Hier im Krankenhaus Maria-Hilf in Daun und in der Pflegeschule, die sich gleich dahinter befindet, nennt sie jeder „Miora“. Das findet sie völlig in Ordnung, denn sie weiß, dass sich nicht jeder ihren ganzen Namen gleich merken kann.
Schon als Kind die eigenen Großeltern gepflegt
Eigentlich heißt sie Volanirina Mioraniaina Rasoamalala und sie kommt aus Madagaskar. Die 27-Jährige ist vor fünf Jahren in der Hauptstadt Antananarivo in ein Flugzeug gestiegen, weil sie sich im mehr als 8.000 Kilometer entfernten Deutschland ihren ganz großen Traum erfüllen wollte: „Ich wollte eine Ausbildung zur Krankenschwester machen. Auch meine Mutter hat immer zu mir gesagt, dass das der richtige Beruf für mich wäre, weil ich schon mit neun Jahren gerne geholfen habe, meine Oma zu pflegen.“
Damals habe sie mit ihren Eltern zusammen in dem einen Zimmer geschlafen und gleich nebenan sei das Zimmer des Großvaters und der bettlägerigen Großmutter gewesen. Die Tür dazwischen sei immer offen gewesen, so dass sie jederzeit Hilfe bekommen habe. Miora erzählt gerne von Zuhause, denn das bringt ihr die weit entfernte Familie für den Moment ganz nah: „Nach der Schule habe ich der Oma die Bettpfanne gebracht, wenn sie auf die Toilette musste. Ich habe sie auch gewaschen, ihr die Haare gekämmt und die Fingernägel geschnitten.“
Mit 16 Jahren gezwungen Geld zu verdienen
Damals habe sie schon gewusst, dass die Krankenversorgung für die Familie teuer sei, weil jedes Medikament bezahlt werden musste. „Sogar in einem Notfall muss man den Krankenwagen, Verbände, Medikamente oder den Sauerstoff pro Minute bezahlen.“
Nachdem sie mit 16 Jahren die Schule beendet hatte, sei sie gezwungen gewesen, Geld zu verdienen. Hätte sie stattdessen in der Heimat die Ausbildung zur Krankenschwester begonnen, dann hätte sie nicht nur gar kein Geld verdient, sondern auch noch monatlich dafür bezahlen müssen: „Das konnten wir uns einfach nicht leisten. Ich musste deshalb eine Möglichkeit finden, die Ausbildung zu machen und dabei auch noch etwas zu verdienen, um meine Familie zu unterstützen.“
Pflegeausbildung in Deutschland als Lösung
Die Lösung war aus ihrer Sicht Deutschland. Sie habe damals gehört, dass man hier eine besonders gute Ausbildung machen könne und dass man während der Ausbildung bezahlt würde.
Dennoch stieg sie zunächst in ein Flugzeug nach Luxemburg – aus ganz praktischen Gründen: Sie sprach kein Wort Deutsch. In Madagaskar ist neben der Landessprache Malagasy auch Französisch Amtssprache.
Deshalb hat sie sich zunächst eine Stelle als Au Pair einer Gastfamilie im Nachbarland gesucht. Von dort aus bereitete sie ihren nächsten Schritt vor: Sie besuchte Deutsch-Kurse und bewarb sich um ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im gleich angrenzenden Bundesland Rheinland-Pfalz, genauer: im Krankenhaus in Adenau.
Einstieg über das FSJ
Neben dem üblichen Taschengeld von 300 Euro übernahm das Krankenhaus die Kosten für den Platz im Schwesternwohnheim. Diese Erfahrung sei für ihr Leben besonders wichtig gewesen, sagt sie im Rückblick: „Das hat mir die Sicherheit gegeben, dass ich in Deutschland bleiben und die Ausbildung zur Pflegefachfrau wirklich machen möchte. Das FSJ ist eine ganz große Chance, um die Tür in eine andere Welt für sich zu öffnen.“
Neben dem FSJ hat sie weiterhin Sprachkurse besucht. Nur wegen der „großen Herausforderung, die deutsche Sprache zu beherrschen“, habe sie sicherheitshalber noch eine einjährige Altenpflegehelfer-Ausbildung im Regina-Protmann-Stift in Daun absolviert.
„Es darf keine Sprachbarrieren geben zwischen Pflegern und Patienten. Ich muss genau verstehen, was die Menschen brauchen.“ Erst als sie sich auch sprachlich dazu bereit fühlte, hat sie sich ihren großen Traum erfüllt: Volanirina Mioraniaina Rasoamalala ist jetzt im zweiten Ausbildungsjahr zur Pflegefachfrau im Krankenhaus in Daun.
„Die Deutschen sind distanziert“
Inzwischen spricht sie fließend Deutsch, hat sich an die kulturellen Unterschiede und das Wetter in der Eifel gewöhnt: „Wenn man sich in Deutschland zum ersten Mal trifft, ist man ganz distanziert. Das ist bei uns anders – bei uns bekommt jeder die Hand und man küsst sich dreimal auf die Wange“, erzählt sie lachend.
Auch habe sie gelernt, dass es in Deutschland kein schlechtes Wetter gibt, sondern bestenfalls die falsche Kleidung. Sie mag diesen Landstrich und seine Menschen, sie versteht sogar Senioren, die zuweilen ausschließlich den moselfränkischen Dialekt sprechen: „Ich weiß, dass eine Schromper eine Kartoffel ist. Eifeler Platt ist ja so ähnlich wie Luxemburgisch.“
Miora weiß auch, was der demografische Wandel bedeutet und dass in Deutschland die geburtenstarken Jahrgänge bald in das Alter kommen, in dem sie pflegebedürftiger werden. Und sie hat auch gehört, dass bereits heute 80.000 Pflegefachfrauen- und ‑männer hierzulande fehlen.
Gleichzeitig liest sie in ihrer Facebook-Community immer wieder, dass junge Männer und Frauen aus Madagaskar, die wie sie in Deutschland die Ausbildung absolvieren möchten, vergebens ein Visum beantragen: „Die haben häufig schon einen Vertrag für ein FSJ, um sich zumindest auszuprobieren. Wenn man hier mehr Pflegekräfte braucht, dann sollte man ihnen doch zumindest die Chance geben.“
Bundesregierung will neue Fachkräfte gewinnen
Sie verstehe nicht, warum diese von der deutschen Botschaft in Madagaskar abgewiesen würden, sagt Miora. Jetzt hofft sie auf Erleichterungen auch für ihre Landsleute, wenn die Bundesregierung neue Regeln zur allgemeinen Fachkräftegewinnung beschließt.
Manchmal vermisst sie ihre Familie, denn seitdem sie vor fünf Jahren in das Flugzeug Richtung Luxemburg eingestiegen ist, konnte sie sich noch keinen Heimflug leisten. Weil WLAN in ihrer Heimat nicht überall verfügbar sei, sehe sie die Eltern nur ab und zu im Chat, erzählt Miora.
Aber irgendwann, da ist sie ganz sicher, möchte sie mit all den neuen Erfahrungen zurückkehren, um in Madagaskar etwas ganz Neues aufzubauen: „Ich weiß noch nicht wann, aber das ist mein Fernziel.“ Doch zunächst möchte sie die Ausbildung im kommenden Jahr erfolgreich abschließen und noch ganz viele Erfahrungen im neuen Beruf sammeln.