Prof. Gertrud Hundenborn.
Prof. Gertrud Hunde­n­born, emeri­tierte Profes­so­rin für Pflege­päd­ago­gik und Pflege­fach­di­dak­tik an der Katho­li­schen Hochschule Nordrhein-Westfa­len im Fachbe­reich Gesund­heits­we­sen. Die Entwick­lung der Curri­cula für die neue Pflege­aus­bil­dung hat sie maßgeb­lich mitge­stal­tet.

Künftig werden alle Auszu­bil­den­den in der Pflege genera­lis­tisch ausge­bil­det. So wurde es mit Verab­schie­dung des Pflege­be­ru­fe­ge­set­zes im Juli 2017 entschie­den. Die Trennung der Ausbil­dun­gen in die Berei­che Gesund­heits- und Kranken­pflege, Gesund­heits-und Kinder­kran­ken­pflege und Alten­pflege gehört damit der Vergan­gen­heit an. Von nun an erhal­ten alle Auszu­bil­den­den in den ersten zwei Jahren eine gemein­same, genera­lis­ti­sche Pflege­aus­bil­dung. Im dritten Jahr können sie sich dann unter bestimm­ten Voraus­set­zun­gen entschei­den, ob sie die genera­lis­ti­sche Ausbil­dung zur „Pflege­fach­frau“ bzw. zum „Pflege­fach­mann“ fortfüh­ren oder sich auf einen Bereich, den der Alten­pflege oder der Gesund­heits- und Kinder­kran­ken­pflege, fokus­sie­ren.

In einem ersten Inter­view haben wir Prof. Gertrud Hunde­n­born bereits zu einigen Neuerun­gen befragt, die mit der neuen Pflege­aus­bil­dung einher­ge­hen. Darin ging es vor allem um die vorbe­hal­te­nen Tätig­kei­ten, die Prof. Hunde­n­born zufolge eine echte „histo­ri­sche Errun­gen­schaft“ darstel­len, für die die Berufs­gruppe lange gekämpft habe. Prof. Gertrud Hunde­n­born, selbst einst exami­nierte Kranken­schwes­ter und Profes­so­rin (em.) für Pflege­päd­ago­gik und Pflege­fach­di­dak­tik an der Katho­li­schen Hochschule Nordrhein-Westfa­len im Fachbe­reich Gesund­heits­we­sen, ist eine absolute Exper­tin auf dem Gebiet der Genera­lis­tik und setzt sich seit 25 Jahren für eine genera­lis­ti­sche Pflege­aus­bil­dung nach europäi­schem Standard ein. Die Entwick­lung der Curri­cula für die neue Ausbil­dung hat sie maßgeb­lich und feder­füh­rend mitge­stal­tet. Daher wollten wir von ihr noch mehr über die neue Ausbil­dung wissen und haben Prof. Hunde­n­born zu weite­ren Neuerun­gen befragt. Dabei haben uns vor allem die neuen Aufga­ben­fel­der inter­es­siert, die künftig für die Auszu­bil­den­den bereit­ste­hen:

Rechts­de­pe­sche: Die Heilkun­de­über­tra­gungs­richt­li­nie wurde mit in das Pflege­be­ru­fe­ge­setz aufge­nom­men, sodass künftig bestimmte ärztli­che Tätig­kei­ten auf die Pflege substi­tu­iert werden können. Welche Möglich­kei­ten bestehen bezogen auf die Quali­fi­zie­rung zur Übernahme ärztli­cher Tätig­kei­ten?

Hunde­n­born: Das ist wirklich eine weitere Neuerung des Pflege­be­ru­fe­ge­set­zes, dass während der Ausbil­dung an einer Pflege­schule oder an einer Hochschule erwei­terte Kompe­ten­zen für die Übernahme heilkund­li­cher Tätig­kei­ten erwor­ben werden können – dies im Rahmen von Modell­ver­su­chen. Details, unter welchen Bedin­gun­gen sich Einrich­tun­gen an diesen Modell­ver­su­chen betei­li­gen können, regelt § 14 Pflege­be­ru­fe­ge­setz. Diese Regelung wurde bewusst ausdrück­lich mit ins das Gesetz aufge­nom­men, um Modell­ver­su­che voran­zu­trei­ben, die zwar bereits seit etlichen Jahren möglich sind, bislang jedoch kaum durch­ge­führt werden.

Rechts­de­pe­sche: Es gibt insge­samt fünf Indika­tio­nen, für die die Übernahme heilkund­li­cher Tätig­kei­ten von Pflegen­den vorge­se­hen sind. Müssen alle diese Indika­tio­nen in der Ausbil­dung erfasst werden oder besteht die Möglich­keit, diese Kompe­ten­zen nur in einzel­nen Berei­chen, wie zum Beispiel im Wundma­nage­ment, zu erwer­ben?

Hunde­n­born: Erst einmal hat die Fachkom­mis­sion nach § 53 Pflege­be­ru­fe­ge­setz den Auftrag, Module für die Übernahme heilkund­li­cher Tätig­kei­ten zu entwi­ckeln. Dies wird in den nächs­ten Monaten gesche­hen und diese Module müssen vom Bundes­ge­sund­heits- und Bundes­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rium anerkannt werden. Die Einrich­tun­gen, die an Modell­ver­su­chen inter­es­siert sind, brauchen dann selbst keine Module dafür zu entwi­ckeln, sondern können für ihr erwei­ter­tes Ausbil­dungs­an­ge­bot hierauf zurück­grei­fen.

