Der Vorsitzende der deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß hat jüngst erklärt, dass er bald keinen Grund mehr für eine Impfpflicht sieht. „Wenn die Politik nach Abwägung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Pandemie vorbei ist und es deshalb keine Impfpflicht mehr braucht, dann gibt es eine neue Lage“, erklärte Gaß dem „Handelsblatt“.
Sollte es also durch die Omikron-Variante zu einer neuen Pandemielage kommen, „dann gäbe es aus meiner Sicht auch keinen Grund, an der allgemeinen und vor allem einrichtungsbezogenen Impfpflicht festzuhalten, die ja bereits beschlossen ist“, sagte er. Wenn Corona nach einer Neubewertung der Pandemielage nur noch „als Grippe angesehen wird, dann muss das Virus auch so behandelt werden – und gegen eine Grippe gibt es keine Impfpflicht für medizinisches Personal“, so Gaß weiter.
Impfnachweis bis zum 15. März fällig
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt für alle Menschen, die zum Beispiel in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Einrichtungen für Behinderte, Arztpraxen, bei Rettungsdiensten oder in Entbindungseinrichtungen arbeiten. Wer also dort arbeitet, muss bis zum 15. März einen Nachweis über eine Impfung oder Genesung vorlegen. Wer aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden kann, kann auch ein ärztliches Attest hierüber vorlegen.
Unterstützung für die Impfpflicht vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe und Bochumer Bund
Der deutsche Berufsverband für Pflegeberufe hat sich indes positiv gegenüber der einrichtungsbezogenen Impfpflicht geäußert. „Teilweise konnten Mitglieder unsere Position nicht nachvollziehen, andere haben dagegen sehr positiv auf unsere Haltung reagiert“, heißt es vom Verband auf Nachfrage der „Rechtsdepesche“.
Mitglieder, die sich bis jetzt noch nicht geimpft haben, versucht der Verband weiterhin von einer Impfung zu überzeugen: „Wir haben von Beginn an für die Impfung geworben und auch (…) ein auf berufliche Pflegende zugeschnittenes Informations- und Aufklärungsangebot gemacht“. Zudem setzt der Verband auf Gespräche über die Impfung zwischen den Kollegen, um so eventuelle Unsicherheiten und Sorgen aus dem Weg zu räumen.
Wie der Verband Mitgliedern helfen möchte, die wegen der Impfpflicht eine Kündigung erhalten, kann der Verband nicht endgültig beantworten. „Wir bemühen uns aktuell vor allem um die Klärung vieler offener Fragen, die mit der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht einhergehen. Konkrete Anfragen von Mitgliedern liegen uns vor allem zu offenen Umsetzungsfragen vor. Gegebenenfalls folgende Anfragen von Mitgliedern müssen immer individuell betrachtet werden, sodass wir hier kein generelles Statement abgeben können“, heißt es in ihrer Erklärung gegenüber der „Rechtsdepesche“.
Die Pflege-Gewerkschaft BochumerBund steht der Impfpflicht ebenfalls positiv gegenüber, übt jedoch Kritik an der für März geplanten einrichtungsbezogenen Impfpflicht. „Nur wenige Mitglieder unserer Gewerkschaft lehnen die Impfpflicht ab. Wir im Vorstand sehen nur mit einer Impfpflicht den Weg aus der Pandemie“, sagte Vorstandsvorsitzende des „Bochumer Bunds“, Heide Schneider, gegenüber der „Rechtsdepesche“. Für sie mache eine Impfpflicht nur dann Sinn, wenn sie allgemeingültig sei: „Nur eine einrichtungsbezogene Impfpflicht, die eventuell Ausnahmen oder neue Übergangspflichten und somit einen hohen bürokratischen Aufwand mit sich bringen, sehen wir nicht als zielführend an“, so Schneider weiter.
Hilfe bei möglichen Kündigungen durch Rechtsberatung
Müssen Mitglieder des „Bochumer Bunds“ aufgrund der Impfpflicht möglicherweise doch Sanktionen befürchten, werden diese an den eigenen Rechtsschutzversicherer weitergeleitet. Dieser würde dann über das weitere Vorgehen entscheiden, erklärt Schneider.
Sollten sich Pflegekräfte allerdings „rechtswidrig“ verhalten, gebe es keine rechtliche Grundlage, nach der Gewerkschaften oder die Versicherer Rechtsbeistand gewähren müssten.
Abwanderung und Kündigungen erwartet
In den Krankenhäusern ist die Zahl der Mitarbeit, die nicht geimpft sind, zumindest vergleichsweise gering. Rund vier Prozent haben hier noch keine Impfung (siee Grafik oben). Durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht könnte jedoch gerade diese Minderheit Probleme bekommen.
Denn durch die neue Regelung sind die Arbeitgeber dazu gezwungen den Impf- oder Genesenenstatus ihrer Beschäftigten zu prüfen und auf Verlangen dem Gesundheitsamt vorzulegen. Sollte der Arbeitgeber dem nicht nachkommen, wird dies als Ordnungswidrigkeit behandelt und es drohen Bußgelder. Starke Kontrollen von den Arbeitgebern sind also zu erwarten. Dennoch sollen Kliniken auch einen gewissen Spielraum haben. Das Bundesgesundheitsministerium teilte dem Bayerischen Rundfunk mit: „Bei Nichtvorlage des Nachweises trotz Aufforderung entscheidet das zuständige Gesundheitsamt nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall über die weiteren Maßnahmen (z.B. ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot) und wird dabei auch die Personalsituation in der Einrichtung berücksichtigen“. Dennoch haben viele Mitarbeiter Angst vor einer Kündigung oder erwägen sogar einen Jobwechsel.
Vorerst ist jedoch keine signifikante Kündigungswelle zu beobachten. Der deutsche Pflegerat geht indes davon aus, dass die Impfpflicht noch zu einigen Kündigungen führen wird. Diese betreffe jedoch weniger das Pflegefachpersonal, sondern unterstützende Tätigkeiten wie die Betreuungsassistenz, sagte Pflegeratspräsidentin Christine Vogler den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Allgemeine Impfpflicht in Planung
Während im März erst die einrichtungsbezogene Impfpflicht eingeführt wird, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass schnell auch eine allgemeine Impfpflicht eingeführt werden müsse. Gegenüber „RTL Direkt“ erklärte er, dass sie schon im Mai in Kraft treten könnte. Zur Begründung sagte er, dass es Zeit brauche, bis Ungeimpfte vor einer weiteren Corona-Welle im Herbst vollständig immunisiert seien. Sie müssen „drei Impfzyklen durchlaufen (…) und bis dahin ist man dann schon im September oder Oktober“. Ende Februar bzw. Anfang März erwartet Lauterbach dazu die ersten Debatten im Bundestag.
Quellen: Bayerischer Rundfunk, Tagesschau, Handelsblatt, Robert Koch Institut, RTL Direkt