handel mit Drogen schlichtweg verboten ist, wozu im Regelwerk der EU auch Cannabis gehört. Die bekannten „Coffeeshops“ in den Niederlanden, die an registrierte Konsumenten Haschisch und Marihuana abgeben, operieren hier in einer europarechtlichen Grauzone.
Für Konsumenten bleibt laut des Gesetzes somit nur die Wahl, Cannabis selbst anzubauen, einer Anbauvereinigung beizutreten oder bei einem Besitzer von Cannabis zu „ziehen“. Vor allem die ersten beiden Möglichkeiten dürften für nur gelegentliche Kiffer unattraktiv sein. Auf mittlere Sicht plant die Bundesregierung jedoch ein Modellprojekt, wonach in einigen Regionen Deutschlands Cannabis wissenschaftlich begleitet und staatlich kontrolliert in Fachgeschäften verkauft werden soll.
Wann dieses kommt, ist völlig offen – nach der parlamentarischen Sommerpause sollen die Arbeiten hierzu beginnen.
Kritik von politischen Kommentatoren
In einer Bewertung des Gesetzesvorhabens bemängelt Jürgen Klöckner vom „Handelsblatt“ genau diesen Umstand. „Das Cannabis-Gesetz ist bürokratischer Wahnsinn“, folgert er. Hinzu käme die Kontrolle der im Gesetz sehr penibel geregelten Mengen- und Abstandsgrenzen. „Müssen Ordnungshüter künftig mit Stoppuhr, Maßband und Präzisionswaage durch die Straßen patrouillieren? Für sie sind die neuen Regeln ein Drangsal.“
„Das Ampelgesetz ist ein Geschenk an den Schwarzmarkt“, folgert Sebastian Huld von n‑tv. Das neue Gesetz verfehle absehbar zwei seiner zentralen Ziele: die Verbesserung des Jugendschutzes und der Eindämmung des illegalen Marktes. Weil der Erwerb von Cannabis kompliziert bleibe, das Mitführen von Cannabis an sich aber erlaubt werde, gebe es „schlagartig kaum noch eine polizeiliche Handhabe gegen Dealer“.
„Als Tiger gestartet – als Bettvorleger gelandet“, resümiert Hasso Suliak für die Legal Tribune Online (LTO). Die Neuregelung und weitgehende Legalisierung an sich sei zu begrüßen, weil er den Verfolgungsdruck von Millionen gelegentlicher Kiffer nehme. „Es geht auch um einen längst überfälligen, entspannteren Umgang mit Millionen von Menschen, die in Deutschland Cannabis konsumieren – ohne dass das Land deshalb zu einer Klapsmühle geworden wäre.
Diese Menschen haben die Strafrechtskeule schlichtweg nicht verdient!“ Das Gesetz sei jedoch hoffnungslos überreguliert und werde vor den Gerichten für absurdeste Streitigkeiten rund um Mengengrenzen oder Mindestabstände vor geschützten Jugendeinrichtungen sorgen. Letztlich sei die vorliegende Neuregelung jedoch besser, als gar keine Legalisierung.
Quellen: Bundestag, Bundespresseamt, RND