Wie können sich Pflegekräfte gegen Gewalt seitens Patienten wehren?
Wie können sich Pflege­kräfte gegen Gewalt seitens Patien­ten wehren? Bild: © Catalin205 | Dreamstime.com

Dort, wo nah am Menschen gearbei­tet wird, bleibt leider oftmals das Thema Gewalt nicht aus. Sie kommt sowohl seitens des Pflege­per­so­nals gegen­über Patien­ten vor, als auch umgekehrt seitens der Patien­ten gegen­über dem Pflege­per­so­nal. Hier soll es konkret aus recht­li­cher Perspek­tive um die Frage gehen, inwie­weit sich Pflege­per­so­nal gegen körper­li­che Gewalt­über­griffe durch Patien­ten zur Wehr setzen kann bezie­hungs­weise darf.

Vorweg: Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. Das heißt: Liegt ein gegen­wär­ti­ger, rechts­wid­ri­ger Angriff eines Patien­ten vor, hat das vertei­di­gende Pflege­per­so­nal die Möglich­keit sich mit jedem zur Verfü­gung stehen­den Mittel zur Wehr zu setzen, solange kein krasses Missver­hält­nis zwischen dem beim Perso­nal beein­träch­tig­ten Rechts­gut und der Beein­träch­ti­gung des Angrei­fers zu beobach­ten ist. Das Notwehr­recht des § 32 StGB berech­tigt prinzi­pi­ell ohne die Abwägung von Verhält­nis­mä­ßig­kei­ten Maßnah­men gegen aggres­sive Patien­ten zu ergrei­fen, die zur Abwehr erfor­der­lich sind, auch wenn der angrei­fende Patient hierdurch verletzt werden würde. Relevant ist hierbei die Begriff­lich­keit „gegen­wär­tig“. Notwehr meint also die unmit­tel­bare Zurwehr­set­zung gegen den gegen­wär­ti­gen Übergriff.

Eine Grenze der Notwehr liegt jedoch dann vor, wenn ein krasses Missver­hält­nis zwischen dem vom Perso­nal geschütz­ten Rechts­gut und der Beein­träch­ti­gung des Angrei­fers besteht. Bei sog. Bagatell­an­grif­fen wird dem Vertei­di­ger die Berufung auf das Notwehr­recht verwehrt. Proble­ma­tisch kann die Recht­fer­ti­gung der Vertei­di­gungs­hand­lung auch sein, wenn der Angrei­fer ohne Schuld im straf­recht­li­chen Sinne handelt: Das heißt die Steue­rungs­fä­hig­keit des Patien­ten ist zum Beispiel durch Alkohol- oder Drogen­kon­sum erheb­lich einge­schränkt.

In der juris­ti­schen Litera­tur[1] wird insoweit vertre­ten, dass eine aktive Gegen­wehr zwar erlaubt sein soll, zu beach­ten sei in diesen Fällen aber der Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satz. Welche Grenzen hierbei im Einzel­nen einzu­hal­ten sind, richtet sich am jewei­li­gen Einzel­fall aus.

Die Abwägung der Verhält­nis­mä­ßig­keit ist auch dem paral­lel anwend­ba­ren recht­fer­ti­gen­den Notstand gemäß § 34 StGB immanent. Bei einem allge­mei­nen Notstand muss vor einer Aktion gegen den Aggres­si­ven immer zuerst abgewo­gen werden, ob die Vertei­di­gungs­fol­gen in einem angemes­se­nen Verhält­nis zur Beein­träch­ti­gung durch den aggres­si­ven Patien­ten stehen.

Abseits dessen sollten in den Notfall­plä­nen der Gesund­heits­ein­rich­tun­gen auch das Vorge­hen bei Patien­ten­über­grif­fen geregelt sein. Ebenso kann zur Präven­tion, bezie­hungs­weise Begeg­nung von Übergrif­fen an die Imple­men­tie­rung eines Sicher­heits­diens­tes, die Einrich­tung von techni­schen Maßnah­men (zum Beispiel geschlos­sene Eingangs­tü­ren Alarm­knöpfe, Überwa­chungs­ka­me­ras) gedacht werden. Auf der perso­nel­len Ebene ist im Schulungs­be­reich an Selbst­ver­tei­di­gungs­kurse und Deeska­la­ti­ons­trai­nings zu denken, damit sich das pflege­ri­sche Perso­nal besser auf Patien­ten­über­griffe vorbe­rei­ten kann.

Gewalt hat übrigens viele Gesich­ter. Sie ist nicht immer ausschließ­lich körper­li­cher Art: Auch Anschreien, Nicht­be­ach­tung und Vernach­läs­si­gung oder Beschä­men sind Formen der Gewalt. Erfah­ren Sie hier mehr zum Thema Gewalt und schauen sich diese Tipps zur Gewalt­prä­ven­tion an.

Fußnote:

  1. Schönke-Schrö­der-Perron­/Ei­sele, § 32, Randnum­mer 52 mit weite­ren Nachwei­sen.