Arbeitsgruppe der Sektion Pflege der Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) hat Stellung zur aktuellen Situation der Intensivpflege in Deutschland bezogen.
Arbeits­gruppe der Sektion Pflege der Deutsche Gesell­schaft für Inter­nis­ti­sche Inten­siv­me­di­zin und Notfall­me­di­zin (DGIIN) hat Stellung zur aktuel­len Situa­tion der Inten­siv­pflege in Deutsch­land bezogen. Bild: Photo 78573151 © Sudok1 – Dreamstime.com

Die Sektion Pflege der Deutschen Gesell­schaft für Inter­nis­ti­sche Inten­siv­me­di­zin und Notfall­me­di­zin (DGIIN) fordert in einer Stellung­nahme eine zukünf­tig stärkere Einbe­zie­hung von Pflege­fach­per­so­nen in politi­sche Entschei­dun­gen, die die Berufs­gruppe der Pflege­fach­kräfte betrifft.

Die DGIIN bezieht sich dabei auf die aktuelle Lage der Inten­siv­pflege. Im Zuge der COVID-19-Pande­mie sei die Aufmerk­sam­keit und Wertschät­zung von Seiten der Bevöl­ke­rung für den Pflege­be­ruf im positi­ven Sinne angestie­gen. Trotz der gesell­schaft­li­chen und media­len Betitelung und Anerken­nung als system­re­le­vante Berufs­gruppe habe sich das tradi­tio­nell bestehende Bild der Pflege der letzten Jahre jedoch nicht wirklich geändert.

Zwar konnte das deutsche Gesund­heits­sys­tem auf die Konse­quen­zen der Pande­mie in weiten Teilen sehr gut reagie­ren, durch zum Beispiel den schnel­len Aufbau von Betten­ka­pa­zi­tä­ten für die inten­siv­me­di­zi­ni­sche Versor­gung. Dies fällt jedoch zulas­ten der Pflegen­den und Medizi­ner, die zum Teil ohne ausrei­chende Einar­bei­tung und fachge­rech­tes Schutz­ma­te­rial arbei­ten müssen. Dazu kommt der Ausfall des Arbeits­schutz­ge­set­zes und der Perso­nal­un­ter­gren­zen­ver­ord­nung, sowie der Einsatz von fremdem Perso­nal oder fremder Hilfs­kräf­ten auf Inten­siv­sta­tio­nen und die Aufsto­ckung von zusätz­li­chen Betten­ka­pa­zi­tä­ten ohne Anpas­sung des Betreu­ungs­schlüs­sels. Diese aktuel­len Anpas­sun­gen seien auf der einen Seite aufgrund der globa­len Entwick­lun­gen notwen­dig gewesen, auf der anderen Seite bleiben die daraus resul­tie­ren­den Probleme bis dato ungelöst – trotz bereits mehr als zwei Monaten der Krise. Dies sei in einem Land wie Deutsch­land inakzep­ta­bel, so die DGIIN.

Für eine Rückkehr in den Normal­be­trieb müsse man aus den jüngs­ten Erfah­run­gen lernen und dabei auf die fachli­che Exper­tise von Pflege­fach­per­so­nen zurück­grei­fen. Die DGIIN wünscht sich daher eine Einbin­dung derer in allen Berei­chen der Entschei­dungs­fin­dung. Dazu zählen die Entwick­lung von Pande­mie­plä­nen, Leitli­nien, Einsatz­plä­nen und Präven­ti­ons­maß­nah­men wie auch die Mitge­stal­tung im Bereich Public Health.

Konkret wünscht sich die DGIIN eine Betei­li­gung von Pflege­fach­per­so­nal bei:

Monito­ring der Inten­siv­ka­pa­zi­tä­ten unter Einbe­zug eines quali­fi­zier­ten Betreu­ungs­schlüs­sels:
Die Deutsche Inter­dis­zi­pli­näre Verei­ni­gung für Inten­siv- und Notfall­me­di­zin (DIVI) hat mit Beginn der COVID-19-Pande­mie ein Inten­siv­re­gis­ter erstellt, mit dem der Aufbau und die Belegung von Inten­siv- und Beatmungs­bet­ten einge­se­hen werden kann. Die DGIIN begrüßt dies ausdrück­lich, weist jedoch darauf hin, dass eine entspre­chende Liste mit Angaben zur Perso­nal­stärke, Perso­nal­qua­li­fi­ka­tio­nen und Betreu­ungs­ver­hält­nis­sen ebenso notwen­dig für eine quali­ta­tiv hochwer­tige Versor­gung der Patien­ten ist, da Betten alleine keine Patien­ten­ver­sor­gung gewähr­leis­ten.

