Videogame
Zocken gegen Demenz – funktio­niert das? Bild: pixabay

Video­spiele machen einsam, blöd und aggres­siv – so zumin­dest ist die Meinung vieler besorg­ter Eltern, deren Kinder gerne mehrere Stunden pro Woche vor der Spiele­kon­sole verbrin­gen.

Video­spiele können jedoch mehr sein. Die Kinder entgeg­nen jenen Vorur­tei­len häufig, dass man aus bestimm­ten Spielen sogar lernen oder sich virtu­ell mit Freun­den zusam­men­schlie­ßen kann, um gemein­sam zu spielen.

Video­spiele wirken Demenz-hemmend

Dass Video­spiele auch einen thera­peu­ti­schen Nutzen haben können, damit beschäf­ti­gen sich Forscher an der kanadi­schen Univer­siät Montreal. Die Erkennt­nis: Bestimmte 3D-Video­spiele, wie „Super Mario 64“ bewir­ken eine Zunahme der sogenann­ten „Grauen Substanz“ im mensch­li­chen Gehirn. Mehr Graue Substanz bedeu­tet eine höhere Gehirn­leis­tung und höhere Intel­li­genz­werte.

Die Erklä­rung dafür ist einfach: Durch den ständi­gen Aufent­halt in den eigenen vier Wänden oder dem immer gleichen Pflege­heim nimmt das Orien­tie­rungs­ver­mö­gen älterer Menschen ab und mündet häufig in demen­zi­el­len Zustän­den: Die Graue Substanz bildet sich zurück und das Errin­ne­rungs­ver­mö­gen nimmt ab. 3D-Video­spiele nehmen die Menschen jedoch mit in eine andere Welt und führen die Menschen hinaus aus ihrer Wohnung auf neue, virtu­elle Wege.

Bei den Teilneh­mern der kanadi­schen Studie zeigte sich inner­halb eines halben Jahres eine deutli­che Stärkung des Kurzzeit­ge­dächt­nis­ses und eine Zunahme der Grauen Substanz im Hippo­cam­pus, dem Errin­ne­rungs­zen­trum des Gehirns.

Damit können Video­spiele sogar gegen Demenz vorbeu­gen. Regel­mä­ßi­ges Spielen kann diese zwar nicht komplett verhin­dern, jedoch um einige Zeit hinaus­zö­gern. Es sei daher sinnvoll, spezi­ell für ältere Menschen virtu­elle Spiele zu entwi­ckeln, um gegen die Demenz-Krank­heit anzukämp­fen.

Thera­peu­ti­sche Video­spiele in Pflege­ein­rich­tun­gen mit der „memore­Box“

Die Kranken­kasse BARMER entwi­ckelte vor etwas mehr als vier Jahren in Zusam­men­ar­beit mit dem Digital Health Start-up Retro­Brain R&D GmbH ein Projekt zur „Präven­tion in statio­nä­ren Pflege­ein­rich­tun­gen durch thera­peu­tisch-compu­ter­ba­sierte Trainings­pro­gramme“ im Rahmen des Präven­ti­ons­ge­set­zes. Hierbei wurde unter­sucht, inwie­fern thera­peu­ti­sche Video­spiele präven­tiv auf die Senio­ren wirken. Das Pilot­pro­jekt begrenzte sich auf Pflege­heime im Großraum Hamburg und wurde über die Jahre hinweg geför­dert.

Heraus­ge­kom­men ist die Video­spiel-Platt­form „memore­Box“, die an jeden Fernse­her angeschlos­sen werden kann. Von der Spiel­idee errinert sie ein bisschen an die Nintendo Wii. Nur ohne Fernbe­die­nung oder Control­ler. Über die Gesten und Körper­be­we­gun­gen der Spieler können verschie­dene virtu­elle Trainings­pro­gramme, wie Kegeln, Tanzen, Singen oder Motor­rad fahren ausge­übt werden.

Die Trainings­spiele sollen die Bewoh­ner bei folgen­den Fähig­kei­ten unter­stüt­zen:

  • Koordi­na­tion
  • Multi­tas­king­fä­hig­keit
  • Kogni­tion und Lernfä­hig­keit
  • Beweg­lich­keit und Gleich­ge­wicht
  • Reakti­ons­ver­mö­gen
  • Zunahme der Kommu­ni­ka­tion mitein­an­der und Verbes­se­rung Lebens­qua­li­tät im Heim

Pilot­pro­jekt geglückt

Die Ergeb­nisse der wissen­schaft­li­chen Beobach­tung des Pilot­pro­jekts durch mehrere Univer­si­tä­ten Berlins waren durch­weg positiv:

Die teilnehm­den Perso­nen konnten sich in puncto geisti­ger und körper­li­cher Leistungs­fä­hig­keit verbes­sern. Dazu beein­flusst das soziale Mitein­an­der beim Spielen die Lebens­qua­li­tät und die Inter­ak­tion der Bewoh­ner positiv. Durch das regel­mä­ßige Spielen verrin­gerte sich zudem die Schmerz­emp­find­sam­keit.

Neben der Demenz-Präven­tion steigerte sich auch die Mobili­tät der Heimbe­woh­ner. Patien­ten seien vermehrt in der Lage gewesen, sich selbst zu versor­gen und tägli­che Verrich­tun­gen selbst zu bewäl­ti­gen. Die teilneh­men­den Perso­nen berich­te­ten zudem von Spaß beim Spielen. Und: von einer erhöh­ten Motiva­tion, mit den anderen Bewoh­nern in Kontakt zu treten.

Präven­ti­ons­pro­jekt wird zur Regel­ver­sor­gung

Seit gut einem Monat könne sich Pflege­ein­rich­tun­gen aus ganz Deutsch­land für das Trainings­pro­gramm „memore­Box“ bewer­ben. Das Präven­ti­ons­an­ge­bot steht dabei allen (teil-)stationären Pflege­ein­rich­tun­gen zur Verfü­gung und soll helfen, die Pfege digital und einfach zu gestal­ten.

„In der Pflege besteht ein enormes Poten­zial für digitale Angebote. Neben dem thera­peu­ti­schen Nutzen sollten sie vor allem einfach einsetz­bar sein und die Lebens­qua­li­tät der Pflege­be­dürf­ti­gen positiv beein­flus­sen“, sagt Projekt­lei­te­rin Andrea Jakob-Pannier in einer Presse­mit­tei­lung der BARMER.

Das evalu­ierte und nachweis­lich wirksame Projekt ist erst seit kurzem förder­fä­hig. Inter­es­sierte Pflege­ein­rich­tun­gen können sich bei Inter­esse an jede Pflege­kasse mit einem Förder­an­trag nach § 5 SGB XI richten.