Durch die Coronapandemie wurde die gesamte Pflege vor enorme Herausforderungen gestellt. Fehlende Schutzausrüstung, zu wenig Personal und die höhere Ansteckungsgefahr der Pflegeheimbewohner oder Patienten waren oder sind immer noch die großen Probleme der Pandemie für das Gesundheitswesen.
Der Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, hat ein erstes Zwischenfazit für die Pflege gezogen. Viele Maßnahmen waren wichtig und seien richtig gemacht worden, sagt er. Sie seien notwendig und erfolgreich gewesen, um die Ausbreitung des Virus deutlich zu verlangsamen. Die Situation um das Coronavirus habe der Pflege zum Teil die Grenzen aufgezeigt, berge jedoch auch Potenziale für die Zukunft. Hier wolle man ansetzen und an Lösungen arbeiten, damit man bei künftigen Herausforderungen noch besser handeln könne.
Insgesamt spricht Westerfellhaus sechs Aspekte an, die es in Zukunft zu verbessern gilt – auch ohne eine Pandemie:
Häusliche Pflege:
Pflegebedürftige und deren Angehörige sehen sich immer wieder damit konfrontiert, die häusliche Pflege anders zu strukturieren, zum Beispiel wenn die Pflege durch Angehörige nicht mehr möglich ist oder sich der Pflegebedarf ändert. Es bedarf daher deutlich mehr Flexibilität und Unterstützung durch die ambulante Pflege. In der Coronazeit sei diese Flexibilität bereits sporadisch geschaffen worden. Man müsse sie dennoch erweitern. Dazu legt Westerfellhaus in seinem Konzept zum Entlastungsbudget 2.0 einen Vorschlag zur Neujustierung der häuslichen Pflege vor. Alle Leistungen sollen in einem flexiblen Pflege- und einem Entlastungsbudget zusammengeführt werden. Zusätzlich soll durch eine Vor-Ort-Beratung ein individuelles Pflegesetting ermöglicht werden.
Faire Löhne:
Westerfellhaus fordert von den Sozialpartnern endlich eine Einigung auf einen Tarifvertrag für die gesamte Langzeitpflege, in dem neben besseren Löhnen auch zeitgemäße Arbeitszeitmodelle geregelt werden. Dazu müsse die Refinanzierung der Tariflöhne endlich in die Wege geleitet werden, damit auch „ambulante Pflegedienste gegenüber den Kostenträgern nicht mehr als Bittsteller auftreten müssen.“
„Es ist beschämend, dass so viele Arbeitgeber in der Langzeitpflege und in den Kliniken sich da einfach nicht bewegen wollen“, so Andreas Westerfellhaus.
Ein flächendeckendes, attraktives Gehalt (mindestens auf Tarifniveau) und gesündere Arbeitsbedingungen seien in Zukunft mehr wert als nur ein Pflegebonus und Applaus.
Stationäre Pflege: Entscheidungsmacht der Bewohnervertretung:
Die jüngste Vergangenheit habe gezeigt, wie schwierig es ist, den Gesundheitsschutz der Heimbewohner mit deren Grundrechten zu vereinen. Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass eine stationäre Pflegeeinrichtung für die Bewohner ihr Zuhause darstellt. Sie benötigen zwar den Schutz vor Infektionen, müssen jedoch auch stets selbstbestimmt über ihre Lebensbedingungen entscheiden können und dürfen.
Die Rücksprache zwischen der Einrichtung und den Bewohnern vor Ort sei dabei essenziell. Nur so könne auf die als wichtig erachteten Bewohnerbedürfnisse Rücksicht genommen werden. Die Stimme der Bewohnervertretung könne beispielsweise bei der Planung von Besuchskonzepten eine wichtige Rolle spielen. Entscheidungen über die Bewohnerköpfe hinweg würden deren Rechte und Würde verletzen – und das in ihrer womöglich letzten Lebenszeit.
Neue Aufgabenverteilung der Gesundheitsberufe:
Während der Pandemie wurden Pflegekräfte und andere Gesundheitsberufler mit mehr Verantwortung und neuen Aufgabenfeldern betreut, zum Beispiel mit der Ausübung von heilkundlichen Tätigkeiten. Eine solche Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe sei auch in Zukunft notwendig, so Westerfellhaus. „Aufgaben, wie beispielsweise die Versorgung chronischer Wunden, Diabetes oder Infusionstherapien sollten endlich auf Pflegefachkräfte übertragen werden.“
Die Fachkräfte müssten jedoch auch von einfacheren (Hilfs-)Tätigkeiten entlastet werden. Die Versorgung der Zukunft könne nur mit einem guten Mix verschiedener Personalqualifikationen und einer regelbetrieblichen Verantwortungs- und Aufgabenübertragung über die einzelnen Berufssektoren hinaus gelingen. Diese interprofessionelle Zusammenarbeit werde nun in einem Strategieprozess des Bundesgesundheitsministeriums vorangetrieben.
Flexibilität und Kontrolle beim Personaleinsatz:
Flexible Personaleinsatzregelungen und das Außerkrafttreten der Regelprüfungen seien notwendige Impulse für den rechtlichen Rahmen für akute Krisensituationen in Langzeitpflegeeinrichtungen gewesen. Jedoch hätten einige Einrichtungen diese „Flexibilität“ missverstanden. In virenfreien Einrichtungen hätten zum Teil keine Betreuungsangebote stattgefunden, da die Betreuungskräfte anderweitig eingesetzt worden seien. Allerdings sei der Einsatz zusätzlicher Betreuer und Betreuerinnen in pandemischen Zeiten von enormen Wert. Ein solch unsachgerechter Umgang müsse zukünftig konsequent kontrolliert und bei Unterlassen der Angebote auch sanktioniert werden.
Digitalisierung in der Pflege:
Die Maßnahmen zum Infektionsschutz hätten gezeigt, wie notwendig der Ausbau der Digitalisierung in Pflegeheimen ist, da sie für Patienten und Pflegebedürftige von hohem Nutzen sein kann. Alle Einrichtungen müssen demnach zeitnah an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen werden. Digitale Angebote würden schließlich die Vernetzung zwischen Bewohnern und deren Angehörigen verbessern und zudem die Kommunikation zwischen Pflegekräften, Ärzten, Therapeuten, Apothekern und Krankenhäusern erleichtern und beschleunigen.
Quelle: Bevollmächtigter der Bundesregierung für Pflege