Ich kann mir kaum vorstel­len, dass eine Einrich­tung das Angebot machen wird, die Kompe­ten­zen für alle fünf diagno­se­be­zo­ge­nen und für die proze­du­ren­be­zo­ge­nen heilkund­li­chen Aufga­ben zu vermit­teln. Vielmehr wird es eine Auswahl geben, die dem beson­de­ren Versor­gungs­pro­fil der Einrich­tun­gen entspricht.

Meines Wissens nach gibt es bislang einen einzi­gen Studi­en­gang, der heilkund­li­che Tätig­kei­ten integriert. Das ist der Studi­en­gang „Evidenz­ba­sierte Pflege“ – ein Bache­lor-Studi­en­gang der Univer­si­tät Halle, der das Studium mit einer Erstaus­bil­dung im Pflege­be­ruf verbin­det und die Übernahme heilkund­li­cher Tätig­kei­ten im Bereich Diabe­tes Typ II und Wundver­sor­gung beinhal­tet. Das sind insge­samt zwei der fünf diagno­se­be­zo­ge­nen Berei­che, die im Studium angebo­ten werden.

Rechts­de­pe­sche: Also empfiehlt es sich, bei der Wahl der Ausbil­dungs­ein­rich­tung bereits darauf zu achten, ob bzw. welche Module zusätz­lich angebo­ten werden?

Hunde­n­born: Ganz genau. Und diese erwei­ter­ten Kompe­ten­zen sind auch an die Ausbil­dung gebun­den, sie können vorerst nur – solange sie an Modell­ver­su­che gebun­den sind – im Rahmen der Ausbil­dung erwor­ben werden, nicht durch Fort- und Weiter­bil­dung. Nur hierdurch kann sicher­ge­stellt werden, dass die Module in Bundes­zu­stän­dig­keit einheit­lich gestal­tet und entwi­ckelt werden. Im Bereich von Fort- und Weiter­bil­dung sind dagegen die Länder zustän­dig, und dann wäre die Entwick­lung einheit­li­cher, standar­di­sier­ter Vorga­ben nicht mehr sicher­ge­stellt. Deswe­gen bleibt der Erwerb erwei­ter­ter Kompe­ten­zen nach § 63 Absatz 3c SGB V vorerst an die Ausbil­dung gebun­den.

Rechts­de­pe­sche: Wird sich die Ausbil­dung dadurch verlän­gern?

Hunde­n­born: Ja, die Ausbil­dung wird sich dem Umfang der zu erwer­ben­den erwei­ter­ten Kompe­ten­zen entspre­chend verlän­gern. Die Angabe einer genauen Dauer ist von den noch zu entwi­ckeln­den Modulen abhän­gig. Es wird sich dabei um ein geson­der­tes curri­cu­la­res Programm handeln, das in die Ausbil­dung integriert wird und bei dem auch andere Lehrende einge­setzt und zusätz­li­che Prüfun­gen vor einem spezi­fisch zusam­men­ge­setz­ten Prüfungs­aus­schuss abgelegt werden.

Rechts­de­pe­sche: Und ist bereits geregelt, wie die Ausbil­dun­gen künftig finan­ziert werden?

Hunde­n­born: Die Finan­zie­rung ist geregelt, und zwar über die Pflege­be­rufe-Ausbil­dungs­fi­nan­zie­rungs­ver­ord­nung. Grund­sätz­lich wird die Ausbil­dung über einen Fonds finan­ziert, der auf Landes­ebene einge­rich­tet und auch von den Ländern verwal­tet wird. Ambulante und statio­näre Pflege­ein­rich­tun­gen, Kranken­häu­ser, die Pflege­kas­sen und die Länder zahlen in diesen Fonds nach gesetz­lich festge­leg­ten Antei­len ein. Zur Finan­zie­rung der Ausbil­dungs­kos­ten erhal­ten sowohl die Träger der prakti­schen Ausbil­dung als auch die Pflege­schu­len Ausbil­dungs­bud­gets aus dem Ausgleichs­fonds.

Sicher­lich neu ist, dass es künftig getrennte Budgets für die schuli­sche und die betrieb­li­che Ausbil­dung gibt, welche an die Pflege­schu­len einer­seits und an die Träger der prakti­schen Ausbil­dung anderer­seits ausge­zahlt werden. Grund­sätz­lich können Pauschal­bud­gets oder Indivi­du­al­bud­gets verein­bart werden. Die Entschei­dung hierüber sowie die Festset­zung der Höhe der Beträge, die jährlich festge­legt und aus dem Ausgleichs­fonds gezahlt werden, sind in den Bundes­län­dern inzwi­schen abgeschlos­sen.

Rechts­de­pe­sche: Und dann fällt ja auch kein Schul­geld mehr an, richtig?

Hunde­n­born: Nein, genau. Das war immer noch in einzel­nen Bundes­län­dern für die Alten­pflege, der Fall. Die Schüle­rin­nen und Schüler haben also teilweise noch für ihre Ausbil­dung bezahlt, während die Ausbil­dung in der Kranken- und Kinder­kran­ken­pflege schon lange über das Kranken­haus­fi­nan­zie­rungs­ge­setz geregelt wurde und die Schüle­rin­nen und Schüler in diesen Ausbil­dungs­be­ru­fen eine Ausbil­dungs­ver­gü­tung erhal­ten haben. Diese ist künftig für alle Auszu­bil­den­den sicher­ge­stellt.

Rechts­de­pe­sche: Eine sehr positive Neuerung. Ich danke Ihnen herzlich für das Inter­view.

Hunde­n­born: Ja absolut. Und sehr gerne, ich danke auch.