Pflegebeitrag
Der Pflege­bei­trag wird sich erhöhen Bild: Franti­sek Krejci/Pixabay.com

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) hat seine Pläne für eine Pflege­re­form gegen Kritik vertei­digt. „Da die Kosten von guter Pflege ständig steigen, darf die Solidar­ge­mein­schaft nicht wegschauen und diese höheren Kosten den zu Pflegen­den und ihren Angehö­ri­gen überlas­sen“, erklärte der Minis­ter.

Gleich­zei­tig müsse die Finan­zie­rung der Pflege­ver­si­che­rung angesichts eines Milli­ar­den­de­fi­zits stabi­li­siert werden.

Dafür soll der allge­meine Pflege­bei­trag auf ein Rekord­hoch steigen. Pflege­be­dürf­tige zu Hause und im Heim sollen zudem Anfang 2024 finan­zi­elle Verbes­se­run­gen erhal­ten.

Einen entspre­chen­den Gesetz­ent­wurf hat das Kabinett beschlos­sen. Die voran­ge­gan­gene Abstim­mung zwischen den Minis­te­rien dauerte dabei länger als gedacht. Lauter­bach musste das Gesetz auf Druck des Finanz­mi­nis­te­ri­ums noch einmal anpas­sen. Die Leistungs­ver­bes­se­run­gen fallen nun deutlich gerin­ger aus als ursprüng­lich geplant, um die Pflege­ver­si­che­rung finan­zi­ell nicht zu überlas­ten.

Unter anderem soll der gemein­same Jahres­be­trag für Verhin­de­rungs- und Kurzzeit­pflege nicht wie angekün­digt kommen, was die Pflege­kas­sen um rund 500 Millio­nen Euro entlas­tet.

Zudem verzich­tet Lauter­bach auf mehrere Förder­pro­gramme, unter anderem für Modell­vor­ha­ben in Kommu­nen und zur Verein­bar­keit von Familie, Pflege und Beruf. Insge­samt soll das die Mehraus­ga­ben der Pflege­kas­sen von drei auf zwei Milli­ar­den Euro verrin­gern

Lauter­bachs Pflege­re­form: Höhere Beiträge

Zum 1. Juli soll der allge­meine Beitrags­satz zur Pflege­ver­si­che­rung um 0,35 Punkte angeho­ben werden. Jetzt liegt er bei 3,05 Prozent des Brutto­lohns und für Menschen ohne Kinder bei 3,4 Prozent. Das ergäbe für 2023 noch 3,15 Milli­ar­den Euro extra und von 2024 an jährli­che Mehrein­nah­men von 6,6 Milli­ar­den Euro. Auch der Arbeit­ge­ber­an­teil steigt und beträgt immer 1,7 Prozent.

Damit läge die Summe aller Sozial­bei­träge zur Renten‑, Kranken‑, Arbeits­lo­sen- und Pflege­ver­si­che­rung ab Juli bei 40,8 Prozent. Für Kinder­lose überträfe sie die 41-Prozent-Marke.

Die Beitrags­sprünge alarmie­ren Unter­neh­men, die sich durch die Infla­tion ohnehin steigen­den Kosten gegen­über­se­hen. „In kaum einem anderen Land bleibt den Beschäf­tig­ten so wenig von ihrem erwirt­schaf­te­ten Einkom­men wie in Deutsch­land“, so die Bundes­ver­ei­ni­gung der Deutschen Arbeit­ge­ber­ver­bände (BDA) zu den Plänen.

Beitrags­ent­las­tung für große Familien

Laut einem Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts müssen Eltern mit mehre­ren Kindern besser­ge­stellt werden als kleine Familien und Kinder­lose. Der Gesetz­ent­wurf sieht deswe­gen vor, den Kinder­lo­sen­zu­schlag von 0,35 auf 0,6 Prozent­punkte anzuhe­ben. So läge der Gesamt­bei­trag für sie dann bei 4,0 Prozent.

Bei Familien könnten, begin­nend mit dem zweiten Kind, gestaf­felte Abschläge vom regulä­ren Satz von künftig 3,4 Prozent kommen: Bei zwei Kindern läge der Beitrag bei 3,15 Prozent, bei drei Kindern bei 2,9 Prozent, bei vier Kindern bei 2,65 Prozent und bei fünf Kindern und mehr bei 2,4 Prozent.

Die genann­ten Abschläge gelten aller­dings nur, solange alle jeweils zu berück­sich­ti­gen­den Kinder unter 25 Jahre alt sind. Die Entlas­tung fällt damit nicht nur gerin­ger aus als ursprüng­lich geplant, da keine Alters­grenze vorge­se­hen war. Unter­neh­men warnen auch vor mehr Bürokra­tie.

„Arbeit­ge­ber müssen in vielen Millio­nen Fällen Geburts­nach­weise der Kinder ihrer Beschäf­tig­ten einsam­meln, um die neue, kinder­zahl­ab­hän­gige Gestal­tung der Pflege­bei­träge umzuset­zen“, sagte BDA-Chef Steffen Kampe­ter.

