Die Sektion Pflege der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) fordert in einer Stellungnahme eine zukünftig stärkere Einbeziehung von Pflegefachpersonen in politische Entscheidungen, die die Berufsgruppe der Pflegefachkräfte betrifft.
Die DGIIN bezieht sich dabei auf die aktuelle Lage der Intensivpflege. Im Zuge der COVID-19-Pandemie sei die Aufmerksamkeit und Wertschätzung von Seiten der Bevölkerung für den Pflegeberuf im positiven Sinne angestiegen. Trotz der gesellschaftlichen und medialen Betitelung und Anerkennung als systemrelevante Berufsgruppe habe sich das traditionell bestehende Bild der Pflege der letzten Jahre jedoch nicht wirklich geändert.
Zwar konnte das deutsche Gesundheitssystem auf die Konsequenzen der Pandemie in weiten Teilen sehr gut reagieren, durch zum Beispiel den schnellen Aufbau von Bettenkapazitäten für die intensivmedizinische Versorgung. Dies fällt jedoch zulasten der Pflegenden und Mediziner, die zum Teil ohne ausreichende Einarbeitung und fachgerechtes Schutzmaterial arbeiten müssen. Dazu kommt der Ausfall des Arbeitsschutzgesetzes und der Personaluntergrenzenverordnung, sowie der Einsatz von fremdem Personal oder fremder Hilfskräften auf Intensivstationen und die Aufstockung von zusätzlichen Bettenkapazitäten ohne Anpassung des Betreuungsschlüssels. Diese aktuellen Anpassungen seien auf der einen Seite aufgrund der globalen Entwicklungen notwendig gewesen, auf der anderen Seite bleiben die daraus resultierenden Probleme bis dato ungelöst – trotz bereits mehr als zwei Monaten der Krise. Dies sei in einem Land wie Deutschland inakzeptabel, so die DGIIN.
Für eine Rückkehr in den Normalbetrieb müsse man aus den jüngsten Erfahrungen lernen und dabei auf die fachliche Expertise von Pflegefachpersonen zurückgreifen. Die DGIIN wünscht sich daher eine Einbindung derer in allen Bereichen der Entscheidungsfindung. Dazu zählen die Entwicklung von Pandemieplänen, Leitlinien, Einsatzplänen und Präventionsmaßnahmen wie auch die Mitgestaltung im Bereich Public Health.
Konkret wünscht sich die DGIIN eine Beteiligung von Pflegefachpersonal bei:
Monitoring der Intensivkapazitäten unter Einbezug eines qualifizierten Betreuungsschlüssels:
Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hat mit Beginn der COVID-19-Pandemie ein Intensivregister erstellt, mit dem der Aufbau und die Belegung von Intensiv- und Beatmungsbetten eingesehen werden kann. Die DGIIN begrüßt dies ausdrücklich, weist jedoch darauf hin, dass eine entsprechende Liste mit Angaben zur Personalstärke, Personalqualifikationen und Betreuungsverhältnissen ebenso notwendig für eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten ist, da Betten alleine keine Patientenversorgung gewährleisten.
Konzeption von Schulungsprogrammen:
Pflegefachpersonen sollten zudem bei der Planung und Durchführung von (Kurz-)Schulungsprogrammen und Einweisungen mitwirken. Die Programme stehen Pflegenden zur Verfügung, die kurzfristig und temporär in der Intensivversorgung eingesetzt werden. Dabei sollte beachtet werden, dass eine Kurzeinweisung hier nicht immer zu einem vollumfänglichen ITS-Einsatz befähigt. Notwendig sei eine Schulung der theoretischen Grundlagen und praktischen Anwendungen, zum Beispiel über Workshops. Die Rekrutierung des für die Durchführung der Schulungen geeigneten Personals könne beispielsweise über die Landespflegekammern, Fachgesellschaften oder Bildungsträger erfolgen.
Integration Angehöriger und psychosoziale Betreuung:
Die zum Schutze der Patienten und Mitarbeiter eingeschränkte bzw. untersagte Besuchserlaubnis in Kliniken oder Heimen trägt ebenfalls weitreichende Konsequenzen mit sich. Der fehlende Kontakt zu engen Bezugspersonen rufe Angst oder Depressionen hervor, erschwere die Kommunikation und wirke sich damit auch negativ auf die Findung individueller Therapieziele aus.
Daher sei es für potenzielle, vergleichbare Krisen von Vorteil, über die bessere Einbindung von Angehörigen nachzudenken. Es stehen digitale Möglichkeiten der Kommunikation zur Verfügung, die die physische Besucheranwesenheit ersetzen können. Zusätzlich müsse die seelsorgerische Betreuung der Patienten in Pandemiezeiten gewährleistet sein. Über Sonderregelungen in besonderen Fällen (Geburtshilfe, lebensbedrohliche Akutsituationen etc.) soll individuell entschieden werden.
Entwicklung von Hygiene- und Pandemieplänen:
Durch den täglichen Umgang mit (potenziell) infizierten und immunsupprimierten Patienten weisen Pflegekräfte eine hohe Expertise im Bereich der Hygiene und im Umgang mit infektiösem Material auf. Aber auch im Bereich der Pandemieplanung könne die Erfahrung des Fachpersonals, zum Beispiel mit dem erhöhten Arbeitsaufkommen bei gleichzeitiger Ressourcenknappheit zu einem erfolgreichen Konzept für Krisensituationen beitragen.
Neuregelung der Personalberechnung:
Dass die Personaluntergrenzenverordnung durch die Pandemie weichen musste, sei laut DGIIN nicht verständlich. Die Arbeitsbedingungen der letzten Jahre hätten nachweislich zu einer Jobflucht und damit zu Personalmangel in der Pflege geführt.
Damit auch der Einsatz von Hilfskräften oder ungeschultem Personal in Zukunft vermieden werden könne, sei eine Personalbemessung für den reellen Pflegeaufwand in der Intensivpflege notwendig, die sowohl belegte als auch vorgehaltene Betten berücksichtigt. Eine Vorhaltung von Betten bedeute indes auch eine Vorhaltung von Personal. Die Orientierung an Personal-Mindestmengen sei dabei auf Dauer jedoch fahrlässig.
Die Sektion Pflege erklärt sich zudem explizit bereit, zukünftig an jeglichen Prozessen mitzuarbeiten.
Die komplette Stellungnahme des DGIIN können Sie hier nachlesen.