Alkoholisierter Patient in der Sprechstunde
Hier liegt der Fall wohl klar auf der Hand: Eine Patien­tin unter Alkohol­ein­fluss (Symbol­bild) Bild: Photo 181456025 © Elnur – Dreamstime.com

In der Sprech­stunde: Plötz­lich ein Rechts­pro­blem

Erscheint ein alkoho­li­sier­ter Patient in der Sprech­stunde, kann dies – neben dem anzuneh­men­den Behand­lungs-Hemmnis durch eine vermin­derte Aufnahme- und Einsichts­fä­hig­keit des Patien­ten – zu einer recht­li­chen Problem­lage für den Behand­ler führen.

So stellt sich Frage, was zu tun ist, wenn zu befürch­ten ist, dass der Patient für seinen Rückweg von der ärztli­chen Praxis ein Kraft­fahr­zeug nutzen wird, obwohl er hierzu offen­kun­dig nicht mehr in der Lage ist?

In diesem Fall ist beson­dere Vorsicht angebracht. Es empfiehlt sich, die Einsichts­fä­hig­keit sowie Einsichts­wil­lig­keit des Patien­ten zu ergrün­den.

Stellt der Arzt dabei fest, dass sein Patient Alkohol getrun­ken hat, aber der Aufklä­rung noch folgen kann und auch die Risiken einer Entlas­sung im alkoho­li­sier­ten Zustand aus der Behand­lung versteht, kann der Patient mit eindring­li­chen Warnun­gen und der Anwei­sung zum zeitwei­sen Verzicht auf das Führen von Kraft­fahr­zeu­gen entlas­sen werden.

Eine genaue Dokumen­ta­tion, vom Vorlie­gen der Einsichts­fä­hig­keit sowie Urteils­fä­hig­keit, ist empfeh­lens­wert, ebenso die Anwesen­heit eines Zeugen. Weitere Schritte, etwa die Infor­ma­tion des Gesund­heits­am­tes, des Amtsarz­tes oder der Straßen­ver­kehrs­be­hörde sind im Fall eines erkenn­bar einsich­ti­gen Patien­ten hinge­gen nicht zu unter­neh­men.

Alkoho­li­sier­ter Patient: Arzt darf Behand­lung auch ableh­nen

Kommt der Arzt hinge­gen zu dem Schluss, dass der alkoho­li­sierte Patient die ärztli­chen Warnhin­weise ignorie­ren wird, stellt sich die Situa­tion kompli­zier­ter dar.

Zunächst ist darauf hinzu­wei­sen, dass der Arzt die Behand­lung eines Kraft­fah­rers nach der Fahrerlaub­nis-Verord­nung (FeV) ableh­nen darf, wenn er Zweifel hat, ob das erfor­der­li­che Vertrau­ens­ver­hält­nis zustande kommen kann und er das alkohol- (oder drogen-)induzierte Behand­lungs­ri­siko deshalb nicht überneh­men will (siehe Anlage 4 zu § 11 FeV, § 13 FeV).

Übernimmt der Arzt hinge­gen die Behand­lung, entsteht damit einer­seits eine straf­recht­li­che relevante Garan­ten­pflicht aus voran­ge­gan­ge­nem gefähr­den­dem Tun und anderer­seits eine am Maßstab der Verkehrs­me­di­zin zu orien­tie­rende zivil­recht­li­che Sorgfalts­pflicht zur Gefah­ren­ab­wehr im Straßen­ver­kehr durch Anwen­dung von medizi­ni­schen Kennt­nis­sen und Erfah­run­gen bei verkehrs­re­le­van­ten Gesund­heits­stö­run­gen.

Schwei­ge­pflicht des Arztes

Diesen Verant­wor­tun­gen steht die Pflicht des Arztes zur Verschwie­gen­heit gemäß § 201 Absatz 1 Nummer 1 StGB gegen­über, nach der ein Arzt ohne Einver­ständ­nis des Patien­ten keine ihm in seiner beruf­li­chen Praxis bekannt gewor­de­nen Mängel – auch solche aufgrund von Alkohol­pro­ble­men – weiter­ge­ben darf.

Das Spannungs­ver­hält­nis dieser Pflich­ten löst sich am Maßstab des Recht­fer­ti­gen Notstan­des gemäß § 34 StGB auf.

Wer in einer gegen­wär­ti­gen, nicht anders abwend­ba­ren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigen­tum oder ein anderes Rechts­gut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwen­den, handelt nicht rechts­wid­rig, wenn bei Abwägung der wider­strei­ten­den Inter­es­sen, nament­lich der betrof­fe­nen Rechts­gü­ter und des Grades der ihnen drohen­den Gefah­ren, das geschützte Inter­esse das beein­träch­tigte wesent­lich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemes­se­nes Mittel ist, die Gefahr abzuwen­den.

§ 34 StGB, Recht­fer­ti­gen­der Notstand

Ein Arzt kann hiernach – trotz seiner Schwei­ge­pflicht – nach Abwägung der wider­strei­ten­den Inter­es­sen und Pflich­ten berech­tigt sein, die Verkehrs­be­hörde zu benach­rich­ti­gen.

Voraus­set­zung hierfür ist, dass es sicher erscheint, dass sein Patient unter Alkohol­ein­fluss ein Fahrzeug führen wird und damit sich selbst oder unbetei­ligte Verkehrs­teil­neh­mer in erheb­li­cher Gefahr bringen könnte.