Cannabis
Canna­bis Bild: Xtip/Pixabay.com

Die von der Bundes­re­gie­rung von Anfang ihrer Regie­rungs­zeit an beabsich­tigte größten­tei­lige Freigabe von Canna­bis wird konkret: Das Bundes­ka­bi­nett hat den Gesetz­ent­wurf zur größten­tei­li­gen Legali­sie­rung von THC-Produk­ten wie Marihuana oder Haschisch verab­schie­det.

Am Mittwoch stellte Bundes-Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) den Entwurf bei einer Presse­kon­fe­renz in Berlin vor. Demzu­folge soll Anbau und Besitz von Canna­bis unter stren­gen Bestim­mun­gen und Schutz­vor­keh­run­gen legal werden, für Minder­jäh­rige soll die Substanz weiter­hin illegal bleiben.

Bei der Versor­gung mit THC-halti­gen Produk­ten setzt die Bundes­re­gie­rung auf private, öffent­lich kontrol­lierte Anbau­ver­ei­ni­gun­gen oder ‑genos­sen­schaf­ten, sogenann­ten „Canna­bis-Social-Clubs“. Eine Zustim­mung im Bundes­tag kann als sicher gelten; der Bundes­rat – wo die Ampel­ko­ali­tion im Fall von Abstim­mun­gen der Länder streng nach jewei­li­ger Partei­li­nie bei weitem keine eigene Mehrheit hat – sei laut Einschät­zung Lauter­bachs nicht zustim­mungs­pflich­tig.

„Das Canna­bis­ge­setz markiert einen Wende­punkt einer leider geschei­ter­ten Canna­bis-Drogen­po­li­tik“, wieder­holte Lauter­bach seine frühe­ren Ausfüh­run­gen zum Thema. „Ziel ist, den Schwarz­markt und die Drogen­kri­mi­na­li­tät zurück­zu­drän­gen, das Dealen mit gestreck­ten oder toxischen Substan­zen einzu­däm­men und die Konsu­men­ten­zah­len zu drücken.“

Für Jugend­li­che bleibe der Konsum verbo­ten, für junge Erwach­sene soll er nur bedingt möglich sein. „Diese Einschrän­kung ist notwen­dig, denn Canna­bis schadet beson­ders dem noch wachsen­den Gehirn. Um zu verhin­dern, dass Heran­wach­sende trotz­dem konsu­mie­ren, starten wir bereits jetzt eine Aufklä­rungs­kam­pa­gne.“

Keines­falls bedeute die Legali­sie­rung eine Bagatel­li­sie­rung des Konsums von THC-Produk­ten, betont Lauter­bach weiter. „Niemand darf das Gesetz missver­ste­hen. Canna­bis­kon­sum wird legali­siert. Gefähr­lich bleibt er trotz­dem.“

Ein Dutzend Regeln im neuen Gesetz

Aus zwölf Eckpunk­ten besteht das Gesetz: Demnach ist Erwach­se­nen der private Eigen­an­bau von bis zu drei Canna­bis-Pflan­zen zum Eigen­kon­sum erlaubt. Hierbei muss entspre­chen­der Schutz vor dem Zugriff auf Canna­bis­pro­dukte durch Minder­jäh­rige oder unbefugte Dritte gewähr­leis­tet sein. Der Besitz von bis zu 25 Gramm Canna­bis ist zukünf­tig straf­frei.

Die zukünf­tig zu gründen­den Anbau­ver­ei­ni­gun­gen dürfen maximal 500 Mitglie­der haben, die aktiv an der Anbau­ar­beit mitwir­ken müssen. Sie dürfen ihren angebau­ten Canna­bis nur an Mitglie­der weiter­ge­ben. Hierbei gelten Höchst­men­gen von bis zu 25 Gramm am Tag und maximal 50 Gramm im Monat. Das Ganze unter stren­gen Quali­täts­vor­ga­ben, gesichert durch behörd­li­che Kontrolle.

Grund­sätz­lich darf Konsum­can­na­bis nur in Reinform, also als Marihuana (Canna­bis­blü­ten) oder Haschisch (Harz), abgege­ben werden.

Dem Jugend­schutz und der Allge­mein­prä­ven­tion wird mit folgen­den Bedin­gun­gen Rechnung getra­gen: Es gilt ein allge­mei­nes Werbe- und Sponso­ring­ver­bot für Konsum­can­na­bis und für Anbau­ver­ei­ni­gun­gen.

Zudem bestehen Konsum­ver­bots-Zonen im Umkreis von 200 Metern zum Eingang von Anbau­ver­ei­ni­gun­gen, Schulen, Kinder- und Jugend­ein­rich­tun­gen und Kinder­spiel­plät­zen, sowie darüber hinaus auf öffent­lich zugäng­li­chen Sport­stät­ten. Für Heran­wach­sende – Perso­nen zwischen 18 und 21 Jahren – gilt eine reduzierte Abgabe­menge von bis zu 30 Gramm pro Monat sowie eine Begren­zung des THC-Gehalts auf 10 Prozent.

Zudem soll es Präven­ti­ons­maß­nah­men der Bundes­zen­trale für gesund­heit­li­che Aufklä­rung (BZgA) sowie in den Anbau­ver­ei­ni­gun­gen geben, mit Infor­ma­tion und Beratung durch Präven­ti­ons­be­auf­tragte mit nachge­wie­se­nen Sachkennt­nis­sen und Koope­ra­tion mit lokalen Sucht­be­ra­tungs­stel­len.