Höheres Pflege­geld

Das zuletzt 2017 erhöhte Pflege­geld soll zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent steigen, genauso wie das Geld für Sachleis­tun­gen. Pflege­geld wird als Unter­stüt­zung gezahlt, wenn Pflege­be­dürf­tige nicht in Einrich­tun­gen sind. Sie können es frei verwen­den, etwa für Betreu­ung. Je nach Pflege­grad bekom­men sie zwischen 316 und 901 Euro im Monat.

Eigent­lich hätte das Pflege­geld aber nach seiner letzten Erhöhung im Jahr 2017 bereits 2021 angeho­ben werden sollen. Das geplante Plus fällt deswe­gen nach Ansicht der Kassen und Sozial­ver­bände nicht groß genug aus.

Für Pflege­heim­be­woh­ner steigen die Eigen­an­teile seit Jahren. Auch mit den 2022 einge­führ­ten Entlas­tungs­zu­schlä­gen, die mit der Pflege­dauer steigen. Sie sollen dem Gesetz­ent­wurf zufolge ab 1. Januar 2024 angeho­ben werden.

Den Eigen­an­teil für die reine Pflege soll dies im ersten Jahr im Heim um 15 statt bisher fünf Prozent drücken, im zweiten um 30 statt 25 Prozent, im dritten um 50 statt 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 statt 70 Prozent.

Pflege­ver­si­che­rung übernimmt nur Teil

Hinter­grund ist, dass die Pflege­ver­si­che­rung, anders als die Kranken­ver­si­che­rung, nur einen Teil der Kosten für die reine Pflege trägt. Im Heim kommen Zahlun­gen für Unter­kunft, Verpfle­gung und Inves­ti­tio­nen dazu.

Vorge­se­hen ist auch ein Mecha­nis­mus, um Geld- und Sachleis­tun­gen regel­mä­ßig anzupas­sen. Zum 1. Januar 2025 soll laut Entwurf ein Plus von fünf Prozent kommen. Zum 1. Januar 2028 sollen die Leistun­gen dann „regel­haft in Anleh­nung an die Preis­ent­wick­lung automa­tisch dynami­siert“ werden.

Gleich­zei­tig muss Lauter­bach umfas­sende Sparvor­schläge erarbei­ten, um die Pflege­ver­si­che­rung zu entlas­ten.

„So kann es nicht weiter­ge­hen“, sagte Lauter­bach angesichts stetig steigen­der Ausga­ben der Pflege­ver­si­che­rung. Eine Kommis­sion werde deshalb nun Vorschläge erarbei­ten. „Wir müssen darüber nachden­ken, wie wir das System weiter­ent­wi­ckeln, beispiels­weise in Richtung einer Vollkas­ko­ver­si­che­rung.“

Pflege­bei­trag: Grüne wollen Nachbes­se­run­gen

Die Beratun­gen in der Koali­tion dürften schwie­rig werden. Das Gesetz muss noch im Bundes­tag verab­schie­det werden. Die stell­ver­tre­tende Frakti­ons­vor­sit­zende der Grünen, Maria Klein-Schmeink, sagte, der Entwurf bringe „Verbes­se­run­gen für die Pflege­be­dürf­ti­gen und die Pflegen­den“. Kritik gibt es aber daran, dass die im Koali­ti­ons­ver­trag verein­bar­ten Mittel zur Steuer­fi­nan­zie­rung gesamt­ge­sell­schaft­li­cher Aufga­ben nicht bereit­ge­stellt werden.

Dies sind insbe­son­dere die Renten­bei­träge für pflegende Angehö­rige in Höhe von 3,7 Milli­ar­den Euro im Jahr und die Kosten für Pflege­aus­bil­dung in Höhe von 750 Millio­nen Euro.

„Da diese Ausga­ben weiter von den Beitrags­zah­lern getra­gen werden, werden diese nicht entlas­tet“, sagt sie. Zudem fehle die verein­barte Verein­fa­chung bei der Beantra­gung der Entlas­tungs­leis­tung in der häusli­chen Pflege. „In all diesen Punkten werden wir im parla­men­ta­ri­schen Verfah­ren auf Nachbes­se­run­gen dringen“, sagt sie.

Kritik kam auch von den Kassen. Die Reform greife nur einige Punkte auf, gerate aber deutlich zu kurz.

„Die Bundes­re­gie­rung verfehlt die selbst gesetz­ten Ziele aus dem Koali­ti­ons­ver­trag“, sagte Gernot Kiefer, stell­ver­tre­ten­der Vorstands­vor­sit­zen­der des Spitzen­ver­ban­des der gesetz­li­chen Kranken­kas­sen.

Die Vorstands­vor­sit­zende des Verban­des der Ersatz­kas­sen, Ulrike Elsner, erklärte, der Entwurf biete „keine Perspek­tive für eine langfris­tige Lösung der Probleme der Pflege­be­dürf­ti­gen und der sozia­len Pflege­ver­si­che­rung“.

Quellen: BMG, BVG, Bündnis 90/Grüne, GKV, VDEK