„Die Arbeit in der Pflege erfüllt mich einfach nicht mehr“, schreibt eine Krankenpflegerin in einem Forum für Pflegekräfte. Deutlich ist ihren Worten anzumerken, wie schwer es ihr gefallen sein muss, sich durchzuringen und diese Sätze niederzuschreiben. „Mir fehlt irgendwie was. Die Spannung ist raus“, schreibt die (Noch-)Krankenpflegerin. Sie trage sich mit den Gedanken, den Beruf aufzugeben und sich nach einer völlig neuen Tätigkeit umzuschauen – und fragt die Pflege-Community, welche Tätigkeitsfelder für gelernte Pflegekräfte in Frage kommen würden.
So wie der Pflegerin geht es nicht wenigen Beschäftigten in Alten- und Krankenpflege. Alleine während der ersten Pandemie-Welle zwischen Frühjahr und Sommer 2020 haben rund 9.000 Pflegekräfte ihre Gedankenspiele wahrgemacht und haben die Pflege verlassen; jeder dritte Pflegende überlegt, nach dem endgültigen Abebben der Corona-Pandemie den Beruf zu wechseln. Die Ursachen hierfür sind sattsam bekannt: Personal- und Zeitmangel, eine eher schlechte Bezahlung, wenig Freizeit, Wechselschichtarbeit sowie mangelnde Wertschätzung durch Vorgesetzte. Entsprechend machen in den sozialen Netzwerken regelmäßig Hashtags wie #Pflexit und #PflegtEuchDochSelbst die Runde.
Wenngleich: Ein regelrechtes Massenphänomen scheint die Abwanderung aus der Pflege in andere Berufe dann auch wieder nicht zu sein – zumindest noch nicht. „Wir erleben es nicht so oft, dass Pflegefach- und ‑hilfskräfte sich in einen Beruf komplett außerhalb der Pflege umorientieren wollen“, heißt es bei der Kölner Niederlassung der avanti GmbH, einem bundesweit tätigen Personaldienstleister speziell für das Gesundheits- und Pflegewesen, der auch Themenpartner der „Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen“ ist. „Was wir allerdings schon beobachten ist, dass die geplante Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitssektor für Unruhe sorgt.“
Erster Gedanke zum Beruf: Was könnte, sollte, muss sich ändern?
Pflegende, die ernsthaft an einen Berufswechsel denken, sollten sich an allererster Stelle klar machen, WAS genau sie an der derzeitigen Tätigkeit stört, um gezielt auf die Suche nach einer Tätigkeit gehen zu können, die ohne die Nachteile auskommt. Sind es eher die wechselnden Arbeitszeiten, oder das geringe Gehalt? Außerdem solle man sich im Klaren sein, ob – und wenn ja, in welchem Umfang – man sich auf eine Umschulung oder Weiterbildung einlassen kann und will. Hier sind zeitliche und finanzielle Gründe (Minder-Einkommen während der Umschulungsphase) zu berücksichtigen.
Immerhin: Pflegekräfte, die ein komplett neues Tätigkeitsfeld suchen, starten nicht „bei Null“: Immerhin verfügen sie durch ihre alte Tätigkeit über Basisqualifikationen, wie Umgang mit Menschen, soziale Empathie, und die (im Arbeitseinsatz oft unter Beweis gestellte!) Belastbarkeit in Stresssituationen. Zudem sind sie an Dokumentation und gewissenhaftes Arbeiten gewöhnt, und besitzen medizinische Kenntnisse.
Weiterbildung, Umschulung, Selbstständigkeit
Im Bereich der Weiterbildung oder Umschulung bieten sich beispielsweise eine Tätigkeit in der (eher präventiv gelagerten) Ernährungsberatung oder Diätassistenz (bei Patienten, die krankheitsbedingt ihre Ernährung umstellen müssen) an. Auch die Palliativbegleitung von lebensverkürzend erkrankten Menschen, eine Berufstätigkeit im betrieblichen Gesundheitsmanagement oder als Medizinische Fachangestellte (MFA, Arzthelfer/-in) bieten sich an. Wem die Themen Mobilisierung und Krankengymnastik liegen, für den- oder diejenige könnte eine Arbeit in der der Physiotherapie eine Alternative sein.
Wer gerne mit Dokumentation arbeitet, könnte einen Verwaltungsjob etwa in Kliniken oder Ärztenetzwerken anstreben. Die Umschulungszeit beträgt – je nach zukünftigem Berufsbild – meist zwei bis drei Jahre, und ist in unterschiedlichem Maße vergütet (und auch das nicht immer).
Wen nicht die Pflege an sich stört, sondern die Unflexibilität und Weisungsgebundenheit, könnte über eine Freiberuflichkeit in der ambulanten Pflege, mit eigenem Unternehmen, nachdenken. Dies ist sowohl als Solo-Selbstständige als auch im Verbund mit Gleichgesinnten möglich. Einsatzorte und ‑zeiten sind bei der Selbstständigkeit frei wählbar, man sollte jedoch eine Affinität zu Dokumentation und Abrechnungsarbeit besitzen – ohne „Bürokram“ wird es nicht gehen!
Zeitarbeit und Studium
Ebenfalls eine Alternative könnte die Zeitarbeit sein, wenn man nicht die Pflegetätigkeit an sich satt hat, sondern die vorgenannten Bedingungen. „Zu uns kommen die Kräfte gerade deswegen, weil sie ihre Einsatzzeiten und ‑orte frei wählen können“, heißt es von der avanti GmbH. „Dass immer mehr Pflegekräfte von der Festanstellung in die Zeitarbeit wechseln, ist ein Trend, der auch bei uns zu beobachten ist.“ Auch bei den Krankenhäusern und Pflegeheimen ginge die Entwicklung dahin, dass sie immer weniger Stammbelegschaft vorhielten.
Eine Weiterbildung ist jedoch nicht nur außerhalb, sondern natürlich auch innerhalb der Pflege möglich – etwa zu einer Fachkraft für Anästhesie, Dialyse oder Endoskopie. Weil der Einsatz vor allem bei der Anästhesie zu planbaren Zeiten stattfindet, sind Wochenend- und Feiertagsarbeit in diesen Berufsfeldern eher unüblich. Wer noch höher hinauswill, könnte sich über einen Studienplatz in einer Pflegedisziplin informieren.
Mittlerweile gibt es sehr ausdifferenzierte Studiengänge, etwa Pflegewissenschaften, Gesundheitswissenschaften und ‑management, zur psychatrischen Pflege und Palliativpflege, zu Pflegemanagement und Pflegepädagogik. Kleinere, auf Pflege und Soziales spezialisierte (Fach-)Hochschulen sind eine gute Anlaufstelle, um sich zu informieren, etwa in Nordrhein-Westfalen die Katholische Hochschule NRW. Neben einen Vollzeitstudium sind, gerade wenn man finanziell unabhängig bleiben will und kein Problem mit langen Tagen hat, auch Teilzeitstudiengänge eine Überlegung wert.
Übrigens: Selbst wenn man seinen Wechsel aus dem Pflegejob dann (vorerst) doch nicht wahrmacht, kann das Wissen, „auch anders zu können“, beruhigend sein – und verleiht Selbstvertrauen sowie ‑sicherheit. Kopf hoch, und nur Mut!