Bereits 2017 ist Canna­bis­kon­sum in Deutsch­land ausschließ­lich zu medizi­ni­schen Zwecken unter stren­gen Aufla­gen erlaubt – denn Canna­bis kann offen­bar auch eine thera­peu­ti­sche Wirkung haben. Die Ampel­ko­ali­tion hatte bereits in ihrer Koali­ti­ons­ver­ein­ba­rung eine Libera­li­se­rung des Canna­bis-Konsums verein­bart. Insbe­son­dere ist das Vorha­ben eine Forde­rung der drei Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen der in der Bundes­re­gie­rung vertre­te­nen Parteien.

Deutsch­land würde damit zu den wenigen Staaten weltweit gehören, in denen der Konsum von Canna­bis (weitge­hend) legali­siert ist – hierzu gehören etwa Kanada, Mexiko, Uruguay, Luxem­burg, Malta, Georgien, Südafrika, Thailand sowie einige Bundes­staa­ten und Terri­to­rien der USA und Austra­lien. In weite­ren Gebie­ten der Welt, darun­ter zahlrei­che Staaten Mittel- und Südeu­ro­pas sowie Südame­ri­kas, ist Canna­bis zwar nicht legal, jedoch entkri­mi­na­li­siert.

Die Argumente für das Für und Wider einer Canna­bis-Freigabe hatten wir bereits Ende 2021 erörtert.

Sowohl Canna­bis-Gegner als auch ‑Befür­wor­ter kriti­sie­ren Geset­zes­ent­wurf

Kritik am Gesetz­ent­wurf kommt von beiden Seiten – den Gegnern einer Legali­sie­rung und den Befür­wor­tern einer noch weiter­ge­hen­den Freigabe. Vor allem von der opposi­tio­nel­len Unions­frak­tion im Bundes­tag wird Kritik laut. „Dieser Gesetz­ent­wurf macht Deutsch­land unsiche­rer. Polizei- und Justiz­ver­tre­ter fürch­ten zurecht eine Auswei­tung des krimi­nel­len Schwarz­markts.

Die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den werden im Ergeb­nis nicht entlas­tet, sondern stärker belas­tet, denn das neue Gesetz enthält mehr als 50 alte und neue Straf- und Ordnungs­wid­rig­kei­ten-Tatbe­stände“, so die Vize-Frakti­ons­vor­sit­zende Andrea Lindholz. Auch die „Anreize für einen erhöh­ten Canna­bis-Konsum unter Jugend­li­chen und jungen Erwach­se­nen“ seien höchst proble­ma­tisch, die Alters­grenze mit 18 Jahren zu niedrig angesetzt, da die Entwick­lung des Gehirns dann längst noch nicht abgeschlos­sen sei.

Die Gewerk­schaft der Polizei (GdP) kriti­sierte vor allem die „schwam­mi­gen und irritie­ren­den Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum bieten­den Formu­lie­run­gen“ im neuen Gesetz. Ein derart unaus­ge­go­re­nes Geset­zes­vor­ha­ben werde ohne vehemen­ten parla­men­ta­ri­schen Eingriff Konflikte zwischen Bevöl­ke­rung und Behör­den schüren, unter­strich der Bundes­vor­sit­zende der Gewerk­schaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke.

Der jetzige Stand werde zu immensen Belas­tun­gen für die Polizei, die Justiz und andere betei­ligte Behör­den führen. „Das können wir uns angesichts der Perso­nal­knapp­heit und einbre­chen­den Bewer­ben­denzah­len nicht leisten.“

Wenngleich der Deutsche Hanfver­band (DHV) die kommende größten­tei­lige Legali­sie­rung dem Grunde nach natür­lich begrüßt, kriti­siert er vehement die Ausge­stal­tung des Gesetz­ent­wurfs, vor allem das Klein-Klein der Regulie­run­gen. So sei das Konsum­ver­bot in Canna­bis-Anbau­clubs unrea­lis­tisch; die massi­ven Abstands­re­ge­lun­gen mache es den Verei­nen unnötig schwer, geeig­nete Stand­orte für ihre Räume zu finden.

Diese Mindest­ab­stände seien zudem nicht einhalt- und nachvoll­zieh­bar, da weder Konsu­men­ten noch Polizei genau wissen könnten, ob sich inner­halb von 200 Metern vom eigenen Stand­ort die bereits genann­ten schutz­wür­di­gen Einrich­tun­gen – Schulen, Kitas, Jugend­zen­tren oder Spiel­plätze – finden ließen.

Zudem sei die Andro­hung von Strafen und Bußgel­dern bei kleinen Überschrei­tun­gen völlig übertrie­ben, so der Verband. „Der Besitz von 25 Gramm ist vollkom­men legal, für den Besitz von 26 Gramm drohen bis zu drei Jahre Freiheits­strafe.

Für den Konsum im Abstand von 199 Metern von einer Schule drohen bis zu 100.000 Euro Bußgeld“, bringt er Beispiele hierfür. Zudem sei die Grenze von drei Pflan­zen zum Eigen­an­bau zu niedrig; gleiches gelte für den maxima­len Privat­be­sitz von 25 Gramm.