Arbeitgeberin: „Präsenzarbeit nur mit Impfnachweis“
Eine Frau arbeitete als angestellte Beraterin für betriebliche Gesundheitsförderung und stand im engen Kontakt mit den Mitarbeitenden der Pflegeeinrichtungen, die sie besuchte. Sie war Teil eines achtköpfigen Teams plus Teamleiter, das wegen der Coronapandemie zwischenzeitlich im Homeoffice arbeiten musste und von dort aus die Einrichtungen beriet. Ab Februar 2021 durften sie wieder die Einrichtungen der Pflegebranche besuchen. Die Arbeitgeberin verschaffte deshalb allen Mitarbeitenden frühzeitige Impfangebote.
Im Oktober 2021 informierte die Arbeitgeberin die Frau und die restlichen Mitarbeitenden darüber, dass ab 1. November nur noch diejenigen Kundentermine vor Ort wahrnehmen dürften, die auch gegen das Coronavirus geimpft seien. Es sei Aufgabe der Teamleiter, dies in enger Absprache mit den Teammitgliedern abzusprechen.
Kurz darauf meldete sich die Frau bei ihrem Teamleiter und gab ihm gegenüber an „mittlerweile geimpft“ zu sein und dass in Bezug auf Präsenzbesuche in Pflegeeinrichtungen „alles safe“ sei. Noch legte sie keinen tatsächlichen Impfnachweis vor. Daraufhin absolvierte sie etliche Besuche in Pflegeeinrichtungen – unter anderem für Senioren. Eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes sorgte schließlich dafür, dass die Betriebe nur noch mit einem gültigen 3‑G-Nachweis betreten werden konnten. Die Frau musste deshalb bei der Personalabteilung ihrer Arbeitgeberin einen Impfausweis vorlegen. Dieser wurde einer Chargenabfrage unterzogen.
Wenige Tage später wurde die Frau zu einem Personalgespräch eingeladen aufgrund von „Unstimmigkeiten zu den Impfeinträgen der COVID-19-Impfung“. Die Frau lehnte es zunächst ab, sich zu ihrem Impfnachweis zu äußern. Auf weitere Nachfrage, wie sie an einen Impftermin am 5. März 2021 gekommen sei, wo doch damals noch die Priorisierung älterer Menschen galt, antwortete sie, sie habe Termine ohne Probleme online buchen können.
Frau fälscht Impfnachweis und wird gekündigt
Mit Verweis auf die Chargennummer eröffnete ihr die Arbeitgeberin, dass die Frau unter Verdacht stehe, ihre Impfeintragungen gefälscht zu haben. Man bot ihr einen Aufhebungsvertrag und ein gutes Zeugnis an, sollte sie ihr Fehlverhalten einräumen. Bis zuletzt wies sie die Vorwürfe von sich. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis zur Frau fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Vor Gericht setzte sich die Frau gegen die Kündigung zur Wehr und gab an, sie habe sich vor jedem Betriebsbesuch von geschultem Personal auf Covid-19 testen lassen und es somit an einem Kündigungsgrund fehle. Zudem sei zunächst eine Abmahnung angebracht gewesen, da es vorher auch nie zu Problemen gekommen sei. Die Klägerin beantragte deshalb die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und die Weiterbeschäftigung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung.
Das Gericht ist – entgegen der Ansicht der Klägerin – zu dem Schluss gekommen, dass die Kündigung sehr wohl durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB gerechtfertigt ist. Der Grund ist deshalb gegeben, weil die Klägerin in schwerwiegender Weise ihre vertraglichen Nebenpflichten nach § 241 Absatz 2 BGB verletzte.
Sie war bereit, andere vorsätzlich in Gefahr zu bringen
Die Klägerin hat ohne Corona-Impfung in neun Fällen Außenbesuche bei Kundinnen und Kunden durchgeführt. Sie handelte damit pflichtwidrig, weil sie zum einen sich selbst und andere gesundheitlich gefährdete und zum anderen die Geschäftsinteressen ihrer Arbeitgeberin verletzte, da ihr Verhalten zu einem massiven Vertrauensverlust hätte führen können.
Die Entscheidung der Arbeitgeberin, einen Impfnachweis von ihren Mitarbeitenden zu verlangen, ist auch unabhängig von den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes legitim. Diese Unternehmerentscheidung ist nach Artikel 14 Absatz 1 GG gerechtfertigt und in dieser Weise weder willkürlich noch diskriminierend. Die Klägerin hätte ohne Weiteres im Homeoffice mit den Kundinnen und Kunden in Kontakt treten können, wenn sie sich nicht impfen lassen möchte. Lediglich Präsenzbesuche wären ihr dann nicht möglich gewesen.
Außerdem hat die Frau flagrant pflichtwidrig gehandelt, indem sie ihrer Arbeitgeberin einen Impfnachweis mit dem Wissen vorgelegt hatte, dass die darin enthaltenden Angaben falsch sind. Sie versuchte damit ihre Arbeitgeberin zu täuschen. Allein der Versuch gefälschte Nachweise zu nutzen, gilt als Beleg dafür, dass sie bereit ist, andere, mit denen sie im Umfeld ihrer Arbeit in Kontakt kommt, vorsätzlich in ihrer Gesundheit zu gefährden.
Aus den genannten schweren Pflichtverletzungen der Klägerin war es der Arbeitgeberin nicht möglich, die Frau bis zum Auslauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter anzustellen. Die Klägerin hatte das nötige Vertrauen verwirkt, indem sie der Personalreferentin einen falschen Impfnachweis vorlegte, um somit ihre unwahre Behauptung zu belegen.
Pflegeeinrichtungen besonders vulnerabel
Der Klägerin war die ganze Zeit bekannt, dass der Anordnung ihrer Arbeitgeberin überragende Bedeutung zukam, da es sich im Geschäftsfeld der Pflegeeinrichtungen um besonders vulnerable Bereiche handelte. Persönliche Nachteile hatte die Klägerin auch bei Befolgung des Infektionsschutzkonzeptes ihrer Arbeitgeberin hingegen nicht zu befürchten.
Die Klägerin hat durch ihr Verhalten zudem gezeigt, dass sie vor einer Täuschung im Rechtsverkehr nicht zurückschreckt. Da dieser Vertrauensbruch besonderes Gewicht hat, ist es in diesem Fall nicht notwendig, dass die Arbeitnehmerin vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine Abmahnung aussprechen muss.
Die Frau habe nach Ansicht des Gerichts hohe kriminelle Energie gezeigt. Sie hat rücksichtslos gehandelt, indem sie die wirtschaftlichen und moralischen Interessen ihrer Arbeitgeberin missachtet hat. Besonders rücksichtslos war ihr Verhalten, weil sie die gesundheitlichen Interessen der Pflegeeinrichtungen, die sie betreute, nicht beachtete. Es ist somit zu bezweifeln, dass die Frau in Zukunft auch für die nur befristete Vertragsfortführung bis zum Auslauf der Kündigungsfrist die Interessen ihrer Arbeitgeberin vertreten würde.
Quelle: Arbeitsgericht Köln – 23.3.2022 – 18 Ca 6830/21