Erwin Rüddel, Marco Di Bella
CDU/CSU-Pflege­ex­perte Erwin Rüddel (li.) will bei der Diskus­sion um das Pflege­be­ru­fe­ge­setz den Reset-Knopf drücken. Dipl.-Berufspädagoge für Pflege Marco Di Bella (re.) hält das für nicht angebracht.

Seit nunmehr zwanzig Jahren wird in Deutsch­land inten­siv über die Zusam­men­füh­rung der bislang getrenn­ten Berufs­bil­der der Alten­pflege und der Gesund­heits- und (Kinder-)Krankenpflege zu einem neuen Pflege­be­ruf gerun­gen. Auf gesetz­ge­be­ri­scher Seite hat die Diskus­sion nach Inkraft­tre­ten des bundes­ein­heit­li­chen Alten­pfle­ge­ge­set­zes (2003) bzw. des novel­lier­ten Kranken­pfle­ge­ge­set­zes (2004), und der in diesen Geset­zen angesto­ße­nen Annähe­rung der Berufs­bil­der, ihren vorläu­fi­gen Höhepunkt erreicht.

Mit dem von der Bundes­re­gie­rung geplan­ten Pflege­be­ru­fe­ge­setz soll jetzt der nächste Schritt gewagt werden: Die Einfüh­rung der genera­lis­ti­schen Pflege­aus­bil­dung. Mit Bekannt­wer­den eines ersten Arbeits­ent­wur­fes des Geset­zes kochten die Gemüter aufsei­ten der Gegner, wie z.B. den Präsi­den­ten der Deutschen Gesell­schaft für Kinder- und Jugend­me­di­zin, Prof. Dr. Ertan Mayatepek, wie auch aufsei­ten der Befür­wor­ter, beispiels­weise Prof. Chris­tel Bienst­ein, ihres Zeichens Präsi­den­tin des Deutschen Berufs­ver­bands für Pflege­be­rufe, wieder auf.

Der Streit zwischen den beiden Lagern nahm dabei zwischen­zeit­lich fast hyste­ri­sche Züge an, sodass sich schluss­end­lich führende Wissen­schaft­ler des Deutschen Insti­tuts für angewandte Pflege­for­schung (dip) genötigt sahen wieder zur Ordnung und Sachlich­keit aufzu­ru­fen.

Kleine Lösung für die Alten­pflege statt Genera­lis­tik

Dieser Aufruf scheint am Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten Erwin Rüddel vorbei gegan­gen zu sein. Mit einem jüngst veröf­fent­lich­ten Beitrag hat der Pflege­ex­perte der CDU/CSU-Bundes­tags­frak­tion, neues Öl in die noch schwe­lende Ausein­an­der­set­zung gekippt.

In seinem Beitrag vertritt er die Auffas­sung, dass die Verhand­lun­gen zwischen den betei­lig­ten Ressorts – dem CDU-geführ­ten Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium für die Gesund­heits- und (Kinder-)Krankenpflege und dem SPD-geführ­ten Bundes­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rium für die Alten­pflege – derart festge­fah­ren sind, dass sie im Grunde nach schon geschei­tert seien. Es versteht sich dabei von selbst, dass die Schuld hierfür beim politi­schen Gegner gesucht wird.

Damit aber auch nicht behaup­tet werden kann, man würde gar nichts bewegen, spricht sich Rüddel für eine „radikale Rückbe­sin­nung“ aus – oder in anderen Worten: Einer „kleinen Lösung“ nur für den Bereich der Alten­pflege. Nach der Auffas­sung des CDU-Politi­kers solle man beispiels­weise „in einem ersten Schritt die 16 unter­schied­li­chen Alten­pfle­ge­aus­bil­dun­gen in Deutsch­land endlich harmo­ni­sie­ren – d.h. [ein] einheit­li­ches Curri­cu­lum und einheit­li­che Kompe­tenz­re­geln für alle Alten­pfle­ge­kräfte in allen Bundes­län­dern und Einrich­tun­gen“ schaf­fen.

Eine solche Forde­rung überrascht, ist doch wie eingangs erwähnt die Ausbil­dung in der Alten­pflege bereits seit 2003 bundes­ein­heit­lich geregelt. Auch existie­ren seitdem einheit­li­che Rahmen­vor­ga­ben für die zu vermit­teln­den Lehrin­halte und Kompe­ten­zen. Zwar ist es zutref­fend, dass in den einzel­nen Bundes­län­dern zum Teil zusätz­li­che Ausbil­dungs­be­stim­mun­gen – beispiels­weise in Form von Handrei­chun­gen, Lehrplä­nen, Richt­li­nien etc. – existie­ren. Diese dürfen jedoch den vom Bund festge­leg­ten Rahmen nicht unter­lau­fen.

Wie dem auch sei: Folgt man Rüddels Einlas­sun­gen, so sollte in einem ersten Schritt per Gesetz für eine Harmo­ni­sie­rung – man könnte auch sagen: für den kleins­ten gemein­sa­men Nenner – der Alten­pfle­ge­aus­bil­dung gesorgt werden. Anschlie­ßend könnte dann, so Rüddel weiter, in einem zweiten Schritt „auch über eine Aktua­li­sie­rung der Lehrin­halte nachge­dacht werden.“ Bringt man diesen Plan auf die Kurzfor­mel „Erst Berufs­bil­der verein­heit­li­chen, dann Inhalte disku­tie­ren“, so entsprä­che es genau dem Vorge­hen, welches der Politi­ker zwei Absätze weiter bezogen auf das Pflege­be­ru­fe­ge­setz im Beson­de­ren beklagt.

Von India­nern und Häupt­lin­gen

Der Bundes­tags­ab­ge­ord­nete, der bis zu seiner Mandats­über­nahme selbst als Geschäfts­füh­rer einer Senio­ren­re­si­denz tätig gewesen ist, steht aber nicht nur der Genera­lis­tik kritisch gegen­über. So werden in dem Beitrag Befürch­tun­gen gegen­über einer „überzo­ge­nen Akade­mi­sie­rung“ deutlich. Die diesbe­züg­lich hervor­ge­brachte Argumen­ta­tion ist dabei nicht neu und wird von Kriti­kern seit Jahren ins Feld geführt. Hierbei wird verkannt, dass es sich bei der Frage der Pflege-Akade­mi­sie­rung schon lange nicht mehr um das „ob“ dreht, sondern vielmehr die Frage nach dem „wie“ und „wofür“ im Raum steht.

Natür­lich kann man auch darüber strei­ten, wieviele akade­mi­sierte Pflege­kräfte tatsäch­lich benötigt werden. Aber das ist so sinnvoll, wie die Zahl der Anwälte in Frage zu stellen. Oder sich darüber Gedan­ken zu machen, warum sich an manchen Orten alle 200m eine Apotheke, ein Friseur und ein Backwa­ren­la­den befin­det. Wenn Rüddel also sagt, dass man „aber India­ner und nicht nur Häupt­linge in der Pflege“ brauche, so muss die Antwort darauf lauten, dass

  1. auch Häupt­linge India­ner sind und
  2. das es auch in Zukunft nicht für jeden Häupt­ling einen Stamm geben wird.

Hier sollte man auf die Selbst­re­gu­lie­rungs­kräfte des Marktes vertrauen. An dieser Stelle sei übrigens angemerkt, dass die Pflege­stu­di­en­gän­gen schon seit jeher genera­lis­tisch „unter­wegs sind“.