War das Personal nicht ausreichend qualifiziert? Eine Pflege-Gesellschaft forderte von einer Krankenkasse 42.097,84 Euro für die erbrachten Pflegeleistungen für die von der Krankenkasse versicherten Patienten. Die Gesellschaft ist bundesweit tätig und auf die Versorgung von intensivpflegebedürftigen und beatmungspflichtigen Patienten in der eigenen häuslichen Umgebung spezialisiert.
Die Krankenkasse weigerte sich allerdings den Betrag zu zahlen und machte sogar entsprechend der Höhe der Forderungen Rückforderungsansprüche geltend. Zudem verweigerte die Krankenkasse die vollständige Auszahlung der Vergütungsansprüche gegenüber der Gesellschaft. Warum weigerte sich die Krankenkasse für die Dienste der Pflege-Gesellschaft zu zahlen?
Gesellschaft verstößt gegen Versorgungsvertrag
Zwischen der Gesellschaft und der Krankenkasse bestand ein Vertrag über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, häuslicher Pflege und Haushaltshilfe nach §§ 132, 132a Absatz 2 SGB V. In dem Versorgungsvertrag war unter anderem Folgendes geregelt:
- Der Umfang der Erbringung von grund- und behandlungspflegerischen Leistungen durch Pflegefachkräfte.
- Die Qualifikation dieser Pflegefachkräfte: Das Personal müssen fachlich und disziplinarisch vollständig in die Organisation des Pflegedienstes eingebunden sein und innerhalb der letzten acht Jahre mindestens drei Jahre eine praktische, hauptberufliche (Vollzeit-) Tätigkeit im ambulanten pflegerischen Bereich geleistet haben.
- Entstandene Schäden müssen ersetzt werden, sollte sich ein Vertragspartner nicht an die Abmachungen halten.
Sollte es zu einem Vertragsverstoß kommen, liegen die entsprechenden Maßnahmen im Ermessen der Krankenkasse. Diese Maßnahmen können sein: Verwarnung, Abmahnung oder Verhängung einer Vertragsstrafe in Form einer zu zahlenden Geldsumme. Zudem kann der Vertrag bei einem Verstoß ohne Abmahnung gekündigt werden.
Unqualifiziertes Pflegepersonal eingesetzt?
Die Krankenkasse bemängelte nun, dass die Gesellschaft sich nicht an die im Vertrag geregelten Rahmenbedingungen zur Qualifikation der Pflegefachkräfte gehalten habe. Die Gesellschaft soll nämlich acht Mitarbeiter*innen eingesetzt haben, die zwar eine Ausbildung abgeschlossen, allerdings noch nicht die erforderliche berufliche Bezeichnung erlangt haben.
Die Krankenkasse forderte von der Gesellschaft deshalb 42.643,56 Euro Rückforderungszahlung. Es folgten zwei weitere Schreiben über Aufrechnungserhöhungen: einmal um 5.849,32 Euro und um 36.794,24 Euro. Darüber hinaus weigerte sich die Krankenkasse die vollständige Auszahlung der Vergütungsansprüche gegenüber der Gesellschaft.
Pflege-Gesellschaft klagt gegen Krankenkasse
Das ließ sich die Gesellschaft nicht gefallen und klagte vor dem Sozialgericht in Berlin. In der Klage begehrt die Gesellschaft, dass die erbrachte häusliche Krankenpflege in vollständiger Höhe (42.097,84 Euro) vergütet wird. Das Sozialgericht hatte die Klage allerdings abgewiesen.
Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein und machte weiter geltend, dass alle von ihr eingesetzten Mitarbeiter*innen über eine dem Vertrag entsprechende Qualifikation verfügt hätten. Die dem Rückforderungsanspruch zugrunde liegenden Pflegeleistungen seien erbracht worden. Die Klägerin habe somit keine minderqualifizierten Pflegekräfte für die Versorgung eingesetzt.
Krankenkasse ist im Recht und muss nicht zahlen
Doch auch mit der Berufung scheiterte die klagende Gesellschaft. Die Krankenkasse hatte nach Auffassung des Gerichts völlig zurecht die Zahlung des streitigen Betrags von 42.097,48 Euro verweigert. Der Vergütungsanspruch ist nach der rechtmäßig erklärten Aufrechnung erloschen: Die Krankenkasse hatte bereits geleistete Vergütungszahlungen zurückgefordert (42.6643,56 Euro). Dieser Betrag wurde dann mit dem offenen Betrag von 42.097,48 Euro teilweise aufgerechnet.
Die Krankenkasse durfte deshalb die Zahlungen zurückfordern, da sie einen Erstattungsanspruch hat. Im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses kann dieser Erstattungsanspruch dann geltend gemacht werden, wenn Leistungen ohne Gegenleistungen erbracht wurden. Das ist hier der Fall, da die Pflege-Gesellschaft gegen wesentliche vertragliche Vereinbarungen verstoßen hatte, da die von ihr eingesetzten Pflegekräfte nicht ausreichen qualifiziert waren.
Versicherungen müssen für fachliche Qualität der Behandlung sorgen
Die Krankenkasse hat eine gesetzliche Verpflichtung dazu, für ihre Versicherten eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung sicherzustellen, die sich nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse in der fachlich gebotenen Qualität richtet. Insbesondere muss die Krankenkasse überprüfen, ob die Qualifikation der Pflegekräfte nach den allgemeinen Regeln des Berufsrechts vorhanden ist. Allerdings ist die Krankenkasse weder befugt noch in der Lage, die Qualifikation des von der Pflege-Gesellschaft eingesetzten Personals selbst zu überprüfen.
In Anbetracht des Versorgungsvertrages reicht es somit auch nicht, dass die Leistung zwar erbracht wurde. Solange das Pflegepersonal nicht über die vertraglich festgehaltene Qualifikation verfügt, ist auch die vertragliche Pflicht von der Pflege-Gesellschaft nicht erfüllt worden. Zudem kann der Vertragsverstoß auch rückwirkend nicht geheilt werden, wenn das Pflegepersonal zu einem späteren Zeitpunkt die entsprechende Qualifikation erlangt.
Quelle: LSG Berlin-Brandenburg vom 19.03.2021 – L 26 KR 77/20