Videospiele machen einsam, blöd und aggressiv – so zumindest ist die Meinung vieler besorgter Eltern, deren Kinder gerne mehrere Stunden pro Woche vor der Spielekonsole verbringen.
Videospiele können jedoch mehr sein. Die Kinder entgegnen jenen Vorurteilen häufig, dass man aus bestimmten Spielen sogar lernen oder sich virtuell mit Freunden zusammenschließen kann, um gemeinsam zu spielen.
Videospiele wirken Demenz-hemmend
Dass Videospiele auch einen therapeutischen Nutzen haben können, damit beschäftigen sich Forscher an der kanadischen Universiät Montreal. Die Erkenntnis: Bestimmte 3D-Videospiele, wie „Super Mario 64“ bewirken eine Zunahme der sogenannten „Grauen Substanz“ im menschlichen Gehirn. Mehr Graue Substanz bedeutet eine höhere Gehirnleistung und höhere Intelligenzwerte.
Die Erklärung dafür ist einfach: Durch den ständigen Aufenthalt in den eigenen vier Wänden oder dem immer gleichen Pflegeheim nimmt das Orientierungsvermögen älterer Menschen ab und mündet häufig in demenziellen Zuständen: Die Graue Substanz bildet sich zurück und das Errinnerungsvermögen nimmt ab. 3D-Videospiele nehmen die Menschen jedoch mit in eine andere Welt und führen die Menschen hinaus aus ihrer Wohnung auf neue, virtuelle Wege.
Bei den Teilnehmern der kanadischen Studie zeigte sich innerhalb eines halben Jahres eine deutliche Stärkung des Kurzzeitgedächtnisses und eine Zunahme der Grauen Substanz im Hippocampus, dem Errinnerungszentrum des Gehirns.
Damit können Videospiele sogar gegen Demenz vorbeugen. Regelmäßiges Spielen kann diese zwar nicht komplett verhindern, jedoch um einige Zeit hinauszögern. Es sei daher sinnvoll, speziell für ältere Menschen virtuelle Spiele zu entwickeln, um gegen die Demenz-Krankheit anzukämpfen.
Therapeutische Videospiele in Pflegeeinrichtungen mit der „memoreBox“
Die Krankenkasse BARMER entwickelte vor etwas mehr als vier Jahren in Zusammenarbeit mit dem Digital Health Start-up RetroBrain R&D GmbH ein Projekt zur „Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen durch therapeutisch-computerbasierte Trainingsprogramme“ im Rahmen des Präventionsgesetzes. Hierbei wurde untersucht, inwiefern therapeutische Videospiele präventiv auf die Senioren wirken. Das Pilotprojekt begrenzte sich auf Pflegeheime im Großraum Hamburg und wurde über die Jahre hinweg gefördert.
Herausgekommen ist die Videospiel-Plattform „memoreBox“, die an jeden Fernseher angeschlossen werden kann. Von der Spielidee errinert sie ein bisschen an die Nintendo Wii. Nur ohne Fernbedienung oder Controller. Über die Gesten und Körperbewegungen der Spieler können verschiedene virtuelle Trainingsprogramme, wie Kegeln, Tanzen, Singen oder Motorrad fahren ausgeübt werden.
Die Trainingsspiele sollen die Bewohner bei folgenden Fähigkeiten unterstützen:
- Koordination
- Multitaskingfähigkeit
- Kognition und Lernfähigkeit
- Beweglichkeit und Gleichgewicht
- Reaktionsvermögen
- Zunahme der Kommunikation miteinander und Verbesserung Lebensqualität im Heim
Pilotprojekt geglückt
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Beobachtung des Pilotprojekts durch mehrere Universitäten Berlins waren durchweg positiv:
Die teilnehmden Personen konnten sich in puncto geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit verbessern. Dazu beeinflusst das soziale Miteinander beim Spielen die Lebensqualität und die Interaktion der Bewohner positiv. Durch das regelmäßige Spielen verringerte sich zudem die Schmerzempfindsamkeit.
Neben der Demenz-Prävention steigerte sich auch die Mobilität der Heimbewohner. Patienten seien vermehrt in der Lage gewesen, sich selbst zu versorgen und tägliche Verrichtungen selbst zu bewältigen. Die teilnehmenden Personen berichteten zudem von Spaß beim Spielen. Und: von einer erhöhten Motivation, mit den anderen Bewohnern in Kontakt zu treten.
Präventionsprojekt wird zur Regelversorgung
Seit gut einem Monat könne sich Pflegeeinrichtungen aus ganz Deutschland für das Trainingsprogramm „memoreBox“ bewerben. Das Präventionsangebot steht dabei allen (teil-)stationären Pflegeeinrichtungen zur Verfügung und soll helfen, die Pfege digital und einfach zu gestalten.
„In der Pflege besteht ein enormes Potenzial für digitale Angebote. Neben dem therapeutischen Nutzen sollten sie vor allem einfach einsetzbar sein und die Lebensqualität der Pflegebedürftigen positiv beeinflussen“, sagt Projektleiterin Andrea Jakob-Pannier in einer Pressemitteilung der BARMER.
Das evaluierte und nachweislich wirksame Projekt ist erst seit kurzem förderfähig. Interessierte Pflegeeinrichtungen können sich bei Interesse an jede Pflegekasse mit einem Förderantrag nach § 5 SGB XI richten.