Konzep­tion von Schulungs­pro­gram­men:
Pflege­fach­per­so­nen sollten zudem bei der Planung und Durch­füh­rung von (Kurz-)Schulungsprogrammen und Einwei­sun­gen mitwir­ken. Die Programme stehen Pflegen­den zur Verfü­gung, die kurzfris­tig und tempo­rär in der Inten­siv­ver­sor­gung einge­setzt werden. Dabei sollte beach­tet werden, dass eine Kurzein­wei­sung hier nicht immer zu einem vollum­fäng­li­chen ITS-Einsatz befähigt. Notwen­dig sei eine Schulung der theore­ti­schen Grund­la­gen und prakti­schen Anwen­dun­gen, zum Beispiel über Workshops. Die Rekru­tie­rung des für die Durch­füh­rung der Schulun­gen geeig­ne­ten Perso­nals könne beispiels­weise über die Landes­pfle­ge­kam­mern, Fachge­sell­schaf­ten oder Bildungs­trä­ger erfol­gen.

Integra­tion Angehö­ri­ger und psycho­so­ziale Betreu­ung:
Die zum Schutze der Patien­ten und Mitar­bei­ter einge­schränkte bzw. unter­sagte Besuchs­er­laub­nis in Klini­ken oder Heimen trägt ebenfalls weitrei­chende Konse­quen­zen mit sich. Der fehlende Kontakt zu engen Bezugs­per­so­nen rufe Angst oder Depres­sio­nen hervor, erschwere die Kommu­ni­ka­tion und wirke sich damit auch negativ auf die Findung indivi­du­el­ler Thera­pie­ziele aus.

Daher sei es für poten­zi­elle, vergleich­bare Krisen von Vorteil, über die bessere Einbin­dung von Angehö­ri­gen nachzu­den­ken. Es stehen digitale Möglich­kei­ten der Kommu­ni­ka­tion zur Verfü­gung, die die physi­sche Besucher­an­we­sen­heit erset­zen können. Zusätz­lich müsse die seelsor­ge­ri­sche Betreu­ung der Patien­ten in Pande­mie­zei­ten gewähr­leis­tet sein. Über Sonder­re­ge­lun­gen in beson­de­ren Fällen (Geburts­hilfe, lebens­be­droh­li­che Akutsi­tua­tio­nen etc.) soll indivi­du­ell entschie­den werden.

Entwick­lung von Hygiene- und Pande­mie­plä­nen:
Durch den tägli­chen Umgang mit (poten­zi­ell) infizier­ten und immun­sup­p­ri­mier­ten Patien­ten weisen Pflege­kräfte eine hohe Exper­tise im Bereich der Hygiene und im Umgang mit infek­tiö­sem Material auf. Aber auch im Bereich der Pande­mie­pla­nung könne die Erfah­rung des Fachper­so­nals, zum Beispiel mit dem erhöh­ten Arbeits­auf­kom­men bei gleich­zei­ti­ger Ressour­cen­knapp­heit zu einem erfolg­rei­chen Konzept für Krisen­si­tua­tio­nen beitra­gen.

Neure­ge­lung der Perso­nal­be­rech­nung:
Dass die Perso­nal­un­ter­gren­zen­ver­ord­nung durch die Pande­mie weichen musste, sei laut DGIIN nicht verständ­lich. Die Arbeits­be­din­gun­gen der letzten Jahre hätten nachweis­lich zu einer Jobflucht und damit zu Perso­nal­man­gel in der Pflege geführt.

Damit auch der Einsatz von Hilfs­kräf­ten oder ungeschul­tem Perso­nal in Zukunft vermie­den werden könne, sei eine Perso­nal­be­mes­sung für den reellen Pflege­auf­wand in der Inten­siv­pflege notwen­dig, die sowohl belegte als auch vorge­hal­tene Betten berück­sich­tigt. Eine Vorhal­tung von Betten bedeute indes auch eine Vorhal­tung von Perso­nal. Die Orien­tie­rung an Perso­nal-Mindest­men­gen sei dabei auf Dauer jedoch fahrläs­sig.

Die Sektion Pflege erklärt sich zudem expli­zit bereit, zukünf­tig an jegli­chen Prozes­sen mitzu­ar­bei­ten.